[141] Der politische Quatsch
» . . . und dann werd ich Ihnen überhaupt mal was sagen: Wenn wir nämlich mit England und Frankreich zusammengehn, dann kann Amerika sehn, wo es bleibt! Coolidge . . . « – »Meine Herren, vergessen Sie Indien nicht! In Indien geht was vor! Chamberlain . . . « – »Aber meine Herren, Sie müssen die Sache auch mal vom wirtschaftspolitischen Standpunkt aus betrachten! Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus . . . «
Der Geschäftsquatsch
» . . . nun hab ich den Leuten erklärt: wenn ihr die Hypothek nicht an Bronnemann gebt, dann wird eben Bronnemann aus der Sache rausgehen! Mein Schwager in Frankfurt schreibt mir hier, er sieht die Lage ganz anders an . . . 's is ja auch heute schwer! Ich meine, schon rein aus steuertechnischen Gründen können wir ja das gar nicht machen! Sehn Sie mal: wer hat denn heute Geld? Haben Sie Geld . . . «
Der Familienquatsch
» . . . und da hat Lucie zu Jenny gesagt, sie hätte das nie zu Oskar gesagt, daß Erwin ihr nichts gesagt hat! Wie finnste das . . . ? Na, das ist doch ganz klar, woher soll sie denn das wissen! Nein? – Nein! Wenn du zu Mama nicht gesagt hättest, daß ich es dir gesagt hätte, dann hätte Tante Emmi auch nicht sagen können, daß Max es Jenny gesagt hat! Na, hör doch mal zu, was ich dir sage . . . ! Laß mich doch mal zu Wort kommen . . . !«
Der Literaten-Quatsch
» . . . meine Einstellung ist einfach die, daß unsere Mentalität da irgendwie schon sehr gut ist!« – »Jedenfalls kann er mit dem Hemmungskomplex seine Reaktionen so überhaupt nicht abreagieren, das können Sie doch in jedem Roman von ihm sehen – erzählen Sie mir doch nichts von Expressionismus – der Expressionismus ist tot, na, nun kommen Sie mir noch mit Spengler – dann laufe ich aber raus –!«
[141] Der erotische Quatsch
» . . . na ja, gnädige Frau, aber in der heutigen Zeit – ich meine, bei der neuen Sachlichkeit – wir haben eben nicht so viel Zeit für unsere Gefühle wie unsre Großeltern – sehn Sie mal, der Moment des Sportes – man muß ja auch bedenken, daß die Natur da mitspricht! Es ist eben ein neues Zeitalter, und ich könnte mir schon eine Frau denken, die eben, ja, die eben hemmungslos ihren Trieben folgt, weil das Blut in ihr schreit . . . «
Der medizinische Quatsch
» . . . da werden Sie mir nichts erzählen! Ich habe einen Onkel, der kannte den Medizinalrat Dr. Proppke vom Städtischen Krankenhaus sehr gut! Nein, meine Herren – in medizinischen Fragen bin ich nun also kompetent, sozusagen! Also, sehn Sie mal: die Lunge treibt das Blut durch die Aorta, oben fließt es rein, und unten fließt es wieder raus – da haben die Nieren überhaupt nichts mit zu tun, das können Sie mir glauben! Aber die Milz, die Milz, meine Herren, die hat ja nun mehr eine Funktion, und wenn die Milz sprechen könnte, da würde sie sagen – «
Die Sprache dient nur in seltenen Fällen dazu, die Gedanken zu verbergen – denn dies setzte voraus, daß jeder Sprechende auch Gedanken hat. Dem ist mitnichten so. Die Sprache hat vielmehr die Aufgabe, die Leere auszufüllen, Leben anzuzeigen; sie ist häufig um ihrer selbst willen da. Der Kern der Rede ist – in allen Sprachen – von Gequatsch umgeben. Man sagt nicht: »Dem Schauspieler Pinnemann ist ein kleines Unglück zugestoßen« – sondern man sagt so: »Sagen Sie mal – was ich sagen wollte – wissen Sie eigentlich, daß sich der . . . wie heißt er doch gleich . . . ja, daß sich der Pinnemann, wissen Sie, der Schauspieler, den kennen Sie doch! Natürlich kennen Sie den! Also daß der Pinnemann neulich von der Bühne runter in die Pauke gefallen ist? Ja, direkt in die Pauke! Hähä –! Fällt da runter und setzt sich in die Pauke – « So heißt das.
Es gibt vielerlei Arten von Quatsch: den erotischen Quatsch, den politischen Quatsch, den geschäftlichen, den Familienquatsch und den Quatsch schlechtweg. Ich glaube nicht, daß die Menschen ohne diesen Quatsch überhaupt leben könnten – sie kommen ohne ihn nicht aus, sie brauchen ihn wie die Luft und das Wasser – er ist ein Lebenselement.
Mach die Ohren auf und lausche, was um dich gesagt wird: hätten die gesprochenen Worte eine Taxe wie die Telegrammworte, so hörtest du viel weniger, aber die Worte sind gratis und franko, und daher braust um dich der Quatsch. Es gibt ja wortkarge Leute, so jenen Hamburger, der neben einem Schiffer am Elbufer stand und stundenlang[142] ins Wasser sah. Alle halbe Stunde spuckten sie hinein. Nach anderthalb Stunden sagte der Hamburger zum Schiffer: »Schoines Wetter heute!« – Der Schiffer sah gar nicht auf: aber nach einer weiteren halben Stunde brummte er vor sich hin: »Dat seh ick auch, ohne to snacken –!« So wortkarg sind leider nur wenige. – Vielmehr gleicht die Welt, was das Geräusch angeht, einem Hühnerhof: Welch ein Gekakel, welch ein Krähen, Gackern, Gluckern, Kikeriki –! Aber das muß wohl so sein, denn sonst wäre es nicht so.
Höre, wenn du dies gelesen hast, um dich und sage ehrlich, was du da zu hören bekommst. Wenn du es alles vernommen hast, dann wirst du jenen alten und weisen Mann verstehen, dem der Arzt den Schnaps verboten hatte, seines Gehörs wegen. Als der Patient wieder in die Sprechstunde kam, da war er stocktaub und hörte überhaupt nichts mehr. Der Arzt war entsetzt. »Sie haben getrunken!« schrieb er dem alten Mann auf einen Zettel. »Ich habe es Ihnen prophezeit und nun haben Sie Ihr Gehör verloren . . . !« Da sprach der alte Mann: »Lieber Herr Doktor! Alles, was ich gehört habe, war nicht so gut wie Schnaps.«
Hatte er nicht recht?
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