Heimg'funden

[362] Der Bürger zieht die vollen Hosen

sich höher rauf und eilt zur Wahl.

Ihm ist nach der Revolte Tosen

alles ejal.


Nach diesem Krieg, nach diesen Putschen,

nach Kapp – nach Willys starker Hand:

du siehst ihm Herz und Büchsen rutschen.

Er denkt an seinen Barbestand.


Nach diesem Preußen, diesem Morden,

dem Tod, den noch Hans Paasche fand –

nach bunten Soldateskahorden:

Er denkt an seinen Barbestand.


»Flamm auf, du Volk!« Du liebe Güte!

Tritt ihnen ruhig ins Gesicht.

Es wackeln die Zylinderhüte,

Er will ja nicht.[362]


Hebammen und die Professoren,

die Schieberbraut, der Referendar –

sie haben ihren Herrn verloren;

jedoch das Herz bleibt, wie es war.


Wie war es denn?

Bei dem Getue,

bei Streik und bei Revoltenbrand –

sie wollten Ruhe, Ruhe, Ruhe

und ihren Polizeisergeant.


So heilt der Deutsche seine Wunden.

Ein Herz aus Wachs, Gesäß aus Stahl . . .

Der Bürger hat sich heimgefunden.

Ihm ist auch in den Schicksalsstunden

alles ejal – alles ejal!


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 17.06.1920, Nr. 25, S. 730.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 362-363.
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