Erste Scene

[7] Marie. Therese.


THERESE geheimnisvoll zur Thür hereinrufend. Gnädiges Fräuleinchen.[7]

MARIE an der Nähmaschine beschäftigt. Was gibt's?

THERESE. Halten die alten Herrschaften noch Mittagsruh?

MARIE. Ist Besuch da?

THERESE. Nein – es ist wieder – kucken Sie mal da! Trägt ein prächtiges Blumenarrangement herein.

MARIE erschreckend. O Gott! Thun Sie's rasch in mein Zimmer, damit Papa nichts – Aber es ist Ihnen doch gestern, als das erste kam, verboten worden, dergleichen anzunehmen?

THERESE. Ich hab auch den Gärtnerburschen fortschicken wollen, aber ich war grad auf die Leiter geklettert von wegen die Fahne, und da hat er's hingestellt und – weg war er ... Ach, es ist doch eine gottgesegnete Pracht, und wenn ich mir eine Meinung erlauben dürfte, so hat der Herr Lieutenant –

MARIE. Sie dürfen sich aber keine Meinung erlauben.

THERESE. Ach so! ... Ja, was ich fragen wollte: Hängt die Fahne so gut?

MARIE hinausschauend – nickt.[8]

THERESE. Und die ganze Stadt ist voll von so 'ne Fahnen und Tannenjirlanden ... Und die teuersten Teppiche hängen man so aus die Fenster ... Doller wie bei Königs Geburtstag ... Und alles wegen das dumme Musikfest ... Gnädiges Fräuleinchen, was ist das eigentlich: ein Musikfest? Ist das was anders wie ein Sängerfest?

MARIE. Jawohl.

THERESE. Ist es feiner?

MARIE. Ja, es ist feiner.

THERESE respektvoll. So – ah! – wenn es feiner ist!


Es klopft.


MARIE. Herein!


Max tritt ein.


THERESE. Nu darf ich die Blumen wohl drinne lassen.


In sich hineinlachend ab.


Quelle:
Hermann Sudermann: Heimat. Stuttgart 61893, S. 7-9.
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Heimat; Schauspiel in vier Akten