Dritte Szene


[291] Wald. Gewitter.

Skaramuz auf seinem Esel.


SKARAMUZ. Wo, Henker, kommt denn das Gewitter her? davon steht ja kein einziges Wort in meiner Rolle. Was sind das für Dummheiten! Und ich und mein Esel werden darüber pudelnaß. Ei das steht mir gar nicht an. – Maschinist! Maschinist! so halt Er doch ins Teufels Namen inne! – Es donnert und blitzt. Höre mich Schlingel von einem Maschinisten! Wie kannst du dich unterstehen, Donner und Blitz so zu verschwenden? Das sollst du mir gewiß teuer bezahlen. – Ich sage, halt mit dem Donnern inne.


Maschinist tritt auf.


MASCHINIST. Herr Skaramuz, ich kann nicht dafür, denn es muß sein.

SKARAMUZ. Muß sein? Ich sage aber, es muß durchaus nicht sein! Wer hat hier zu befehlen?

MASCHINIST. Das Publikum hat es so gewollt.

SKARAMUZ. Ist das wahr, meine Herren?

ZUSCHAUER. Ja, wir haben es ihm so befohlen.[291]

SKARAMUZ. Aber, meine Herren, ich werde naß.

SCÄVOLA. Wir wollen uns eben an dergleichen Leiden ergötzen, denn Lukrez sagt, wie bekannt: suave mari magno etc.

SKARAMUZ. Lukrez sagt mir das zum Possen. – – Meine Herren, lassen Sie das Gewitter aufhören.

ZUSCHAUER. Nein, es soll bleiben.

SKARAMUZ. In einem stillen, sanften, historischen Schauspiel –

ZUSCHAUER. Es soll eben etwas fürchterlich werden.

SKARAMUZ. Müssen denn auch die Götter von der Wut der Elemente leiden? Ja, ja, jetzt erfahr ich es in der Tat, daß auch über uns ein dunkles, unausweichbares Fatum waltet. – O ihr undankbaren Zuschauer! Habe ich euch darum den Apollo vertrieben, habe ich euch darum von der Poesie erlöst, daß ihr es mir nun so schnöde vergelten müßt?

MASCHINIST fährt mit dem Gewitter fort.

SKARAMUZ. Ich leide von eurer Wut, aber ich will es euch gewiß gedenken. Wenn mir vom Regen der Esel da verdorben wird, so könnt ihr euch nur nach einem neuen für mich umsehn. Daß ihr's nur wißt, meine Herren, es ist der Pegasus; er ist mehrmals in Kupfer gestochen, und nun muß er so im Regenwetter dastehn, und hat nicht einmal einen Mantel umzuhängen. – O mein Kopf fängt an zu schwärmen.

MASCHINIST. Herr Skaramuz, ich glaube es wird bald vorbei sein.

SKARAMUZ. Im Grunde ist er doch meinesgleichen, und die Menschenliebe gebietet mir, ihn zu bemitleiden. – Da, hier will ich dich mit meinem Mantel bekleiden, ich will mich in meine Vernunft und Philosophie einhüllen, die dir gänzlich mangeln. – Wenn ich's recht bedenke, so kann es gar nicht anders sein, als daß einen der Regen naß macht.

SCÄVOLA. Gehn Sie bald ab, Herr Skaramuz?

SKARAMUZ. Warum, mein Geehrtester?

SCÄVOLA. Die Szene greift mich zu sehr an, das alles ist für mich ein bißchen zu erhaben.

SKARAMUZ. Ha ha, wie tut's? Im Regen stehn, ist noch schlimmer. Ja, mein Bester, bei uns geht es manchmal verteufelt hoch her.

SCÄVOLA. Gehn Sie doch lieber ab, bester Mann; denn wenn ich zu sehr angegriffen werde, so haben Sie nachher für den Schaden zu stehn.[292]

SKARAMUZ. Laßt mich noch erst mit diesem gelehrten Thebaner sprechen. – Worauf legst du dich?

MASCHINIST. Donner und Blitz zu machen, auch zieh ich die Löwen und Wölfe an, der Esel da ist auch von meiner Erfindung; wer sollte wohl in ihm einen von unsern Schauspielern wiedererkennen?

SKARAMUZ. So bist du also imstande, aus einem schlechten Schauspieler einen guten Esel zu machen? Und das nennt ihr Maschinerie, was sich von selber macht? – Wie entsteht der Donner?

MASCHINIST. Ich habe hier gestoßenen Kolophonium, den blase ich durch ein Licht, so wird daraus der Blitz; in demselben Augenblick wird oben eine eiserne Kugel gerollt, und das bedeutet dann den Donner.

SKARAMUZ. Gut, folge mir. – Meine Herren da unten! ich hoffe Sie alle gesund wieder nach Hause zu liefern, aber weiter hab ich Sie dann nicht zu verantworten. Er steigt wieder auf den Esel und reitet fort.

MASCHINIST. Ist's erlaubt, das Donnerwetter zu beendigen?

PIERROT. O ja; nun muß wieder was Häusliches kommen.

MASCHINIST. Rekommandiere mich; ich wohne hier gegenüber in dem großen Eckhause, wenn etwa Nachfrage nach mir sein sollte. Ich verstehe es auch vortrefflich, Feuerwerke zu arrangieren, und mit Geschmack eine Illumination einzurichten. Geht ab.

SCÄVOLA. Das war eine sogenannte große Szene.

DER ANDRE. Ja, Gevatter, da herrscht schon mehr der englische Schwung drin. Ihr werdet die englische Literatur gelesen haben.

SCÄVOLA. Ja freilich! Hab ich doch in meiner Jugend sogar die englische Krankheit gehabt.


Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden. Band 2, München 1963, S. 291-293.
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