Auf Urlaub

[271] Die Residenz!

Gu'n Tag, du Metropole!

Da ist auch schon der Alexanderplatz . . .

Verstatte, daß ich mich das Schneuztuch hole,

das Herz schlägt stürmisch unterm Busenlatz.

Du gute Spree mit dem geduldigen Rücken,

der Ruderklubs und der Mamsells Entzücken –

ich seh dich still und mächtig dreckig ziehn . . .

Berlin!


Die Weiche knackt. Der Zug zischt an den Hallen

der Stadtbahn lang. Da liegt der dicke Dom.

Die pfui! die Friedrichstraße will mir recht gefallen,

am Charitéhaus grünt ein Appelboom.

Die Völker auf den Straßen sind nicht ohne:

dem Gang nach lauter Jrafens und Barone.

Es riecht nach Geld. Prozente, Mensch, verdien!

Berlin!


Charlottenburg. Da steht die lange Claire,

den Bastard meiner Liebe an der Hand.

Ob auch die Rationierung an uns zehre –

der Knochenbau hält allen Feinden stand.

Das wird die rechte Wiedersehensfeier!

Ich hab (im Rucksack) fünfundsiebzig Eier –

Da hält der Zug! Die Kümmernisse fliehn . . .

Berlin! Berlin!


  • [271] · Theobald Tiger
    Die Schaubühne, 28.06.1917, Nr. 26, S. 606, wieder in: Fromme Gesänge.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 1, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 271-272.
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