[43] Lothar. Lenore.
LENORE sieht nach der Uhr, ungeduldig. Mit welcher Auskunft kann ich dienen, Herr Brandt?
LOTHAR. Mein gnädiges Fräulein, ich sehe mit Bedauern, wie sehr Sie mich verkennen, denn wenn mein Wert auch bescheiden ist ...
LENORE. Und um mir das zu versichern, versäumen Sie ...
LOTHAR. Noch einen Augenblick ... bitte ...
LENORE beiseite. Ein Antrag.
LOTHAR. Meine Fehler mögen unzählige sein, aber, mein gnädiges Fräulein, ich bin ein Mann von Ehre.
LENORE. Das scheint mir für einen Sohn aus guter Familie selbstverständlich, Herr Brandt. – Und so wenig verdienstvoll, wie daß er einen guten Rock auf dem Leibe trägt.
LOTHAR. So gering schätzen Sie – –
LENORE. Verzeihung. – Ich schätze selbst die Schlechtgekleideten nicht gering, nur in den Salon läßt man sie nicht hinein. Doch, Herr Brandt, ich habe Sie unterbrochen. Vielleicht verkenn ich Sie wirklich. Lassen Sie weiter hören.
LOTHAR. Ich muß bekennen, mein gnädiges Fräulein, Sie haben mich eingeschüchtert. Und das will etwas sagen! Denn was wäre man, wenn man nicht den Mut besäße?
LENORE. Ah, das ist schon mehr. – Vor dem Mute hab ich Achtung. Aber worin hat sich Ihr Mut bereits betätigt?
LOTHAR. Fragen Sie meine Freunde. Er steht über jeden Zweifel erhaben.
LENORE. Sie wollen mir sagen: Sie haben sich geschlagen.
LOTHAR. Man spricht vor Damen nicht davon.
LENORE. Und wir erfahren's doch. Wir sind ja dazu da, dem Sieger den Lorbeer zu reichen. Aber, sind Sie vielleicht einmal in der Lage gewesen, für eine übel berüchtigte[43] Ansicht, die Sie aber im Innersten als die Ihrige erkennen mußten, eine Lanze zu brechen?
LOTHAR entrüstet. Wie können Sie glauben? ... Derartige Ansichten habe ich nicht! –
LENORE. Oder haben Sie vielleicht je eine unwürdige Verdächtigung schweigend ertragen?
LOTHAR. Ich? Schweigend? ... Im Gegenteil.
LENORE. Nie?
LOTHAR. Nie, mein Fräulein.
LENORE. Nun, dann weiß man auch über Ihren Mut nichts Gewisses, Herr – darf ich Lieutenant sagen? – Erst erproben Sie ihn, und dann vielleicht mehr davon.
Erhebt sich.
LOTHAR will sie zurückhalten. Mein Fräulein –
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