12.

[281] Ist denn mein Leben nicht kurz? Hiob 10, 20.


Du hast ein Ziel gesetzt, das wird er nicht überschreiten. Hiob 14, 5


Mein Gott, mein Liebster, denk, daß mir

Die kurzen Tag' dem Schatten gleich vergehen;

In diesem dunkeln Hause hier

Kann mir, wenn dir's beliebt, ein schöner Tag aufgehen!


Dein Nahsein ist des Lichtes Bronn,

Dein Fernsein macht, daß ich die Nacht nur finde;

Gib vollen Glanz, du Gnadensonn,

Erleuchte mein Gemüt, mein mattes Herz entzünde!


Bricht nur die Liebe meine Band',

Dann sorg' ich nicht, noch vor dem Tod erblasse;

Ist mir die Stunde unbekannt,

Dem höchsten Gut ich dann nur mehr mich überlasse.


Mein Bräutigam, vergib, vergib,

Es sind wie nichts, du weißt es, meine Tage;

Dir überlass' ich mich, mein' Lieb',

Als meine Stütze mich in meiner Schwachheit trage!
[281]

Zwar wenig Jahr' ich übrig hab',

Doch kannst du sie wohl brauchen dir zu Ehren;

Fällt einst mein Leichnam ein ins Grab,

Dann preiset dich mein Herz ohn' End' mit jenen Chören.

Quelle:
Gerhard Tersteegen: Geistliches Blumengärtlein. Stuttgart 1956, S. 281-282.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliches Blumengärtlein
Geistliches Blumen-Gärtlein Inniger Seelen; Oder kurtze Schluß-Reimen, Betrachtungen und Lieder uber allerhand Warheiten des Inwendigen Christenthums ...: [Reprint of the Original from 1735]