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[268] Julie und Dalton.
JULIE. Diese Stürme, Dalton – dieser schnelle Uebergang vom Jammer zur Freude hat mich erschüttert – ich bin ganz kraftlos, Setzt sich. wie mein Vater[268] mir es sagte – o das war eine noch nie gefühlte Empfindung – in dem Herzen entstund sie – und floß durch alle Nerven wie Feuer – Nun sind alle die Qualen, mein Gefängniß, meine Angst, meine Flucht, der Zorn meines Vaters, alles ist ein Traum – und vor mir hin – O eine Aussicht der Freude! das ist mehr, als ich verdienet habe – Wo wirst du jetzo seyn in diesem Augenblick, du Liebling meiner Seele, denn so darf ich dich nennen, vielleicht vom Kummer verzehrt – durch Thränen, durch schlaflose Nächte entkräftet – o wenn es dir eine Ahndung sagen könnte! wie glücklich du bist – wie glücklich deine Julie seyn wird!
DALTON. Wir werden ihn finden, liebstes Kind – man giebt sich alle Mühe – Er muß nicht weit von hier seyn, nur jetzo seyn Sie ruhig. Ihr Gemüth hat zuviel gelitten, es ist nicht gut, wenn Sie sich zu sehr mit Ihm beschäftigen –
JULIE. Nicht mit Ihm? Ich finde sonst keinen Gedanken in mir. – Nein Dalton, diese Freude ist Leben, ich fühle, daß ich wie aus einer Betäubung erwache, und mein Angesicht glüht. – Sieht nach dem Spiegel. Aber ach – diese Augen, Dalton, das sind nicht[269] mehr die Augen seiner Julie – wie verweint und aufgeschwollen sie sind – Ach – Er wird sich vor mir entsetzen – findest du nicht Dalton, daß ich fürchterlich aussehe?
DALTON. Glauben Sie das nicht, liebstes Fräulein, Sie sehen nunmehro recht wohl aus – und Ihre Augen sagen Sie – das sind gewiß recht schöne Augen, und diese Mattigkeit – o Sie werden sehen, wenige vergnügte Tage werden Sie wieder herstellen – denn Sie sind jung, Fräulein – nun ist aller Gram vorbey, die Freude wird Sie schon wieder aufrichten.
JULIE. Glaubst du nicht, daß die Ehe auch ihren Gram hat? – aber daran will ich nicht denken – das Denken wird mir ohnedies jetzo sauer. – Wenn Er mich noch so liebt, wie ehemals, wie ich ihn liebe, o Dalton! dann wirst du noch einmal die Zeiten wieder sehen, die dir so wohl gefielen, dann wirst du sehen, wie deine Julie an den Augen Ihres Wilhelms hängt, seine Wünsche in seiner Miene sucht, an seiner Brust die Welt vergißt und keine Königinn beneidet. O Dalton! Ihm zu gefallen, ist das Geschäfte meines Lebens. – Dann werde ich sie lange wünschen, die Tage, nach deren Ende ich so oft geseufzt habe, jede Minute wird[270] mir theuer seyn, du weißt es, wie ungeduldig ich sonst war, wenn sie so schnell vorüber flohn. – Aber wenn Belmont meiner müde würde – o Dalton – dann lieber mein altes Elend – lieber den Tod.
DALTON. Wie Sie das fürchten können, liebstes Fräulein, ja, wenn er das rechtschaffene Herz nicht hätte, wenn Sie nicht ein so gutes Kind wären, wenn er Ihnen nicht seine ganze Wohlfahrt zu verdanken hätte.
JULIE. O welche Wollust ist es, den Mann glücklich zu machen, den man liebt, Ihn vergnügt zu sehen, und sich sagen zu können, das ist dein Werk. – Nun Dalton, nun danke ich es der Vorsehung mit Entzücken, daß ich reich bin – o wenn ich Fürstenthümer hätte, um sie zu seinen Füssen zu legen – Aber stille, stille – klingt das nicht stolz? ist das nicht, als wenn ich Ihn hervorgezogen, als wenn ich Ihn erhoben hätte? Nein – mich die arme Julie hat er durch seine Liebe erhoben, hierauf bin ich stolz, alle Reichthümer der Welt sind unter dieser Grösse.
DALTON. Gott segne Sie beyde, theurestes, liebstes Kind – Gott segne Sie Weint. O Wilhelm! du wirst das Beyspiel eines glücklichen Mannes werden.[271]
JULIE. Du bist eine Schmeichlerin, Dalton – du solltest mir nicht so schmeicheln, sey nicht zu gütig gegen mich, ich bitte dich, ich habe deine Ermahnungen und deine Strenge noch nöthig, erinnere mich, wenn mein einbildisches Herz aufwallt, wenn es sich in seinem Glücke groß dünkt, ich könnte hochmüthig werden.
DALTON. Ihr demüthiges, unschuldiges Herz, Kind, glauben Sie mir, das kann nicht stolz werden. – Stille – was ist das? was ist das für ein Lerm? –