Erste Szene

[35] Herr und Frau Mühlingk. Curt links. Lenore im Schaukelstuhle rechts mit einem Buche. Man trinkt Kaffee, den ein Diener serviert. Ein anderer ist im Speisezimmer mit Aufräumen der Tafel beschäftigt.


CURT. Wie gesagt, der Rappe ist famos!

MÜHLINGK. Aber teuer!

CURT. Teuer – ja lieber Gott!

FRAU MÜHLINGK. Ich werde die fehlende Summe zulegen, damit diese Sache endlich zu Ende kommt.

CURT küßt ihr die Hand. Mein Compliment, Mama! ... Ich werde mich also hoch zu Roß meinen lieben Berlinern zeigen. – Du darfst mich auch bewundern, Lori!

LENORE. Ja, lieber Curt!


Liest weiter.


CURT. Lothar Brandt und Hugo Stengel wollten herauskommen, sich das Vieh anzusehen. Vielleicht interessiert dich das, Lori?

LENORE. Die kommen wohl bald einmal. Zu tun haben sie ja nichts. Mit einem Blick nach der Uhr, für sich. Mein Gott, wie die Zeit schleicht!


Diener ab.


FRAU MÜHLINGK. Du solltest nicht so hart über diese Herren reden, mein Kind, da Lothar sich um deine Hand bewirbt![35]

LENORE. So?

FRAU MÜHLINGK. Hast du nichts davon bemerkt?

LENORE. Ich habe nicht aufgepaßt, Mama.

FRAU MÜHLINGK halblaut. Unerträglich, Theodor!

MÜHLINGK. Wir kennen diesen Ton nun schon zur Genüge, mein Kind. Auch der Stolz auf die väterliche Kasse hat seine Grenzen.

LENORE sich aufrichtend. Der Stolz auf die väterliche Kasse?

MÜHLINGK. Wie soll man die Art sonst nennen, die du seit zehn Jahren an dir hast, reiche und angesehene Bewerber heimzuschicken? ... Ich bin ein schlichter, bürgerlicher Mann ... Ich habe mich durch eigene Kraft aus kleinen Anfängen emporgearbeitet.

CURT beiseite. Das heißt – er hat eine gute Partie gemacht. –

MÜHLINGK. Was sagtest du, Curt?

CURT. Ein Ausruf der Bewunderung – weiter nichts, Papa!

MÜHLINGK. Ja, ich hatte es nicht so leicht wie du, mein Sohn. – Nimm dir ein Beispiel! ... Ich liebe es nicht, den Protzen zu spielen und wünsche dies ebensowenig von meinen Kindern. Nur so lebt man geschmackvoll!

CURT beiseite. Und billig!

LENORE. Dein Vorwurf trifft mich nicht, Papa ...

FRAU MÜHLINGK. So laß dich herab, uns einen Grund zu nennen.

LENORE vorwurfsvoll. Mama!

FRAU MÜHLINGK nervös. O bitte!

LENORE aufstehend. Mein Gott, warum laßt Ihr mich mein Dasein nicht gestalten, wie meine Natur es von mir fordert. Ich bin ja bescheiden. – Ich bitte um nichts weiter, als mir selber leben zu dürfen.

MÜHLINGK. Das nennst du bescheiden? ... Wo bliebe da die Heiligkeit der Familienbande?

FRAU MÜHLINGK zu Mühlingk. Siehst du's nun? Ich schließe seit langem kein Auge mehr.

LENORE. Um meinetwegen, Mama?[36]

FRAU MÜHLINGK. Diese Bizarrerien jeden Tag. – Diese Unschicklichkeiten! Was bedeutet das nun wieder, daß du die Gewächshäuser plündern läßt, um einem heimgekehrten Commis Blumensträuße zu schicken.

LENORE. Du meinst Robert?

FRAU MÜHLINGK. Herrn Heinecke, den Jüngeren, meine ich.

LENORE. Aber der ist doch kein Commis. – Er ist so gut wie ein Sohn unseres Hauses.

CURT. Danke!

FRAU MÜHLINGK milde. Das heißt, wir haben ihn aus dem Kote gezogen.


Quelle:
Hermann Sudermann: Die Ehre, Stuttgart 1974, S. 35-37.
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