Scena I

[84] Stahrenberg, Aloisia.


STAHRENBERG. Traget keine Sorge, wehrteste Gemahlin, dann derjenige kan nicht zu Grunde gehen, welcher von dem Adler empor gehalten wird, und wer unter seinen Flügeln sich befindet, achtet eine drohende Gefahr nicht.

ALOISIA. Ach mein Herr und Gemahl, wie wohl erfahre ich wahr zu seyn was meine Schwermuth biß daher nur gemuthmaßet, und wie klärlich stellet sich mir vor jenes Original, deßen Schreckhaffte Abbildung biß daher in meinem Hertzen eingepräget gewesen, nemlich einen türckischen Wolkenbruch und eine unser Teutschland überschwemmende Krieges-Macht, welche viel derer Christlichen Helden auf die Schlachtbanck lieffern, oder türckische Sclaverey über Sie verhängen wird.[84]

STAHRENBERG. Und wann auch diesem also und der Feind uns zu bekriegen Vorhabens wäre, hat Europa Muth und Volck gnug, ihm zu wiederstehen, und ihm den Rückweg zu zeigen.

ALOISIA. Aber Ach, die Erfahrung bewähret, daß auch offtmahls die allertapffersten in Bestreitung dieses Bundbrüchigen Tyrannen ihr Leben eingebüßet und dem Tode ein Raub geworden sind.

STAHRENBERG. Diese ob Sie gleich dem Ansehen nach todt, so leben Sie doch in dem Gedächtnuß ihrer Nachkommen, und ihr unsterblicher Ehren- Ruhm ist derjenige Phoenix aus deßen Aschen neue Helden entsprießen.

ALOISIA. Die Blödigkeit des Weiblichen Geschlechts ist aber nicht also gesinnet, daß da wir nur ein Leben haben, solches dergestalt von uns in die Schantz geschlagen wird.

STAHRENBERG. Demjenigen, der sich zu Dienst des Vaterlandes auffopffert, kan solches nicht anders als Ruhmwürdig seyn.

ALOISIA. Was vor Wunden verursachen doch diese Reden meinem Hertzen, Theurester Gemahl, wann ja meine Bitte bey euch jemahls was zu erlangen vermögend gewesen, so laßet dieselbe anjetzo stattfinden, und trachtet wo möglich euch der Gefahr zu entziehen.

STAHRENBERG. Gemahlin, Sr. Kayserl. Mayestät mir aufgetragener hoher Befehl will diesem kein Gehör geben, und wie solte ich, da mir die Gelegenheit [Ruhm und Ehre zu erwerben] wincket, derselben nicht schuldige Folge leisten, derowegen verzeihet, indem ich der zu euch tragenden zärtlichen Neigung gewalt thun, und mich von hier begeben muß.

ALOISIA. Ach verbleibet mein Gemahl, dann bey so gestalten Sachen kan ich nicht wißen, ob ich euch auch wiedersehen möchte.

STAHRENBERG. Der Himmel wird alle Gefahr von mir abzuwenden wißen.

ALOISIA. Und ihr gehet von hier, und laßet mich Trostloß und alleine. Weynet.

STAHRENBERG. Ihr werdet nicht alleine seyn, indem meine Liebe und Sorgfalt eure Begleiterinnen verbleiben.

ALOISIA. Aber euere Kinder.

STAHRENBERG. Diese sind in dem Schutz des Himmels.

ALOISIA. Meine Waysen

STAHRENBERG. werden unter seiner Obsicht seyn.

ALOISIA. Doch mein Gemahl, wann es ja seyn soll, und ihr euch dem Klang derer feindlichen Waffen entgegen begebet, so schonet doch eueres werthen Lebens.

STAHRENBERG. Euer Angedencken wird mir ein Helm, und Euere Liebe ein Harnisch seyn.

ALOISIA. Und wer wird vor euerer glücklichen Wiederkunfft mir Bürge werden?

STAHRENBERG. Dieser Kuß, welcher nebst dem Hertzen euch zum Unterpfande verbleiben soll. Umbarmet Sie und gehet ab.

ALOISIA. Ach lebe wohl, deine Abwesenheit verursacht mir Tausend Schmertzen, indem du gleichsam deinem Tode entgegen gehest, und durch denselben mich zu einer betrübten Wittib machest.


Euphrosina komt dazu.


EUPHROSINA. Wer mag doch aussprechen dasjenige Elend, so die schädliche Kriegesflammen verursachen, und den Jammer, so die Einwohner einer belagerten Stadt betrifft, Handel und Wandel wird aufgehoben, die allgemeine Ruhe und gute Ordnung gestöret, die Spatzierfahrten, Assembléen und andere Lustbahrkeiten unterbrochen, und die Liebe wird an ihrem Lauff gehemmet; Wie unglückseelig ist doch ein Frauenzimmer, welche ihre Neigungen einem schencket, der unter des Martis fahnen streitet, wo manche edle Blume in ihrer zarten Blüthe ersticken muß; Aber siehe da, meine Frau Mutter gegenwärtig, welche meine unbedachtsame Reden vielleicht vernommen haben wird.

ALOISIA. Geliebte Tochter, bist du da?

EUPHROSINA. Ja gnädige Frau Mutter, ich kome dieselbe in Ihrer Betrübnuß zu trösten.

ALOISIA. Ach und was für einen Trost kanst du mir geben, der du selber wie ich sehe, mit lauter Betrübnuß erfüllet bist.

EUPHROSINA. Denjenigen, welchen die gute Verfaßung derer Burger und Einwohner, und die bekannte Tapfferkeit derer Teutschen Waffen mir einspricht, und möchte wünschen, daß die Natur und mein Geschlecht verstattete, mich unter die feindliche Waffen zu begeben so wolte ich zeigen, daß ich nicht weniger ein Hertz im Busen führete als jene Amazoninnen, welche ehedeßen den Feind ruhmwürdig bestritten haben.

ALOISIA. Rede nicht also, Meine Tochter, dann was hat die Unbedachtsamkeit jener Tollkühnen Weiber ehemahls ausgerichtet, welche indem Sie den Kürtzern gezogen, und offtmahls[85] überwunden worden, nur der Nachwelt gezeiget, daß Weil Sie die Schrancken der Ehrbarkeit überschritten, Sie auch deswegen billig gestrafft worden.

EUPHROSINA. Was haben aber Semiramis und andere unzahlbahre Heldinnen nicht vor herrliche Thaten gewircket, deren Gedächtnuß ihnen unsterbliche Ehren Säulen aufgerichtet.

ALOISIA. Schweige Tochter, dann mein Hertz ist viel zu ungedultig, daß es dergleichen Reden nicht anzuhören vermag, und ich anjetzo der Ruhe genießen will.

EUPHROSINA. Hertzliebe Mutter, ich bitte mir zu verzeihen, wann durch mein Gespräch ich dieselbige beleydiget.

ALOISIA. Ich begebe mich von hinnen.

EUPHROSINA. Und ich folge in Kindlichem Gehorsam.


Beyde gehen ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 84-86.
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