Zehnter Auftritt.

[118] Isabella. Tisbea.


TISBEA.

Du Meer Hispaniens, glühend

In Wuth! ihr Feuerwellen, flücht'ge Wellen,

Die meine Hütte sprühend

Verzehrt! – denn aus des Abgrunds Quellen

Erstehen Wogengluten!

Und aus den Flammen speit das Weltmeer Fluten: –

– O Fluch dem Kiel, der in der Winde Wehen

Durch bittre Flut zuerst den Weg gefunden,

Ersehnet von Medeen!

Fluch jenem ersten Tau, das aufgewunden

Der Sturm! mein Fluch zerstücke

Das Segel, das ein Werkzeug ward der Tücke!

ISABELLA.

Was rufst du in die Wogen,

O holde Fischerin, so bittre Klagen?

TISBEA.

Das Meer hat mich betrogen.

O glücklich ihr, die kaum vom Sturm verschlagen,

Nun lacht, wenn Wogen rollen!

ISABELLA.

Auch ich muß bitterlich dem Meere grollen. –

Wo kommst du her?

TISBEA.

Ich wohnte

In jenen Hütten, die der Sturm gefällt hat,

Der lange sie verschonte.

Wie er die armen Mauern nun zerschellt hat,

Daß einsam die Ruinen

Nur noch den Vögelein zu Nestern dienen! – –

– Seid ihr vielleicht die hehre

Europa daß euch diese Stiere1 tragen?[118]

ISABELLA.

Ach! hier soll meine Ehre

In unerwünschtes Eheband mich schlagen!

TISBEA.

Hört ihr des Mitleids Stimme,

Und klagt ihr selber ob des Meeres Grimme: –

– So laßt mich mit euch gehen,

Um als demüth'ge Sclavin euch zu pflegen.

Zum König muß ich flehen,

Wenn Schmach und Kummer nicht ins Grab mich legen,

Und strenges Recht verlangen

Für bösen Trug und frevles Unterfangen.

– Jüngst warf an diese Auen

Ein Sturm Don Juan Tenorio, Herz und Glieder

Erstarrt in Todesgrauen:

Ich nahm ihn auf, gab ihm das Leben wieder;

Und meinen Frieden brechend,

Ward er zur Viper, mir das Herz durchstechend.

– Mich zum Altar zu führen,

Er schwur's; ich, der vor Liebe sonst gegrauet,

Ergab mich seinen Schwüren:

O weh dem Weibe, das dem Manne trauet!

Er floh; ich blieb verlassen:

Nun kannst du meiner Rache Drang erfassen.

ISABELLA.

– Verfluchtes Weib! Geh, meide

Mein Antlitz; du vergiftest meine Seele! – –

Doch nein; an deinem Leide

Bist du ja schuldlos. Fahre fort, erzähle.

TISBEA.

Mein Glück schien festgebauet ...

ISABELLA.

O weh dem Weibe, das dem Manne trauet!

– Und wer wird mit dir gehen?[119]

TISBEA.

Ein schwacher Greis, mein Vater, der mein Leiden

Und meine Schmach gesehen.

ISABELLA.

So ist's mir recht! Komm mit; bald soll uns Beiden

Der Tag der Rache grauen.

TISBEA.

O weh den Weibern, die auf Männer bauen!


Beide ab.

1

Nämlich die Schiffe.

Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 118-120.
Lizenz:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Die Sängerin Marie Ladenbauer erblindet nach einer Krankheit. Ihr Freund Karl Breiteneder scheitert mit dem Versuch einer Wiederannäherung nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Erblindung. »Das neue Lied« und vier weitere Erzählungen aus den Jahren 1905 bis 1911. »Geschichte eines Genies«, »Der Tod des Junggesellen«, »Der tote Gabriel«, und »Das Tagebuch der Redegonda«.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon