Neunter Auftritt.

[234] Julie und der Capitain.


JULIE läuft ihrem Vater nach. Mein Vater – mein Vater – um Gottes willen![234]

DER CAPITAIN nimmt sie bey dem Arm und führt sie zurück. Heyda – meine schöne Widerspänstige, erlauben Sie gütigst – der Teufel hol – hätten Sie mir nicht bald einen Marsch abgewonnen? Ich muß das Defilee hier besetzen.


Stellt sich vor die Thür.


JULIE. Lassen Sie mich zu meinem Vater, zu meinem Vater, in meine Stube, in mein Gefängniß. Sie sind ein grausamer Mann.

DER CAPITAIN. Nicht doch, Fräulein Julie, ich habe Ihnen die schönsten Sachen von der Welt zu sagen. Wissen Sie wohl, daß Ihr allerliebster Belmont bald hier seyn wird?

JULIE weint und ringt die Hände.

DER CAPITAIN. Fassen Sie sich, armes Kind, ich spaße nicht, bey meiner armen Seele! ich habe ihm die besten Windhunde im Königreiche nachgeschickt, und wenn sie ihn aufspüren, so werden Sie ihn sehen, auf dem Triumph karren, und wie ein römischer Bürgermeister, mit Häschern umgeben – Ha ha ha, Sie können ihm dann von Ihrem Fenster herunter ein Mäulgen zuwerfen. Ha ha ha.[235]

JULIE. Ha! wer errettet mich? Ich frage Sie – bin ich in Ihre Hände gegeben?

DER CAPITAIN. Sapperment – mit dem zornigen feurigen Blick – in meine Hände oder in meine Fäuste, wie Sie wollen, mein Kind – denn ich werde so leise nicht zugreifen, wie der Herr Papa und der Tropf Woldemar, der vor Ihr in die Knie sinkt, wie ein lahmer Hund – Ich will es versuchen, ob ich die gebieterische Schöne nicht bändigen kann, der Befehl Ihres Vaters und Ihrer ganzen Familie ist – Zugehört! – Dreht ihr das Gesicht herum. und wenden Sie das hartnäckige Köpfgen nicht weg. Mit stärkerer Stimme. Verkehrtes – eigensinniges, liebetolles Mägdchen – du sollst, du mußt Woldemarn nehmen, du sollst an den Landläufer nicht denken – und wenn du nicht gehorchst, Fräulein – so mache heute noch deinen Bündel zurechte, mache dich gefaßt, auf die Straße gestoßen zu werden, du kannst ihn alsdann aufsuchen, liederliche Dirne, du hast eine kleine zierliche Stimme; wenn der Junge die Sackpfeife lernt, so könnt ihr vielleicht vor den Hausthüren euer Brod verdienen.

JULIE. Sollen Sie mir das von meinen Vater sagen? – Sie sind mein Oncle nicht – Sie sind –[236]

DER CAPITAIN hebt die Hand drohend gegen sie auf. Was bin ich – du trotziges Ding?

JULIE. Schlagen Sie mich – jagen Sie mich fort aus diesem Hause – wenn das mein Vater befiehlt. – O mein Oncle! ich flehe vor Ihnen, bitten Sie für mich, erbarmen Sie sich – ich will nicht heirathen – niemals, niemals – Was wird es Ihnen helfen? – Woldemar will mich nicht – Er hat es geschworen, und ich will eher sterben. – Kräfte – Kräfte dieses alles zu ertragen.

DER CAPITAIN. Warum fahren Sie nicht noch ein wenig fort? Bey meiner armen Seele das Gewinsel läßt dir so übel nicht, und das Magdalenengesichte kleidet dich viel besser als die Kerlsmiene, die du einen Augenblick zuvor hattest. – Es ist nur Schade, daß die Comödiantenstreiche bey mir alle nichts helfen – Komm – heule dich ein wenig aus meine Tochter – der Eigensinn muß Luft haben, in der Hauptsache bleibt es dabey – fort! –


Nimmt sie beym Arm.


JULIE. Wo führen Sie mich hin? –[237]

DER CAPITAIN. In deine Stube, Herzgen – Wir wollen den Vogel ein wenig in den Bauer sperren, bis er das rechte Lied pfeiffen lernet, fort –


Schleppt sie fort.


Quelle:
Peter Helfrich Sturz: Schriften. Band 1, Leipzig 1779–1782, S. 234-238.
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