[46] Arratos. Philarete.
ARRATOS.
Der Tag erglänzt – die Herzen schlagen höher,
Nur du – verfremdet und in Gram gemummt –
Gesellst dich mir als Freudestörerin.
Kehr heim aus deines Kummers dunklem Fernsein!
Kehr heim – nicht bloß, wie du wohl sonst auch pflegtest,
Glutheiße Händel bittend abzukühlen
Und zwischen Fels und Fels ein weiches Wort[46]
Zu streun – kehr heim und bring die Seele mit,
Die irgendwo an hoffnungslosen Ufern
Schiffbrüchig in die Leere weint.
PHILARETE.
Kehr heim,
So rufst du! Mahnst du mich an Pflichten,
Die ich vergaß? Sprich, war ich nicht daheim,
Wenn du in Sorgenächten, krampferfaßt,
Auf deinem Pfühl dich schütteltest? Wenn du
Im Halbtraum angstverzerrte Laute stöhntest,
Und wenn du wahnkrank an des eignen Handelns
Gesetz das Messer der Verzweiflung legtest?
ARRATOS.
Nicht! Laß! Nichts mehr davon! Das war einstmals,
War jüngst noch meinethalben! – aber – sieh! –
Das hat sich aufgehellt – genas – und ward
Zum Heile, denn, was heute – – ja, ich muß
Dich loben! Treulich standest du zu mir,
Vergaßest eigne Not und legtest kühlend
Den Balsam deiner Hände mir aufs Haupt.
Doch wüßt' ich gern, in welcher Bahn derweilen
Dein Denken kreist – ob du nicht gar mißbilligst,
Vergleiche stellst und dich im Rückerinnern
Entthronten Göttern vor die Füße wirfst.
Kehr dich nicht ab. Ich weiß, daß ich mit Schatten
Im Kampfe liege, daß ich Nacht für Nacht
Mir zollbreit meines Lebens Grundwerk neu
Erobern muß.[47]
PHILARETE.
Mein Freund, laß uns des Daseins
Verhüllte Bürde schweigend weitertragen –
Gleich Weggenossen, die bei hartem Wandern
Die Füße sich wundliefen und dies Wehtun
Wie eine Schande nicht bekennen wollen.
An Heimlichkeiten zwischen dir und mir
Wuchert's in Fülle. Wir ersticken fast
Daran und können, dürfen doch nicht reden.
ARRATOS.
Bedenkst du mich, mein Handeln steht so hell,
So klargefügt vor dir und aller Welt –
Ich weiß nicht, was ich noch zu hehlen hätte!
Schau her! Tyrannenschaft ward mir geschenkt
Von einem Volke, das in Dankesjubel
Nicht Maß noch Schranke sah. Ich wehrte mich
Und tat sie weg – bescheiden, zagend fast –
Wie einen Lorbeer, der mir nicht gebührt.
Kein Schandmal flecket diese Stirn, kein Feind
Sank unter meines Henkers Fäusten hin.
Und wen ich bannte, dessen Schätze machten
Mich selbst nur ärmer. Sieh! Wo ist der Goldreif,
Der herrscherhaft die Schläfen schmücken sollte?
Wo der Palast, der seiner Mauerzinnen
Gebiß der weißen Stadt entgegenfletscht?
In meines Weibes Hause wie ein Gast,
Ja wie ein Fremdling wohn' ich unbewehrt.
Kaum, daß ich mir die tausend Wächter gönne,
Die mir zu meines Leibes Schutz das Volk[48]
In Liebe dargebracht. So leb' ich – leb'
Und sühne! – Sühne – was? – Was wär' zu sühnen!
Wohl jener Sieg? Doch sühnt man Siege? Sühnt
Man Glück, das kein Glück ist? Das wie der Nattern
Geringel Seel' und Leib zuschanden schnürt? – –
Ja so! Vergib! ... Denn dein vergaß ich fast!
Undankbar bin ich nicht! Vergib.
PHILARETE.
Von Danken
Sprich nicht. Weiß ich ein Wort, das zwischen uns
Nicht sinnlos wär' – ein Wort, das unsrer Seelen
Gemeinschaft bündig trifft, so heißt es: Schuld.
ARRATOS.
Was – Schuld? Auch das noch Schuld! Warst du nicht frei?
Warst du nicht mit der Deinen Leib und Leben
Mir anvertraut? Wie könnt' ich dies Vertrauen
Bewähren – klüger, maßvoller bewähren –
Als euch in meines eignen Namens Hut
Vor des empörten Volkes Ungestüm
Zu schützen? So nur wurdest du gerettet
Und mit dir Kinder, Haus und Heimatsrecht.
Du sträubtest dich, du wolltest aus dem Fehlen
Des nie gefundnen Leichnams Schlüsse ziehn –
Und noch in diesem Augenblicke zuckt
Dein Körper wie vom Blitz berührt. So banne
Jetzt endlich jene Sorge! Viele waren[49]
Durch niederdonnerndes Gestein in Staub
Zermalmt und selbst der Liebe Sucherblick
Ganz unerkennbar. Laß ihn ruhen! ... Laß
Ihn ruhen! ... Schlimmer wär' es ihm ergangen,
Wenn etwa – doch genug! Zu Heiterm jetzt.
Was unsre beiden Kinder anbelangt,
So wär's wohl Zeit, daß wir Entscheidung träfen.
Doch bitt' ich noch einmal: Den Schatz des Hauses,
Den unermeßlichen, der von den Vätern
Drin aufgehäuft, gib frei! Bekenne mir
Die Stätte, wo du ihn bewahrst. So kläglich,
So mitgiftlos wirst du die einz'ge Tochter
Nicht aus dem Hause tun. Und von dem Anteil,
Der deinem Sohne zukommt, soll kein Deut
Entwendet sein. So schwör' ich abermals,
Wie ich dir oft geschworen.
PHILARETE.
Und so oft
Du dieses tatst, erhärtete mein Schwur,
Daß ich die Güter alle, die dem Hause
Zu eigen, ohne Rückhalt, ohne Mißtraun
In deine Hände gab und daß die Stätte,
Nach der du forschest, mir Geheimnis blieb.
Nun richte mich, doch quäle mich nicht mehr.
ARRATOS.
Soll ich den Maulwurf spielen unter diesem
Gestein? Soll ich die Sklaven foltern lassen,
Bis Blut und Worte durcheinander sprudeln?[50]
PHILARETE in Angst und Flehen.
Nicht einer weiß, nicht einer!
ARRATOS.
Aber mir
Hängt Hand und Herrschaft an dem einen Wissen!
In tausend Truggestalten schleichen sie
Durch Stadt und Lager – wispern hier
Und tuscheln dort und kaufen Trödel, der
Nicht schenkenswert ... Wo dieser schnell verarmte,
Wo jenem Ruf und Ansehn brüchig ward,
Wo Habsucht lauert und verhaltner Groll
Die Fäuste ballt, da nisten sie verstohlen
Und werden Gastfreund, Spiel- und Zechgenosse –
Da gleißt das rote Gold! ... So kaufen sie
Das halbe Syrakus mir, kaufen Volk
Und Edle – kaufen mir die Wächter – kaufen
Das Bettzeug unter meinem Leibe mir.
PHILARETE.
Nicht ganz so freudereich erglänzt der Tag,
Wie du mich glauben ließest. Und auf wen
Kannst du wohl zielen, sind es jene nicht,
Die – –?
ARRATOS.
Die Karthager, glaubst du? Nein, o nein!
Die sind mir freund! Ist Mago nicht mein Freund?
Er mehr als alle? ... Ja ... Denn wär' er's nicht,
Was wollt' er sonst in dieser Mauern Obhut
Und prüfte liebend ihre Kraft und prüfte[51]
Noch liebevoller meine Morgengrüße?
Doch – immerhin – an Einfalt krank' ich nicht.
Ich zäune mir den Garten, drin mein Schicksal
Zur Blüte kam. Spürfinger streck' ich weit
Hinaus. Glaub nicht, daß mir in Stadt und Hafen
Ein Hauch entwischt, und was zu nächt'ger Stunde
Sich zutrug, was –
An das metallne Becken schlagend, das links an einer Säule hängt.
He, holla, Hüter!
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