Dritte Szene

[13] Die Vorigen. Ein Hauptmann und Mehrere Krieger führen Mago, dem die Arme über der Brust gebunden sind, in das Zelt.


DER HAUPTMANN.

Herr! Vorposten fingen diesen,

Wie er, gemächlich reitend durch die Ebne,

Der Kluft sich näherte.

LYKON.

Braucht' er sein Schwert?

DER HAUPTMANN.

Nein!

LYKON.

So erwürgt ihn!

MAGO bricht in ein schneidendes Gelächter aus.

LYKON.

Warum lachst du, Unhold,

Der du mit giftig starrem Auge mich,

Wie der gefangene Polyp im Korbe

Den Fänger, anbohrst? Du, Karthager, sprich!

MAGO.

Polyp? Mag sein! Gefangen nur, weil dieses

Mir so beliebte. Und gefangen zehnfach[13]

So frei als ihr. Nun würg mich doch, Spaßmacher!

Erwürg mich!

LYKON.

Arratos! Verhandelnd gingst

Du einst bei ihnen aus und ein. Kennst du

Den Mann?

ARRATOS.

Ich kenn' ihn.

LYKON.

Und?

ARRATOS.

Er nennt sich Mago

Und ist des großen Feldherrn rechte Hand.

Mich dünkt, nichts Gutes bringt er uns.

LYKON.

Bevor

Du stirbst –

MAGO höhnend.

Im Schlingnetz?

LYKON.

Sag mir, was du nächtens

Vor jenem Felsentor zu schaffen hattest?

Kundschafterdienste tust du nicht.

MAGO.

Du, Freund,

Du feuerblickender, goldzüngiger

Hellene, Feldherr du von meiner Hand,

Wie –[14]

LYKON erstaunt, bestürzt.

Arratos!

MAGO.

– wie wär's, wenn du das Schwert,

Mit dem du tollkühn spielst, zur Abwechslung

In meine Hände legtest?

LYKON.

Todesmut

Bringt Ehre sonst in jeglicher Gestalt,

Doch du, Karthager, machst zur Narrheit ihn.

MAGO.

Genug der Narrheit also, arme Narren!

Wollt ihr den Ernst von diesem Raubtierspiel,

Das hier mit euch gespielt wird – löst mir dies!


Er reißt an den Stricken, mit denen er gefesselt ist.


Nicht ich – ihr brauchet meiner Hände Freiheit,

Damit sie euch die Schlinge zeigen können,

In der ihr euch verfinget

LYKON leise.

Arratos!

ARRATOS verstört.

Was, Herr?

LYKON.

Wie dünkt dich dies?[15]

ARRATOS.

Ich weiß nicht, Herr!

LYKON laut.

Gefährlich scheint der Mann. Drum zieht die Schwerter –

Will er entrinnen, taucht sie in sein Blut.

ALLE haben die entblößten Schwerter erhoben, Mago im Halbkreis umgebend.

LYKON zieht das seine, tritt vor Mago, ihn mit den Blicken messend, und durchschneidet dann die Stricke.

Jetzt rede, Mann!

MAGO dehnt sich mit wildem Lachen.

Dies Bergtal, holde Griechen,

Das ihr zur Mausefalle für uns machtet,

Ist, wie im Eingang hier, im Ausgang dort

Von jähen Felsen himmelhoch umstanden.

Wer diese Felsen hält – wohl dachtet ihr,

Sie mit dem Frührot zu erklettern – nicht so? –

Vertraust du diese Fackel mir?

LYKON nach kurzem Besinnen.

Es sei!


Er winkt dem Fackelträger, dem Mago den Stiel aus der Hand reißt.


MAGO.

Ich schwinge sie im Kreise! Schaut empor!

Was seht ihr wohl?[16]

ALLE sind seiner weisenden Hand gefolgt. Erstickte Ausrufe des Entsetzens.

LYKON zurücktaumelnd, leise.

Verrat! –

MAGO.

Ich schwinge sie

Zum zweiten Male! Schauet dorthin!


Er weist nach der entgegengesetzten Seite.


Lichtschein,

Aufblitzend und verschwindend, gab mir Antwort

So hier wie dort – beim Ausgang wie beim Eingang.

Ihr klugen Männer, was wohl folgert ihr?


Stille des Betäubtseins.


Man sagt in unserm Volk: Ein Griechenmund

Verlerne selbst im Grabe nicht das Schwatzen.

Ihr Freunde, dünkt mich, seid gar schweigsam jetzt.

LYKON gefaßt.

Karthager, falls nach deines Feldherrn Meinung

Und deiner eignen – denn so scheint es fast –

Kein Rettungsweg für uns noch offen ist,

Weswegen kamst du nachts hierher? Um dich

An unsrer Not zu weiden kamst du nicht.

MAGO.

Daß du nicht jammerst, Freund, gefällt mir wohl.

Stolz magst du sein – doch sei bedachtsam auch

Und horche, was in dieser Schicksalsnacht[17]

Mein Herr dir sagen läßt: Ihr Griechen seid

Verloren. Dieses steht so unabwendbar,

Daß jeder Tropfen Blutes, den der letzte

Vom Söldnertroß an euern Schenkeln abwischt,

Ihn überflüssig dünkt. Drum, wollt ihr Gnade

Für euch und eure Stadt und eure Kinder,

Ergebt euch, ehe noch der erste Streich

Gefallen ist. So sprach der große Feldherr.

Der Antwort steh' ich harrend.

LYKON.

Diese Antwort

Ist kurz. Sie lautet: Antwort gibt es nicht.

MAGO.

So reinlich, mit so kühn verschränkten Armen

Stirbt kein Kothurnenheld auf eurer Bühne.

Doch wenn dein Machtrecht so vollkommen ist,

Daß du mit keines Zweifels Frageblick

Bei deinen Freunden dich um Rat bemühst,

So hör noch eins: Du bist verantwortlich

Für das, was nun geschieht. Und du allein.

Die andern mögen sterben. Du stirbst nicht.

LYKON.

Stahlt ihr mein Leben, ihr gefräß'gen Diebe –

Um meinen Tod könnt ihr mich nicht bestehlen.

MAGO.

Von Balearenhand ein Schleuderwurf

Reißt dich herab und, wandelt dich zum Spielzeug

Karthagischer Vergeltung. Speere werfen[18]

Und Schwerter schlagen lernt ihr wohl so gut

Wie wir, doch Rache nehmen an dem Feinde,

Der unserm Zorn die Stirne bot, verstehn

Wir besser als jedwedes Volk der Erde.

Wer unsre Kerker kennt, mag euch erzählen,

Doch wer sie jemals kannte, der erzählt

Nichts mehr. Es sei denn, daß er, losgelassen,

Noch Schlimmres leidet als von unsern Schlangen.

Und nun entscheide dich.

LYKON.

Führt diesen Mann

Aufs Feld hinaus, wo ihr ihn jüngst gefunden,

Und setzt ihn auf sein Pferd. Doch hütet euch,

Daß ihr die Schläfer stört.

MAGO drohend aufgerichtet.

Wir sehn uns wieder!


Der Hauptmann, Mago und die Krieger hinter dem Zelt links ab.


Quelle:
Hermann Sudermann: Der Bettler von Syrakus. Stuttgart und Berlin 2-51911, S. 13-19.
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