Die Besetzung

[256] Es haben die deutschen Filmdirektoren

noch niemals die Schnur ihres Handelns verloren;

drum merke sich jeder junge Adept

das folgende Besetzungsrezept:

Wenn du elegant brauchst,

nimm Paul Otto;

wenn du brutal brauchst,

nimm Homolka;[256]

wenn du Seelchen brauchst,

nimm die Bergner;

wenn du berlinisch brauchst,

nimm Graetz;

wenn du dämonisch brauchst,

nimm Veidt;

wenn du gar nichts brauchst,

nimm Liedtke –

Spezialisten für Tränen, Spezialisten fürs Lachen.

Und nie darf einer was andres machen

als das, womit er schon einmal gewirkt.

Die Ressorts sind säuberlich abgezirkt:

Nummer IV, Nummer III, Nummer II, Nummer I –

jeder seins.


Dies Verfahren erscheint mir aber – das seh ich –

auch auf andere Gebiete ausdehnungsfähig.

Man kann, um seine Geschäfte zu stärken,

sich folgende Dienstanweisung merken:

Wenn du Heereslieferungen brauchst,

schwenk Fahnen;

wenn du ein Mädchen brauchst,

nimm Seele;

wenn du Steuern brauchst,

sag: Frankreich;

wenn du junge Aktien brauchst,

sag: Wirtschaft;

wenn du Rührung brauchst,

nimm 's Mutterl . . .

wenn du Rache brauchst,

nimm einen Richter –

So hast du für alle Lagen des Lebens

stets etwas parat und kämpfst nie vergebens.

Der Mittel sind viele in den Kulissen . . .

man muß sie nur anzuwenden wissen.

Nummer IV, Nummer III, Nummer II, Nummer I –:

jeder seins.


  • [257] · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 19.11.1929, Nr. 47, S. 777.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 7, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 256-258.
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