Wo

[151] sind eigentlich die Herren Kurt Wolff, Ernst Rowohlt, S. Fischer und viele andre Verleger, wenn die Buchhändler Feste feiern? Da gehts ja hoch her – nationale Reden und schwarz-weiß-rote Fahnen werden geschwungen, bärtige Teutsche reden und schreiben einen Schwafel, wie er etwa einem Stiftungsfest des Uhrmachervereins in Glauchau durchaus angemessen wäre – und das alles im Namen der deutschen Buchhändler.

Wenn man das ›Buchhändler-Börsenblatt‹ liest, kann man durchaus der Meinung sein, daß der deutsche Durchschnittsbuchhändler tatsächlich von solcher Beschaffenheit sei: wie da der Mord an Hugo Bettauer glossiert wurde, wie da leise und fast unmerklich und mitunter auch recht grob die Kriegsunschuldlüge propagiert wird, wie da die Welschen und die Tschechen angeflegelt werden, und wie da vorsichtig auch eine Art Zensur über die unbequemen deutschen Oppositionellen verfügt wird – das ist ganz munter. Wenn aber selbst der Durchschnitt auf so völkische Art Bücher verkauft – wo sind die andern? Es wird ja niemand von Paul Steegemann verlangen, daß er mit einer roten Fahne durch Leipzig zieht, noch auch soll Frau Malik auf dem Augustusplatz zur Ostermesse die Carmagnole tanzen –: aber immerhin haben doch auch diese Sitz und Stimme in den buchhändlerischen Organisationen. Rühren sie sich da gar nicht? Warum hören wir nicht zum mindesten von einem wenn auch nur papiernen Protest dagegen, daß diese Festbarden sich anmaßen, für den gesamten deutschen Buchhandel eine solche üble nationale Hetze zu treiben? Warum ruft niemand in diesen Jahrmarkt zu Plundersweilen hinein: »Nein! Ohne mich!«

Opposition steht bei uns in den Büchern, broschiert, gebunden und auf Bütten. Treten aber drei Männerchen auf öffentlichem Markt zusammen und beschließen etwas Praktisches: Ihr könnt darauf schwören, daß es die Mannen der Rotte Tirpitz oder die alten Weiber der Firma Stresemann sind. Mut und Maul stehen in einem für Buchhändler durchaus ungewöhnlichen Rabattsatz: 1/6.


  • [151] · Ignaz Wrobel
    Die Weltbühne, 23.06.1925, Nr. 25, S. 940.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 4, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 151-152.
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