23.

[290] Du hast mir das Herz verwundet, meine Schwester, liebe Braut. Hoheslied 4, 9


Du, wenn du uns verwundst, sprichst, daß man dich verwunde,

Die Rede ist mir gar verdeckt;

Laß deine Weisheit mich mit göttlich wahrem Munde

Einst lehren, was im Sinne steckt!


Ja, ja, ich fasse schon dies hoh' Geheimnis: eben

Derselbe Pfeil auch dich verwund't,

Womit du deiner Braut die Wunde hast gegeben;

Dies ist der tiefe Sinn und Grund.


Tauscht lieber Herz um Herz, gib du der Braut das deine!

Nichts kann Liebreizenders geschehn –

Sie hat ihr Herz nicht mehr, sie will hinfort alleine

Des Bräut'gams Herz nur in sich sehn.


Sie hat auch übrig's Recht, die Braut in ihrem Triebe,

In ihrem Herzenstausch mit dir,

Denn dadurch stiftet sie auf ewig fest die Liebe,

Und alle Furcht verschwindet ihr.[290]

Quelle:
Gerhard Tersteegen: Geistliches Blumengärtlein. Stuttgart 1956, S. 290-291.
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