Neunter Auftritt.

[83] Don Juan.


DON JUAN.

»Und die Stimm' – entschwand.«

Scheint es nicht Zauberei, was hier geschehn?

Mir kommt dieß Briefchen mit der Post der Lüfte!

Gewiß, das Fräulein ist's, das der Marques

Mir so gepriesen hat; sieh nur mein Glück!

Laut nennt Sevilla den Verführer mich;

Und meine höchste Lust von jeher war's,

Ein Weib verführen und entehrt verlassen.

Bei Gott, ich will es öffnen. Erst geh' ich

Ein wenig seitwärts von dem Haus; bedarf's

Hier eine andre Kriegslist noch? Fürwahr,

Da muß ich lachen! – – Auf mit diesem Brief!

Er ist an den Marques; das ist ganz klar;

Denn Doña Anna heißt die Unterschrift.

Was schreibt sie?


Liest.


»Seines Worts vergessend, hat

Mein Vater im Geheimen mich verlobt;

Mir half kein Widerstand. Kann ich noch leben,

Da er den Tod mir gab? Wenn nach Gebühr

Du meine Lieb' und meinen Willen achtest,

Und deine Liebe wahr ist, zeig' es nun!

Auf daß du siehst, wie ich dich schätze, komm[83]

In dieser Nacht ans Thor; es soll dir, Vetter,

Um elf geöffnet sein: so wirst du dann

Das Ziel erlangen deiner Lieb' und Hoffnung.

Zum Zeichen für Leonorilla und

Die Dienerinnen, Theurer, hülle dich

In einen rothen Mantel. – Meine Liebe

Baut nur auf dich, mein unglücksel'ger Freund!« –

Wie sich das fügt! Der Spaß giebt mir zu lachen.

Bei Gott, mit gleicher List und Täuschung will

Ich sie erobern, so wie Isabella

Einst in Neapel.


Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 83-84.
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