|
[18] Nach Merkur wollen wir Aphroditen die Ehre geben.
Wie bekannt, schickte die Heimat, als es mit dem ›Menschenmaterial‹ bereits haperte, Mädchen und Frauen ins Heer. Diese weiblichen Hilfskräfte machten bitterböses Blut unter den Soldaten, weil sie wesentlich höher entlohnt wurden, also von der allgemeinen Wehr- und Arbeitspflicht befreit waren, und weil . . . erröte, Leserin.
Wir wollen uns hier richtig verstehen: es ist selbstverständlich, daß Mädchen unter Männern nicht immer unberührt bleiben, und es wäre doppelt töricht, das zu leugnen, weil wir ja alle wissen, daß neben der Ehe die nicht sanktionierte Liebe eine Selbstverständlichkeit ist. Nicht also darum handelt es sich, daß die jungen Damen mit zarteren Banden als durch die des Vertrages ans Heer geknüpft waren, nicht darum, daß sich so eine Art Weibertroß herausbildete: bezeichnend für die Moral und den Geist der deutschen ehemaligen Armee war nur, wie das geschah.
Die weibliche Hilfskraft war reserviert und trug ein Schild. Nur für Offiziere. Dieses Prinzip wurde häufig durchbrochen, denn auch der Feldwebel war ein Mann. Bezeichnend aber war eben dies, wie auch hier wieder Offiziere, Unteroffiziere und der Mann auf Druckposten ganz unbedenklich Mittel und Gegenstände ihres Dienstes für die Mädchen, also für sich, gebrauchten. Miles, einer der unantastbar anständigen Offiziere, fragte neulich, ob es denn so schlimm sei, wenn der Mann, der vorne Tag und Nacht im Schützengraben gehockt habe, nun wirklich einmal auf Ruhe in Brüssel die Nacht mit einer Tochter der Freude verbracht habe. Aber gar nicht. Aber viel Vergnügen! Schlimm ist nur, daß erstens einmal der Etapperich das bedeutend schlimmer trieb (und auch der war deutscher Offizier!), und daß sich zweitens auch hier das Achselstück breit machte. Wie oft haben die vielgehaßten Reservebolzen unter den Offizieren vor weiblichen Landeseinwohnern die eigenen Leute heruntergeschimpft, nur um sich zu zeigen. Ein Pfau schlägt zu diesem Behufe ein Rad.
Im Osten stellte sich ein Rittmeister vor die (nicht einmal reichsdeutschen, sondern aus Riga geholten) Helferinnen und machte ihnen klar, daß die Kluft im deutschen Heere zwischen Offizier und Mann größer sei als im russischen, und sie sollten nicht mit den Kerls und mit den Unteroffizieren verkehren. »Sie gehören zu uns Offizieren!«
Das Verhältnis der Offiziere zu den Landeseinwohnerinnen war entsprechend. Entweder brutal oder zuckrig-galant. Aus dem voriges Mal angezogenen rumänischen Bericht:
»Mit den Mißständen, die bei der Durchführung der wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen grassieren, hängt eng zusammen das Kapitel ›Frauen‹. Der kleine Bürgersmann sieht mit Ingrimm und[18] Neid, wie gut es manche Familie hat, bei der Offiziere der Besetzungsmächte ein- und ausgehen! Da werden noch Kuchen gebacken; da wird noch guter Wein getrunken; da gibt es Fleisch und Gemüse und andre Dinge, die längst vom Tische derer verschwunden sind, die nicht in der Lage oder nicht gesonnen waren, ihr patriotisches Empfinden und Gebaren solchen materiellen Annehmlichkeiten zum Opfer zu bringen. Überhaupt zieht sich durch alles, was hier schlecht und faul ist, was die Deutschen unter das Sammelwort ›Schiebung‹ registrieren und was uns Rumänen von ihnen sagen läßt ›Sunt ca si noi‹, wie ein roter Faden das Thema ›Weib‹.«
Der Einfluß des schlechten Offiziersgeistes auf die deutschen Helferinnen war, um ein beliebtes Leutnantswort zu gebrauchen, ›verheerend‹. Ein großer Teil der jungen Damen ist in Grund und Boden verdorben nach Hause gekommen. Nicht etwa, weil sie geliebt haben. Sondern weil sie gesehen haben, daß der Mann ihnen – ohne viel Arbeit – alles bot, daß Deutscher auf Deutschem herumhackte, weil der Offizier ihnen in besetzten Schlössern, mit unterschlagenen Lebensmitteln, mit widerrechtlich erzwungenen Arbeitskräften, in widerrechtlich angeeigneten Wagen und Equipagen ein Leben vortäuschte, das zu Hause die Eltern ihnen niemals bieten können. Der deutsche Offizier, und mit ihm die Chargen, haben es meisterhaft verstanden, Huren wie Damen und Damen wie Huren zu behandeln.
Und das alles drang nicht ins Volk? Und das war nicht schon in Kriegszeiten bekannt? Denn der Kompost stank doch zum Himmel, jeder wußte allenthalben, was ausgefressen wurde – viel, viel mehr, als hier dünn skizziert ist . . . Und die Heimat?
Sie ertrank rettungslos, hoffnungslos in dem Phrasen- und Hurra-Nebel des Vaterländischen Unterrichts, den der Soldat erst in den letzten Kriegsjahren, der Zivilist eigentlich sein ganzes Leben lang genossen hatte. Ihn, den Vaterländischen Unterricht, wollen wir nun näher betrachten.