Zwölfter Auftritt.

[86] Catalinon. Don Juan. Don Diego Tenorio.


DON DIEGO.

Don Juan!

CATALINON.

Dein Vater ruft dich.

DON JUAN.

Gnäd'ger Herr,

Was steht zu Diensten?

DON DIEGO.

Weiser möcht' ich dich

Und tugendhafter sehn, und bessern Rufes.

Ist's möglich, daß du auf nichts weiter sinnst

Als meinen Tod?

DON JUAN.

Warum nahst du mir so?[86]

DON DIEGO.

Um deiner Frechheit, deiner Thorheit willen!

Vernimm: der König gab mir den Befehl,

Dich aus der Stadt zu weisen; denn er ist

Mit Recht ob einer Frevelthat entrüstet.

Obwohl du mir's verborgen, weiß doch schon

Der König in Sevilla das Vergehn,

Das gräßliche, das ich kaum nennen kann.

Verrath im königlichen Schloß! Verrath

An einem Freund! Verräther, gebe Gott

Die Strafe dir, die solch ein Frevel heischt.

Bedenk, wenn Gott auch scheinbar dir's vergönnt

Und zuläßt, seine Strafe säumet nicht;

Und welche Strafen sind für die bereit,

So seinen Namen frech entweihn! Denn wisse,

Gott ist ein strenger Richter dir im Sterben!

DON JUAN.

Im Sterben? giebst du mir so lange Frist?

Von hier bis dorthin ist ein langer Weg.

DON DIEGO.

Einst wird er kurz dir scheinen.

DON JUAN.

Und der Weg,

Den ich soll reisen auf Befehl des Königs,

Ist er vielleicht auch lang?

DON DIEGO.

Bis daß die Schmach

Herzog Octavio's völlig ist getilgt,

Und bis der Frevel, den du in Neapel

An Isabella thatest, ward gesühnt,

Sollst du, ob deines tückischen Verraths,

So will's der König, in Lebrija weilen;

Geringe Strafe deiner Missethat!

CATALINON für sich.

Wüßt' er den Fall der armen Fischerin,

Der gute Alte grämte sich noch mehr.[87]

DON DIEGO.

Da keine Züchtigung von meiner Hand,

Aus meinem Mund dein roh Gemüth besiegt,

So stell' ich deine Strafe Gott anheim.


Ab.


Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 86-88.
Lizenz:

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