Vierundzwanzigster Auftritt.

[142] Die Vorigen. Don Gonzalo's Standbild tritt ihnen entgegen.


DON JUAN.

Wer da?

DON GONZALO.

Ich bin's.

CATALINON.

Ich bin des Tods![142]

DON GONZALO.

Ich bin

Der Todte; zittre nicht! – Ich dachte nicht,

Daß du dein Wort mir hieltest; denn dir ist

Doch Alles Spott.

DON JUAN.

Glaubst du mich feige?

DON GONZALO.

Ja;

Denn als du mich getödtet, jene Nacht,

Flohst du hinweg von mir.

DON JUAN.

Vor dem Erkennen

Entfloh ich. Doch nun hast du mich vor Augen;

Sag' eilig, was du willst.

DON GONZALO.

Ich will zum Mahl

Dich laden.

CATALINON zitternd, steht seitwärts.

Wir erlassen dir das Mahl;

Es kann ja doch nur kalten Braten geben,

Da eine Küche nicht zu sehen ist.

DON JUAN.

So laß uns speisen.

DON GONZALO.

Um zu speisen, mußt

Du diesen Grabstein aus dem Boden heben.

DON JUAN.

Liegt dir daran, heb' ich die Pfeiler auch

Aus ihrem Grund.


Er stemmt sich gegen den Grabstein; dieser schiebt sich seitwärts; es erscheint ein schwarzgedeckter Tisch.


DON GONZALO.

Du bist ein starker Held.

DON JUAN.

Ich hab' in meinen Adern Muth und Kraft.[143]

CATALINON.

Das ist ein Tisch aus Mohrenland, so schwarz!

Dort giebt es also keine Wäscherin?

DON GONZALO.

Nimm Platz!

DON JUAN.

Wo?

CATALINON.

Schau, mit Stühlen kommen schon

Zwei schwarze Edelknaben.


Zwei Vermummte bringen Stühle.


CATALINON.

Trägt man dort

Auch Trauerkleider und Flanell aus Flandern?

DON JUAN.

Nimm Platz!

CATALINON.

Ich, Herr? Ich nahm heut Nachmittag

Ein Vesperbrod.

DON GONZALO.

Sprich nicht!

CATALINON.

Ich spreche nicht.

Gott helfe mir mit heiler Haut von hinnen! –

Herr, was für eine Schüssel ist dieß wohl?

DON GONZALO.

Dieß hier ist eine Schüssel Scorpionen

Und Vipern.

CATALINON.

Eine schöne Schüssel!

DON GONZALO.

Das

Sind unsre Speisen. Ißt du nichts?

DON JUAN.

Ich esse,

Und gäbst du mir auch Basilisken, und

So viele Basilisken trägt die Hölle![144]

DON GONZALO.

Du sollst Gesang auch bei der Tafel haben.

CATALINON.

Was trinkt man dort für einen Wein?

DON GONZALO.

Versuch' ihn!

CATALINON versucht.

Puh! Essig ist und Galle dieser Wein.

DON GONZALO.

Das ist der Wein, den unsre Keltern pressen.

GESANG hinter der Bühne.

Merk' es, wer da gegen Gottes

Strafgerichte stolz geprahlt:

Jede Frist kommt an ihr Ende;

Keine Schuld bleibt unbezahlt.

CATALINON.

O Jesus! das ist schlimm, daß ich dieß Lied

Muß hören, und daß es uns Beide meint!

DON JUAN.

O! Eisesfrost verbrennt den Busen mir.

GESANG hinter der Bühne.

Solche frechen Worte scheue:

»O noch hab' ich lange Zeit!«

Der du trägst des Staubes Kleid,

Kurz nur ist die Frist der Reue.

CATALINON.

Wovon ist dieß Ragout?

DON GONZALO.

Von Krallen.

CATALINON.

So?

Wohl von den langen Fingern eines Schneiders?

DON JUAN.

Ich bin gesättigt; heb' die Tafel auf.


Der Tisch wird entfernt.[145]


DON GONZALO.

Gieb deine Hand mir; zittre nicht. Die Hand!

DON JUAN.

Was sagst du mir? Ich zittern? –


Reicht ihm die Hand.


Ich verbrenne;

Verbrenne du mich nicht mit deiner Glut!

DON GONZALO.

Das ist noch wenig gegen jene Glut,

Die du erstrebet hast. Die Wunder Gottes,

Don Juan, sind unerforschlich; er gebeut,

Daß eines Todten Hand den Lohn dir zahle.

Das sind des Herrn Gerichte; wie die Thaten,

So auch der Lohn.

DON JUAN.

Ich brenne! Laß die Hand

Mir frei; ich tödte dich mit diesem Schwert.

Weh! weh! umsonst! Ich treffe nur die Lüfte.

– Ich habe deine Tochter nicht beleidigt;

Denn sie entdeckte den Betrug zuvor.

DON GONZALO.

Die böse Absicht zählet gleich der That.

DON JUAN.

Gestatte einen Priester mir, daß er

Mich beichten hör', und mir die Sünd' erlasse.

DON GONZALO.

Es kann nicht sein; du denkst zu spät daran.

DON JUAN.

Ich glüh', ich brenne! Weh! ich bin des Todes.


Stürzt nieder.


CATALINON knieend.

Kommt Niemand hier davon? Auch ich muß sterben,

Weil ich ihm hergefolgt.

DON GONZALO.

Das sind des Herrn

Gerichte; wie die Thaten, so der Lohn.


Das Grabmal versinkt mit Don Juan und Don Gonzalo.[146]


Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 142-147.
Lizenz:

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