Zwanzigster Auftritt.

[135] Die Vorigen. Octavio.


OCTAVIO.

Siegreicher König, deine Hoheit reiche

Den Fuß zum Kusse mir.

KÖNIG.

Steht auf; bedeckt

Das Haupt euch, Herzog. Sagt, was ihr begehrt.

OCTAVIO.

Zu euren Füßen hingestreckt, fleh' ich

Um eine Gnade; meine Bitte ist

Gerecht, und würdig der Gewährung.

KÖNIG.

Herzog,

Wenn sie gerecht ist, geb' ich euch mein Wort,

Sie zu gewähren. Nennt die Bitte.

OCTAVIO.

Herr,

Du weißt durch Briefe deines Abgesandten,

Und durch des Rufes Zunge weiß die Welt:

Don Juan Tenorio hat mit spanischer

Anmaßung in Neapel eines Nachts

(O Schreckensnacht für mich!) das heilige

Asyl entweihet einer hohen Frau,

Und meinen Namen zu der That mißbraucht.

KÖNIG.

Genug; dein Unglück kenn' ich. Was begehrst du?

OCTAVIO.

Mir zu gestatten, daß im offnen Feld

Ich ihm beweise, daß er ein Verräther.[135]

DON DIEGO.

Das nicht! In seinem Blut fließt solche Ehre – – –

KÖNIG.

Don Diego!

OCTAVIO.

Und wer bist du, daß du so

In Gegenwart des Königs sprechen darfst?

DON DIEGO.

Ich bin der Mann, der schweigt, weil es der König

Gebeut; sonst gäb' dir Antwort dieses Schwert.

OCTAVIO.

Du bist ein Greis.

DON DIEGO.

Doch in Italien

War ich ein Jüngling einst, zu eurem Schmerz;

Mailand und Neapel kannten wohl mein Schwert.

OCTAVIO.

Dein Blut ist eingefroren längst. Ich war,

Gilt wenig; nur: ich bin.

DON DIEGO.

Ich war und bin!


Greift zum Schwert.


KÖNIG.

Nicht weiter! haltet ein! Laßt gut sein, schweigt,

Don Diego; ehrt des Königs Angesicht!

Ihr, Herzog, wenn vorüber die Vermählung,

Mögt ihr mit beßrer Muße mit mir sprechen.

Don Juan ist Kammerherr, ist mein Geschöpf,

Und dieses Stammes Zweig; so zollt ihm Achtung.

OCTAVIO.

Ich werde thun, o Herr, wie du befiehlst.

KÖNIG.

Folgt mir, Don Diego.

DON DIEGO für sich.

O mein Sohn, wie schlecht

Zahlst du die Liebe, die ich dir geweiht![136]

KÖNIG.

Herzog!

OCTAVIO.

Mein König?

KÖNIG.

Morgen sei auch eure

Vermählung.

OCTAVIO.

Wohl, sie sei, da du's befiehlst.


Der König und Don Diego ab.


Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 135-137.
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