[340] Ströbel setzt sich an seinen Schreibtisch, blickt nachdenklich zur Decke hinauf, wippt mit dem Stuhle und pfeift. Reisacher kommt durch die Mitteltür und setzt sich an seinen Tisch. Er räuspert sich.
STRÖBEL sich halb umwendend. Reisacher!
REISACHER ebenso. Jawoll, Herr Assessor?
STRÖBEL. Wie lang sind Sie schon hier in der Polizei?
REISACHER. Im Herbst werden's achtzehn Jahr.
STRÖBEL. Da haben Sie auch schon verschiedenes mitgemacht, wie?
REISACHER. J – jo!
STRÖBEL. Sagen Sie mal, unser Präsident, wie lang ist der hier?
REISACHER. Der Herr Präsident? Ja, dös sind sieben ... warten S' ... dös sind acht Jahr.
STRÖBEL. Hm ... Wissen Sie eigentlich, ob der Herr Präsident wünscht, daß man stramm ins Zeug geht?
REISACHER eifrig. Jo – jo! Dös hat er gern.
STRÖBEL. So? – – Kleine Pause. Ich glaubte fast, er will nicht, daß man durch Strenge Aufsehen erregt.
REISACHER eifrig. Na – na! Dös mag er gar net!
STRÖBEL wendet sich ganz um. Ja, hören Sie mal, Reisacher! Sie widersprechen sich ja fortwährend!
REISACHER ebenso. Entschuldigen S', Herr Assessor, wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf ...
STRÖBEL. Sie widersprechen sich ja fortwährend! Einmal ja – einmal nein!
REISACHER. Entschuldigen S', Herr Assessor! Nämlich ich glaub', bei der Polizei is alles recht, was gut naus geht.
STRÖBEL dreht sich um. Sie werden nie lernen, einen Gedanken präzis zu fassen.[340]
REISACHER ebenso. Jawoll, Herr Assessor!
Kleine Pause. Ströbel liest. Reisacher schreibt. Vor der Mitteltüre erhebt sich Lärm. Die Türe wird aufgerissen. Ninon de Hauteville tritt ein, hinter ihr ein Schutzmann, der sie am Arme gefaßt hält. Ninon versucht, sich frei zu machen.
Ausgewählte Ausgaben von
Moral
|