Schädlichkeit des Zivils

[521] Erich Lindström, geb. Ludendorff . . . , es gibt ja schließlich wichtigere Dinge auf der Welt als einen abgetakelten General. Aber jener hat keinen Erfolg mehr, und da geziemt sich wohl, eine kleine Betrachtung anzustellen.

Warum hat er keinen Erfolg mehr?

Eigentlich sind alle Voraussetzungen für eine deutsche Popularität gegeben: der Mann hat seinem Lande nichts als Unheil gebracht, aber auf eine sehr pompöse Art; er ist General gewesen; er hat die Macht gehabt, und es bestand die Aussicht, daß er sie eines Tages wieder bekommen[521] würde; und zugenommen hat er auch, so daß er jenes Maß von Vierschrötigkeit aufwies, das nun einmal nötig ist, wenn man hierzulande auf die Biergläser des Ruhmes gemalt werden will. Und trotzdem ist es nichts damit. Ich will ihm das Geheimnis seines Mißerfolges verraten.


Es kommt wohl vor, daß man als Mann und Männchen einen Hang fürs Küchenpersonal hegt, besonders, wenn es Frühling ist. Für das Küchenpersonal; oder für eine nette Kellnerin mit einem weißen Häubchen; oder für eine Zofe mit einem Tändelschürzchen; oder gar für eine Krankenschwester, ganz in aseptisches Weiß gehüllt und appetitanregend anzusehen. Nicht immer nehmen die Dinge nun einen so glatten Verlauf, daß Werbung, Liebessturm und Erfüllung auf dem Tätigkeitsplatz selbst abgehandelt werden können. Der begeisterte Verehrer bestimmt also ein Rendezvous, die so reizend kostümierte Schöne sagt errötend zu, aber da geht auch schon die Tür, die Gnädige oder der Wirt oder der Oberarzt treten ins Zimmer – husch, ist sie fort. Und erscheint abends: auf ›fein‹ aufgemacht, sonntäglich gekleidet, frisch gewaschen, im Straßenkostüm oder Ballkleid . . . Und eine leise Enttäuschung bemächtigt sich des Mannes – ist sie das, die Süße, Kleine, Bebänderte, Beschürzte, Weißgekleidete? Sie ists. Und ists nicht mehr. Das Zivil hat Lockung und Liebe getötet. Zivil tötet. Er fühlts, der Lindström – denn allemal bei Festlichkeiten, Regimentsfeiern, Fahnenweihen und Parademärschen wirft er sich in eine Phantasieuniform, die ja heute gar nicht mehr vorhanden ist, die es nicht mehr gibt, die zum historischen Maskenkostüm geworden ist. Aber es hilft nichts. Er fühlts, daß ihm das Zivil nicht steht. Es steht ihm wirklich nicht. Ich habe ihn darin gesehen, damals, als er vor dem Untersuchungsausschuß stotterte. Er hatte etwas von einem strengen Lehrer im Dampfbad. Die Autorität war dahin.

Denn dies ist der oberste Grundsatz für Stubenmädchen und Generale: Was in Tracht ist, muß in Tracht geliebt werden. Zivil ist allemal schädlich. Armer General –!


  • · Ignaz Wrobel
    Die Weltbühne, 09.12.1924, Nr. 50, S. 883, wieder in: Deutschland, Deutschland.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 3, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 521-522.
Lizenz:
Kategorien: