Elfte Szene

[382] SCHMETTAU. Guten Abend!

STRÖBEL der sich, ebenso wie Beermann, erhoben hat. Darf ich die Herren miteinander bekannt machen? Herr Rentier Beermann – Herr Baron Schmettau.

SCHMETTAU. Wir haben uns heute schon flüchtig gesehen.

BEERMANN. Ich erinnere mich.

SCHMETTAU. Sie sind der Vorstand des hiesigen Moralklubs? Ich muß allerdings gestehen, daß ich nicht einverstanden bin mit diesen Ansichten ...

STRÖBEL ängstlich einfallend. Herr Baron, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Herr Beermann persönlich sehr hoch über diesen Theorien steht?

SCHMETTAU. Das freut mich. Übrigens, als Theorie ist das alles nicht so übel. Nur sehe ich es nicht gerne, wenn man keine Unterschiede macht.

BEERMANN. Es ist genau das, was ich sage.

SCHMETTAU. Na, sehen Sie!

STRÖBEL. Herr Beermann ist auch Kandidat des hiesigen konservativ-liberalen Bundes.

SCHMETTAU. Also gewiß kein Prinzipienreiter. Es soll mir lieb sein, wenn wir uns verstehen. Wie weit sind die Herren?

STRÖBEL. Im Prinzip sind wir einig.

BEERMANN. Absolut.

SCHMETTAU. Dann werden wir auch die richtige Anwendung finden.

STRÖBEL. Ich habe Herrn Beermann ins Vertrauen gezogen.

SCHMETTAU. Das war eine böse Sache. Bös! Wer einigermaßen loyal fühlt, kann sich das vorstellen.

BEERMANN. Herr Baron waren ...?

SCHMETTAU. Im Schrank.

STRÖBEL. Darf ich auf die Sache zurückkommen? Ich erzählte gerade, daß sich die Hauteville geweigert hat. Sie sagt, sie hat die Kaution nicht, und wenn sie's hätte, würde sie nichts hergeben.

SCHMETTAU. Gott! Sie beherrscht eben die Situation!

STRÖBEL. Nun kommt aber das Schwierigste. Sie sagt, wenn sie die Stadt verlassen müsse, und ihre ganze Existenz verliere,[382] dann wolle sie eine angemessene Entschädigung. Ich habe ihr natürlich vorgestellt, daß das, gelinde gesagt, ein unerhörtes Verlangen sei. Dann nicht, sagt sie. Dann wird verhandelt.

BEERMANN. Sie weiß, daß das unmöglich ist.

SCHMETTAU. Ich bin Ihnen dankbar für dieses Wort.

STRÖBEL. Ich fragte sie, was sie unter angemessen verstehe. Sie antwortet mir: Zehntausend Mark. Ich fiel auf den Rücken. Das macht mit der Kaution fünfzehntausend Mark!

SCHMETTAU. Am Ende ist das nicht so furchtbar.

STRÖBEL. Aber wer soll sie geben?

SCHMETTAU. Ja, wir nicht. Mit der Zivilliste! – Und außerdem soll ja von jetzt ab der Geist der Sparsamkeit bei uns einziehen.

STRÖBEL. Ich bin in einem Dilemma, das ich nicht lösen kann. Ich nicht. Ich weiß nur eines, Herr Beermann: Sie selbst haben gesagt, daß der Sittlichkeitsverein das größte Interesse daran hat, daß der Glaube an die Moral erhalten bleibt. Ihren Mitgliedern wäre es doch ein leichtes, durch eine Kollekte diese Summe aufzubringen! Ein zweites weiß ich nicht.

BEERMANN steht sinnend mit untergeschlagenen Armen für sich. Der Ausschuß harrt seines Präsidenten. Und ich kenne einen Professor, der seinen Brief mit tausend Mark bezahlen soll. Zu den anderen. Ohne viele Worte, meine Herren, ich tu's. Ich übernehme die Summe für den Verein.

SCHMETTAU. Herr von Beermann, ich kann nur sagen: Sie haben honett gehandelt. Es gibt einen Hausorden Emils des Gütigen! Reicht ihm die Hand.

BEERMANN. Herr Baron, glauben Sie mir, ich habe es nicht deswegen getan.


Vorhang.


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 382-383.
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