Fünfter Auftritt.

[257] Woldemar und die Vorigen.


WOHLAU. O Woldemar – geben Sie mir mein Kind wieder. Warum haben Sie mir meine Tochter genommen? wie wollen Sie das vertheidigen? Wo ist Sie, Woldemar? warum kommen Sie allein?

WOLDEMAR. Vergeben müssen Sie Ihr, Sie wird den Augenblick hier seyn, Sie hat diesen Schritt nicht ohne Thränen gethan, aber Sie waren zu hart – zu aufgebracht.[257] Sie hatten Ihr eigenes Herz verläugnet, und Ihr Oncle ist Ihr wie ein Henker begegnet.

WOHLAU. Der verdammte Capitain –

WOLDEMAR. Sie kennen Ihre zärtliche Seele; der Kaltsinn, der Zorn Ihres Vaters unterdrückte Sie, und Sie zitterte vor neuen Qualen. Ihr Zustand drohete Gefahr; es würde Ihr Leben verbittert haben, wenn Ihr früher Tod –

WOHLAU. Gott stehe mir bey – ich wäre mit Ihr gestorben.

WOLDEMAR. Sie wollte bey meiner Mutter die Wiederkehr Ihrer alten Liebe abwarten, Sie wollte sich noch vor Ihnen zudringen, mußte sich aber vor der Wuth Ihres Oncles verbergen. – Ich schwöre in Ihrem Namen, Sie wird keinem Mann jemals Ihre Hand gegen den Willen Ihres Vaters geben. Sie ist ganz Unterwürfigkeit, ganz Gehorsam.

WOHLAU. Ein recht gutes Mägdchen, so wahr ich lebe. Aber der Junge ist nichts für Sie, Er kann es nicht seyn.

WOLDEMAR. Erlauben Sie mir, nach reifer Ueberlegung muß ich Ihnen mit der Aufrichtigkeit eines Freundes sagen,[258] diese Liebe ist in dem Herzen Ihrer Tochter so mächtig, daß Sie Ihr Leben hindurch elend seyn würde, wenn Sie fortführen strenge zu seyn. Es ist zu spät eine Leidenschaft zu dämpfen, die so viel Zeit, so viel Gründe gehabt hat, sich in Ihrer Seele zu befestigen. Bedenken Sie, mein Herr – Sie hat die Probe der Verfolgung ausgestanden, wie der Glaube eines Märtyrers, und keine Gewalt ist fähig, Sie jemals zu entkräften. Ich flehe vor Ihnen, wenn Ihnen die Ruhe Ihres Hauses, das Leben Ihres Kindes, ein glückliches Alter theuer ist, so vereinigen Sie zwey Leute, die keine Macht der Erde trennen kann. Ich kenne Belmont nicht, man sagt mir, daß er heftig und zuweilen ausschweifend ist, das sind eher Eigenschaften als Fehler der Jugend, und da sein Herz gut ist, so müssen Ihn Ihre Wohlthaten bewegen, in jede Handlung seines Lebens Ihrem Winke zu folgen, und einen Vater zu verehren, der ihn aus dem Staube zu dem Gipfel seiner Wünsche erhebt.

WOHLAU. Er ist aber ein Bettler, der Bursche, er hat nicht einen Schilling, und meine Gutheit hat er schön belohnt, wie Sie wissen. Hat er nicht mir und meiner Tochter beynahe das Leben gekostet?[259]

WOLDEMAR. Dafür hat er gebüßt. Haben Ste ihn nicht mit Schande von sich weggestossen, und muß er nicht alle Marter des Mangels, einer trostlosen Liebe und der Verzweiflung erduldet haben, und was seine Armuth betrift –

FRAU VON WICHMANN. Seine Armuth, liebster Bruder, soll nicht länger die Vereinigung so vieler Wünsche hindern. Ich will Ihn aussteuern, du sollst deine Tochter meinem Sohne geben, ich hoffe Bruder, du wirst Sie ihm nicht abschlagen? Gott segne diese Verbindung, ich freue mich, meine Julie wieder glücklich zu sehen.

WOHLAU. Das ist etwas, Schwester. Deine Gütigkeit rührt mich, und ich will die Sache überlegen.

WOLDEMAR. Wollen Sie überlegen, ob Sie Ihre Tochter zu der glücklichsten Frau in der Welt machen wollen? Ich beschwöre Sie –

FRAU VON WICHMANN. Ich bitte dich, Bruder, entschliesse dich jetzo zu dem einzigen Mittel, deine und meine Ruhe, die Ruhe des armen Kindes wieder herzustellen, damit nicht ein neuer Zufall unsere Freude vereitelt, laß deine Schwester, die dich zärtlich liebt keine, Fehlbitte thun.[260]

WOLDEMAR. Ihre vortrefliche, großmüthige Schwester, Ihren treuesten Freund –

WOHLAU. Wohlan – er hat mir zwar manchen sauren Tag gekostet, aber es sey drum, das Mägdchen muß ich wieder einmal freudig sehen, Er soll Sie haben.


Quelle:
Peter Helfrich Sturz: Schriften. Band 1, Leipzig 1779–1782, S. 257-261.
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