Zweyter Auftritt.

[238] Werneck und Belmont.


WERNECK. Was machen Sie schon wieder hier? Sie wollen gewiß noch entdeckt werden. Fort – in diesem Hause ist alles in der größten Gährung – Der tolle Capitain ist hier –

BELMONT. Er – Ich verachte Ihn – und wenn Er den Muth hätte, der ihm fehlt. Gefahr des Lebens ist[238] Hoffnung bey meinem Zustande. Freund, da ist kein Trost mehr – ich suche in tief in meiner Seele – habe ich es Ihnen gesagt? Ich verhehle es vor mir selber – die Meineidige – Sie hat sich eine halbe Stunde lang mit ihm in Ihr Zimmer verschlossen. O Donner des Himmels und du säumtest – an dem Ort, wo die Eidschwüre geschahen.

WERNECK. Diese ganze schreckliche Nachricht beruht, ich wette, auf dem Geschwätze des Dieners – und wenn Sie auch mit Ihm verschlossen war, wer nöthigt Sie das Aergste zu fürchten?

BELMONT. Ach, Sie flohe vor ihm, wie eine schüchterne Taube – Blaß wurde Sie, wenn Sie Ihn von ferne sahe. – Woher diese schleunige Aenderung! wenn es nicht Meineid – weibischer Unbestand – Verrätherey ist – O Sie kennen die Arbeit, die Beklemmung dieses Herzens nicht – Theureste – verführte treulose Julie! mit welchem Entsetzen wirst du aus diesem Traum erwachen! vor dir wird mein Schatten fürchterlich hergehen – Du kannst nicht mehr beten: nein, nicht mehr zu dem Gott, bey dem du geschworen hast.

WERNECK. Wie geschäfftig Sie sind, sich zu quälen! – Wer hat es denn gehört, daß Sie Ihm gütiger begegnet? –[239] Sie war allein mit Ihm, sagen Sie – vielleicht hat Sie Ihm freymüthig den Zustand Ihres Herzens entdeckt, vielleicht hat Sie diesen Schritt, der Ihr schwer ankommen mußte, bloß zu Ihrem Besten gethan. Wie wäre es, wenn Sie an Julie schrieben von dem dem letzten Ort unsers Aufenthalts her? damit Sie uns in der Nähe vermuthete – und alle Kräfte anstrengete?

BELMONT. Ich habe mehr gethan, ich habe Ihr Bildniß, das ich abgöttisch verehrte, wie Sie wissen, in Ihr Zimmer legen lassen, und zwey Worte dabey geschrieben, wenn Sie nicht ganz verhärtet ist, so muß Sie bey diesem Anblick zurücke beben – so muß Ihr die Stunde, da Sie mir es gab, gegenwärtig seyn, die heilige unvergeßliche Stunde! O Werneck! ich bin zweyfach elend, ich habe die Entzückungen einer glücklichen Liebe geschmeckt, ich war auf dem Gipfel erhöht, von welchem ich die Großen der Erden weit unter mir sah, nun bin ich gestürzt, ich winde mich unten im Staube. Da als Werneck mein Freund noch nicht war, als Armuth und Mangel mich quälten, o da war ich glücklicher: wenn ich am Abend vom Hunger entkräftet mich auf mein Lager hinwarf und keinen Schimmer der Hoffnung für Morgen entdeckte, dann erhob ein Gedanke[240] an Sie meine Seele zur Freude, eine dunkele Erwartung einer bessern Zukunft, eine kühne Hoffnung noch der Ihrige zu werden. Dann war ich nicht mehr elend, Ihre Liebe gab mir alles. Aber nun Freund, nun – nun ist Ihre Liebe, nun ist alles dahin! –

WERNECK. Was Sie sagen, würde mich rühren, Belmont, wenn Ihre Furcht gegründet wäre; aber Sie schaffen sich selbst ein Gespenst, das Sie schreckt, und Sie verschließen Ihren Verstand gegen alles, was Sie trösten könnte: diese letzte Unternehmung mit dem Portrait war sehr übereilt. Warum haben Sie nicht lieber geschrieben? Wird es Ihr nicht vorkommen, als wenn Sie brechen wollten? Wenn Sie nun unschuldig wäre? O Freund! Sie fordern meinen Rath alsdann, wenn Sie dem Ihrigen schon gefolgt haben.

BELMONT. Sie erschrecken mich, Werneck, warum habe ich den unglücklichen Einfall gehabt? ist das nicht zu ändern? sagen Sie mir, Sie sollen meine Unterwerfung sehen.

WERNECK. Gut, liebster Belmont, nur hier wollen wir uns nicht aufhalten. Kommen Sie – kommen Sie,[241] ehe man uns überrascht, wir wollen die Sache mit einander ernsthaft und kalt überlegen.


Gehen ab, und indem sie abgehen, kommt Peter.


Quelle:
Peter Helfrich Sturz: Schriften. Band 1, Leipzig 1779–1782, S. 238-242.
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