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[112] Für Emil Ludwig
– »Na, wie is denn heute mit dem Gewicht –? Hundertfümmwunneunzich, sehn Se mal an – das kommt davon! Wir warn gestern ahmt unten in Dresden, ich hab mich verleiten lassen, ne Flasche Sekt ze trinken . . . soll man nicht, was? Na, einmal ist keinmal. Ich wers hier im Sanatorium aufholen. Warten Se mal, das Badetuch . . . so. Öwwf.
Wissen Sie, man sollte hier vorn sonen kleinen Hahn haben, wo man sich das Fett abzapfen kann, meinen Sie nicht auch? Sonen kleinen silbernen Hahn, und da brauchen Sie gar nicht erst massieren – jeden Morgen kommt einer und dreht einfach den Hahn auf, und das Fett läuft ab. Die Technik ist noch nicht fortgeschritten, verstehn Sie mich? Aua, nich so doll! Das ist doch die Stelle . . . Haben die andern Herren schon geturnt? Ich habe heute nich geturnt, mir is ze kalt. Ich war auch zu müde. Generaldirektor Bronzheimer ist noch nich unten, wie? Der ist noch dicker wie ich, was? Komisch, der Mann mit seiner Arbeit – ein sehr beschäftigter Mann, kommt ausm Schlafwagen gar nich raus, da oben am Hals könn Sie ruhig 'n bißchen stärker, das macht nichts. Aehhh – Was Neues in der Zeitung? Ich hab sie noch nich gelesen, ich les sie immer nachher,[112] beim Frühstück. Die in Paris sind noch nich fertig, was? Das ist auch eine Sache . . . na, ich sage immer: laßt mich mit der Politik zefrieden – wenn nur die Geschäfte gut gehen; ich meine, es sollen alle verdienen, jeder, was ihm zukommt . . . nicha? Puuuuh – Sie sind natürlich organisiert, was? Sozialdemokratisch, wie? Nein? So, ich dachte; Gott, wissen Sie, die Sozialdemokraten sind gar nicht so schlecht, haben auch schon Wasser in ihren Wein gegossen, die Leute sehen ehm, daß man mit dem Kopf ehm nicht durch die Wand . . . autsch! Da müssen Sie nich so drücken . . . Mal gleich nachher die Zeitung holen . . . wissen Sie, ohne Zeitung bin ich ein halber Mensch. Auch in Berlin, gleich morgens das erste ist die Zeitung. Ahms? Abends auch. Ich lese 'n ›Börsenkurier‹, und dann kauf ichs ›Achtuhrahmblatt‹, Gott, 's steht immer was drin. Das geb ich dann meiner Frau, und dann hab ich meine Ruhe. Mohjn Herr Pniower! Na, ma los, los! Ma ran an Speck! Sie solln auch was Gutes ham! Gut geschlafen? Ich habe ganz gut geschlafen, nur um sechs bin ich aufgewacht, da schläft neben mir 'n Ehepaar, aber es war nichts – ich bin dann auch nochmal eingeschlafen . . . Jaa, lieber Freund! Massieren is keine Kleinichkeit! Für nichts is nichts! Kneten Sie man ornntlich, Herräm . . . der Mann kann das gebrauchen, mit seinem dicken Bauch! Aua! hier bei mir nicht so doll! Pwwww – Ham Sie gelesen, von der Fusionierung? Mit K? Na, ich wer Ihn mah was sagen: Sie wissen doch, wer das Aktienpaket hat, von dem da die Rede ist? Ach, keine Spur. Hagen hat es, was sagen Sie nu? Louis Hagen. Ich hab mich gestern informiert. Hat man mir gestern aus Köln telefoniert. Ich hab da meine Verbindungen – Pniower, Ihr Bauch und dann Rothschilds Geld . . . mein Bauch? Na, wenn ich meinen Bauch neben Ihren Bauch halte, den Unterschied möcht ich . . . Rumdrehen? gleich – hopps! so. Sagen Sie mal, wer is eigentlich die große Dame mit dem roten Haar? Eine Frau Markgraf, Marbach, Marhahn, so was . . . kenn Sie auch nich, was? Hm . . . Man soll ja hier strenge Diät leben . . . Ja, ich bin beim Chefarzt in Behandlung, natürlich. Ich geh jedes Jahr her. Mir bekommt es großartig – man kann nachher dreimal so viel essen. Und auch so – ich sage immer: Freie Bahn dem Seitensprung! Was sagen Sie? Ach, gar keine Rede. Ja, ich bekomm leichte Diät, strenge Diät hab ich schon gehabt. Ich bekomm jetzt leichte Diät. Haben Sie diesen Gemüseauflauf gestern mittag gegessen? Ich hab das nicht gegessen – Sie, das schmeckt so . . . äh. Dabei kochen die Leute sonst gut. Schrecklich, heute is Rohkost – Sie, Rohkost mag ich nicht, Sie auch nicht, was? Donnerwetter, hat das jeklatscht, das schallt ja ornntlich . . . ! Ja, Massieren ist ne Kunst, wissen Sie, ich hatte mal als junger Mensch ne Freundin, die massierte son bißchen, nebenbei . . . die hat mich immer massiert. Wah ganz nett. Na, reden wir von was anderm. Sahn Se mah – ham Sie gehört, der Direktor[113] Bratsch ist gestorben? Ja, der war doch immer hier, son kleiner Dicker . . . war immer mächtich hinter den Weibern her, der ging glaub ich jeden Ahmt nach Dresden runter . . . nu is er tot. Soll schrecklich ausgehalten haben, der Mann, Leber oder so – nee, wissen Se, ich sage immer: Son Tod – denn lieber gar keiner! Was? Hier noch 'n bißchen. Ja, da. Wieviel Herren massieren Sie nu so am Tag? Sechzehn? Donnerwetter. Strengt sehr an, was? Na ja, is Gewohnheit, alles ist Gewohnheit. Nachmittag auch? Sehn Se mal an. Und die Damen oben, haben die auch Masseure – nein, die haben natürlich Masseusen, seffaständlich, ja. Ach Gott, man gewöhnt sich an alles, wissen Sie, ich meine, es is wie in der Ehe, nachher guckt man gar nich mehr hin, was? Sie! kitzeln Se nich! Da bin ich kitzlich! Ffff – gestern abend wurde drüben erzählt, da is doch die Frau Doktor Sinsheimer, die hat ne – aua! – die hat ne Freundin, und die war sehr krank. Wie der Arzt kommt und sie untersucht, sacht er: Ja, also diese Nacht, da is die Krisis. Geht raus, aufn Korridor, der Arzt, und kaum is er raus, kommt das Dienstmädchen ins Zimmer, die muß wohl was gehört ham und sacht: ›Also, das wollt ich nur sagen – bei ner Leiche bleib ich nich im Haus!‹ Finden Sie das? Doll, was? Wissen Se, es gibt Leute . . . ich meine, es gibt so Leute, die denken nur an sich. Natürlich muß man auch an sich denken, aber nachher muß man doch auch an andre denken, nicha? Aber es gibt Leute, die denken nur an sich. Ham Sie das gelesen, von den Festspielen in Berlin? Fabelhaft. Berlin wird Weltstadt, da gibts ja nichts. Solln ja mächtig viele Amerikaner da gewesen sein; meine Frau hat einen auf dem Kurfürstendamm getroffen, schreibt sie mir, den Vetter von ihrem jüngsten Neffen, einen Mister Fischel aus Chicago. 'ne Weltstadt. Ich fahr diesen Herbst nach Paris. Wissen Sie, die Welt ist überhaupt mächtig international in der letzten Zeit. Schsch, das is ne empfindliche Stelle . . . Hoppla. Sind Sie schon fertig? Sie hams gut, ich wer noch massiert. Ach so, Sie bekommen nur Halbmassage – ich bekomm Ganzmassage! Hat der Chefarzt persönlich angeordnet. Pniower! Wenn Sie nachher die Frau Ruschinsky sehen – sagen Sie ihr doch, ich bring ihr das Buch nachher runter, sie hat mir ein Buch geliehen – ja, ganz nett – mit der Kameradschaftsehe . . . na, wissen Sie, ich geh von dem Standpunkt aus, Kameradschaft ist eine Sache, und Ehe is eine an . . . Pniower! Sie verlieren Ihren Pantoffel! – Dauert die Verbindung nach Berlin eigentlich lange? Nö, dauert nich lange, was? Neulich hats nur zehn Minuten gedauert, war sie schon da. Man muß doch ab und zu mal sehen, was los ist, ich hab ja im Geschäft meinen Sozius, aber besser is besser. Sie – heute meinen Sies aber zu gut mit mir! Uwwwf – – Wissen Se, ich begreifnich, wie einer immerzu nichts tun kann. Ich muß was ze tun haben. Was is man denn ohne Geschäft, nicha?[114] Ich wer nochmal in den Sielen sterben. Ich brauch Betrieb. Fertig –? Pffff.
Naa? is doch aber schon besser. Gehn Se mah weg, ich will mich mal in Spiegel sehn. Sie! ich wer dünn. Ich seh mir gar nich mehr ähnlich. Wenn ich mir – is da einer? nein – wenn ich mir hier das Badetuch hinhalte, könnte man mich glatt fürn junges Mädchen halten . . . hähähä! Na ja – außer das. Na, werch mah brausen gehn. Mohjn –!!
Bademeister! Brause! Brause! Pschschschsch – aaaaah –! Gehm Se ma das Badetuch her! Fffffuuuuhhh – So. – Aah, der Herr Generaldirektor Bronzheimer! Mojn, Herr Generaldirektor, Mojn! Na, gut geschlafen? Sehn ja ausgezeichnet aus! Geturnt? Auch? Sehn Se mal an . . . (Ach – ich hab gar nicht gewußt, daß der Mann 'n Jude is . . . ach so – –!) Mohjn, Herr Bronzheimer. Auch e Mensch. Und nu gehn wir schlafn –!«
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