Sport

[358] Sport kostet Geld. Gewöhnlich das Geld desjenigen, der ihn betreibt. Es gibt ja Champions, die werden von den Unternehmern bezahlt – und die holen das Geld hundertfach wieder herein vom neugierigen Publikum. Aber wenn unsereiner, so der bescheidene Privatmann, einen Sport betreibt, dann kostet er unser Geld. Ausstattung und Kleidung und Zeit und Fahrgeld und Miete für den Platz und all das. Und wir haben dann den Spaß und das Vergnügen davon.

Einen Sport aber gibt es in deutschen Landen, der wird kostenlos betrieben. Ja, er kostet durchaus nicht das Geld dessen, der ihn betreibt, sondern er bringt dem Betreiber noch Geld ein – und wir alle bezahlen diesen Sport. Wir alle. Und das ist der Soldatensport.

Es ist ein Spiel geworden, was einmal blutige Notwendigkeit gewesen sein mag. Ein Sport. Ein nutzloser, steuernverschlingender Sport.

Als das Heer zerschlagen war und die Entente die Aufstellung eines neuen verbot, da erfanden sie sich den inneren Feind, und wo keiner war, da machten sie sich einen. Und sie gründeten Freikorps. Und als es auch damit aus war, und der innere Feind geschlagen war – oder im Tiergarten und am Eden-Hotel erschlagen lag –, da beruhigten sie sich nicht, sondern gründeten die Sicherheitswehr, Und als es auch damit nichts war, weil die Mannschaften nicht alle Hottehüh mit sich spielen ließen, da gründeten sie Zeitfreiwilligenformationen. Und als es auch damit nichts war, gründeten sie die glorreiche Einwohnerwehr. Und als es auch mit dieser nicht mehr ging, weil sie sich gar zu offen Herrn Kapp zur Verfügung gestellt hatte – da ließen sie nicht nach und gründeten den Ortsschutz. Und so gründen sie alle Tage. Küstenabwehrformationen und Strandschutz und Gutsschutz und Eigentumsschutz und Flurschutz . . .

Und wir bezahlens.

Was um Himmelswillen gibt es denn da ›abzuwehren‹? Was? Ich wills euch sagen. Die Entlassung!

Nun ist ja das Schicksal dieser Leute, die nichts weiter gelernt haben, als ihr etwas eintöniges Handwerk, gewiß beklagenswert. Aber kann es denn gar nicht anders gemildert werden als durch Gründung immer neuer kulturschädlicher Verbände? Hat denn keiner den Mut, den Leuten zu sagen, daß sie überflüssig, daß sie gänzlich überflüssig sind? Und daß wir sie nicht mehr haben wollen?

Keiner hat ihm. Mit Gewaltmaßregeln ist gar nichts getan. Hier hat der Hauptmann Meyer so gescheite Vorschläge für die Entwaffnung und die wirtschaftliche Versorgung der Kämpfer getan – keiner nimmt sie an. Diese Leute haben so oft vergessen lassen, daß wir, die sie bekämpft haben, Deutsche und Landsleute sind – wir wollens nicht vergessen. Auch diese sind unsere Landsleute.

[358] Aber ich bin schließlich nicht verpflichtet, mein Geld für die Steuer dazu zu verdienen und herzugeben, damit Offiziere und Kapitulanten, die das Zivilleben scheuen, davon leben. Und ich glaube, es ist schon viel damit gewonnen, wenn wir alle erst einmal erkannt haben, was es mit diesen Gründungen wider den bösen inneren Feind eigentlich auf sich hat. Es ist die blanke Angst um die eigene Existenz, die wirtschaftliche und moralische Angst. Ja – es ist schon schwerer, im Zivilleben seinen Mann zu stehen als beim Verhör gefesselten Verhafteten gegenüber . . . Und so ruhmreich ist es auch nicht . . .

Ich bin ein großer Sportsfreund. Diesen Sport da wollen wir uns aber abschminken.

Deutschland ist kein Stadion. Sondern ein Land, das aufgebaut werden soll. Die Männer um Herrn Geßler sollten dem teuren Sport Einhalt tun. Denn wir brauchen produktive Arbeiter – keine Soldaten.


  • · Ignaz Wrobel
    Berliner Volkszeitung, 13.06.1920.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 358-359.
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