Wünsche

[310] Die gnädige Frau ist hell und blond,

von sommerlichem Licht durchsonnt –

sie scheint sich schlechtgeraten.

Braun will sie sein, das dumme Kind,

braun, wie Zigeunerweiber sind –

und läßt am Strand sich braten.


Jung-Deutschlands Dichter gehn zur Zeit

in Fritz von Schillers Schülerkleid –

(der war nicht so behende).[310]

Vom Recken wird man noch nicht groß;

bleibt ruhig noch auf Mutterns Schoß:

sie hat die klügern Hände.


Alt-Deutschland macht in Politik

und zieht Bilanz aus diesem Krieg:

Indien muß badisch werden!

Ägypten her! die Ostsee auch!

Wir treten alle vor den Bauch

mit sieghaften Gebärden!


Und so hat jeder was zu schrein.

Der Neger will ein Weißer sein,

der Fußfantrist ein Reiter . . .

Wir wollen aufrecht stehn, mein Kind,

und bleiben, was wir selber sind!

Ich glaub, das ist gescheiter.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 04.07.1918, Nr. 27, S. 19, wieder in: Fromme Gesänge.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 1, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 310-311.
Lizenz:
Kategorien: