Prolog

[177] Der Zauberstab des Dichters schließt uns oft

Die fernsten, wundervollsten Welten auf,

Und trunken kehrt der Blick aus Sonnenschein

Aus fremden Blumen, schöngeformten Bäumen

Und Kriegen, Schlachten zu uns selbst zurück.

Doch fernab, heimlich im Gebüsch versteckt,

Liegt eine alte Grotte, lange nicht

Geöffnet, kaum ist noch die Tür zu kennen.

So dick von Efeu alles überwachsen,

Und wilde Nelken hängen rot herüber,

Und drinnen hört man seltsam leise Töne,

Die manchmal toben und dann musikalisch

Verhallen, wie gefangne Tiere winseln. –

Es ist der Kindheit zauberreiche Grotte,

In der der Schreck und liebe Albernheit

Verschlungen sitzen, dem, der nähertritt,

Ein altes Lied im leisen Tone summen.

Vergönnt dem Dichter, diese Tür zu öffnen,

Hört gerne zu dem lispelnden Gesang,

Der sich in wilden dunkeln Blumen wiegt.

Seht, wie mit Steinen und mit Muschelwerk

Die Wand ein eigensinn'ger Fleiß geputzt,

Wie Schatten auf- und abwärts schweben, laßt

Durch Traumgestalten euch ergötzen, stört

Mit hartem Ernste nicht die Gaukelnden.


Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in einem Band. Hamburg 1967, S. 177.
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