Fröhliche Ostern

[197] Da seht aufs neue dieses alte Wunder:

Der Osterhase kakelt wie ein Huhn

und fabriziert dort unter dem Holunder

ein Ei und noch ein Ei und hat zu tun.


Und auch der Mensch reckt frohbewegt die Glieder –

er zählt die Kinderchens: eins, zwei und drei . . .

Ja, was errötet denn die Gattin wieder?

Ei, ei, ei

ei, ei

ei![197]


Der fleißige Kaufherr aber packt die Ware

ins pappne Ei zum besseren Konsum:

Ein seidnes Schnupftuch, Nadeln für die Haare,

die Glitzerbrosche und das Riechparfuhm.


Das junge Volk, so Mädchen wie die Knaben,

sucht die voll Sinn versteckte Leckerei.

Man ruft beglückt, wenn sies gefunden haben:

Ei, ei, ei

ei, ei

ei!


Und Hans und Lene Steckens in die Jacke,

das liebe Osterei – wen freut es nicht?

Glatt, wohlfeil, etwas süßlich im Geschmacke,

und ohne jedes innre Gleichgewicht.


Die deutsche Politik . . . Was wollt ich sagen?

Bei uns zu Lande ist das einerlei –

und kurz und gut: Verderbt euch nicht den Magen!

Vergnügtes Fest! Vergnügtes Osterei!


  • · Theobald Tiger
    Die Schaubühne, 09.04.1914, Nr. 15, S. 433, wieder in: Fromme Gesänge.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 1, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 197-198.
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