Glück im Unglück

[289] Ich bin kein Mann, nach dem man in den Kissen schluchzt

ich weiß es wohl;

da nützt kein Ödipus-Komplex, kein Fluchts–

versuch in das Symbol.

Seit Jahren sagen alle Frauen,

wenn sie mir in die Augen schauen,

sie sagen, seit ich majorenn:

»Schön bist du nicht – klug bist du nicht –

reich bist du nicht – lieb bist du nicht –

was bist du denn?«[289]


Das kränkte auf die Dauer jeden Mann

des Okzidents,

Was folgt daraus? Ich zieh schon lange an

der Konsequenz.

Man muß nur sehn, mit wem ichs treibe:

an Geist vermiekert, Fett am Leibe –

ich frage mich verdüstert, wenn . . . :

»Schön sind sie nicht – reich sind sie nicht –

klug sind sie nicht – lieb sind sie nicht –

was sind sie denn?«

Man hat mich dünn wie Makkaroni,

den man in Mailand zieht.

Ich bin ja schließlich kein Adoni –

wie heb ich meinen Sexualkredit?

Ich seh mir die an, wo uns so regieren.

Da darf man wohl die Frage formulieren,

betrachtet man die Gentlemen:

»Schön sind sie nicht – klug sind sie nicht –

lieb sind sie nicht – 'tellijent sind sie nicht –

was sind sie denn –

Ja, was sind sie denn –?«


Schlau. Im Skatverein. Und immer vorhanden.

Das befähigt zur Führung in deutschen Landen.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 30.10.1928, Nr. 44, S. 671.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 6, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 289-290.
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