578. Ein Rätsel

[172] Ich sah verschiedne Kinder saugen;

Eins brauchte Mund und Ohr'n und Augen,

Es fragt' und wußte wunderklug

Von Mutter, Brust und Milch zu schwätzen,

Und bei dem kindlichen Ergötzen

Sog's dann und wann, doch nur nicht g'nug.

Ein andres braucht' den Mund zum Saugen,

Die Ohren, wenn es saugend hört',

Was ihm die Mutter Schönes lehrt';[172]

Zu beidem braucht' es nicht die Augen,

Nicht sah's nach Brust noch Mutter um,

Ward lächelnd satt, gelehrt und fromm.

Das dritte, ein gar kleines Kindchen,

Zum Saugen brauchte nur sein Mündchen,

Sonst sah's und hört' nicht, wenn man's rief,

Es mußt', ich weiß nicht wie, doch kennen

Die Mutter, die's doch nicht konnt' nennen;

Sie sprach, es lacht'; sie sang, es schlief.

Nun rat, wer raten kann, zum Zank nicht, zum Erfreuen,

Nenn mir und wähle dir das klügste dieser dreien!


Quelle:
Gerhard Tersteegen: Geistliches Blumengärtlein. Stuttgart 1956, S. 172-173.
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