Sechster Auftritt.

[40] Don Pedro. Der König.


DON PEDRO.

Schon hab' ich dein gerechtes Machtgebot

Vollführt, mein hoher Herr; der Jüngling – –

KÖNIG.

Starb?

DON PEDRO.

Er ist dem Racheschwert entflohn.[40]

KÖNIG.

Wie das?

DON PEDRO.

So kam es: kaum war dein Befehl gesprochen,

Als, ohn' Entschuldigung zu suchen, rasch

Er nach dem Schwerte griff. Er wirft den Mantel

Um seinen Arm; mit kühner Schnelle dringt

Er auf die Wachen ein; den Tod schon nah

Erblickend, kämpft er sich hindurch und schwingt

Sich vom Balkon hinunter in den Garten.

Ihm folgen deine Leute rasch; und wie

Sie durch die Thüre dringen, finden sie

Ihn mit dem Tode kämpfend. Aber wie

Sich eine Schlang' entringelt, springt er auf;

Und unter ihrem Ruf: Er sterb', er sterbe!

Enteilt er, blutgebadet sein Gesicht,

Mit jähem Heldenmuth, daß mich Bestürzung

Ergriff. – Das Weib, – 's ist Isabella, Herr;

Ich seh' dich staunen bei dem edlen Namen! –

Dort ins Gemach sich bergend, sagt, es sei

Herzog Octavio, der durch Trug und List

Sie überwand.

KÖNIG.

Was sagst du?

DON PEDRO.

Herr, ich sage,

Was sie mir selbst bekannt.

KÖNIG.

Ach arme Ehre!

Wenn du des Mannes Seele bist, warum

Vertraut man dich dem unbeständ'gen Weib,

Das doch der Leichtsinn selber ist? – He da![41]


Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 40-42.
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