Zehnter Auftritt.

[43] Wohnung des Herzogs Octavio.

Herzog Octavio. Ripio.


RIPIO.

So früh erhebst du dich vom Lager, Herr?

OCTAVIO.

Ach! keine Ruhe kann das Feuer dämpfen,

Das Lieb' in meinem Herzen hat entflammt!

Denn Liebe ist ein Kind: sie sehnt sich nicht

Nach weichem Bett, zu ruhn in weichem Linnen,[43]

Bedeckt von weißem Hermelin; sie legt

Sich nieder, doch sie ruhet nicht; sie will

Früh wachen stets, und aufstehn nur zum Spielen.

Denn spielen will sie, als ein Kind. Gedanken

An Isabella scheuchen meine Ruh;

Denn da sie stets in meiner Seele lebt,

So geht mein Körper stets umher als Wache,

Anwesend oder gegenwärtig hütend

Die Burg der Ehre.

RIPIO.

Deine Liebe, Herr, –

Verzeih mir, – ist ein unvernünftig Ding.

OCTAVIO.

Was sagst du, Thor?

RIPIO.

Ich sag': 's ist unvernünftig,

Zu lieben, wie – – du liebst. Willst du mich hören?

OCTAVIO.

Nun denn?

RIPIO.

Nun denn: liebt Isabella dich?

OCTAVIO.

Ha, Dummkopf, darfst du das bezweifeln?

RIPIO.

Nein;

Doch wollt' ich fragen. Und du liebst sie auch?

OCTAVIO.

Ja.

RIPIO.

Nun, bin ich ein Pinsel nicht (wenn auch

Von hohem Adel), wenn ich den Verstand

Für die verliere, die ich lieb', und die

Mich liebt? Wenn ihr so völlig gleich euch liebt,

Wer hindert, daß ihr gleich zur Trauung geht?[44]


Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 43-45.
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