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[155] (Rundfrage der ›Vossischen Zeitung‹)
»Wat is Jochen Pesel –?«
Das Echo: »Esel – esel – esel – esel –«
Leser zerfallen in drei Abteilungen:
In die Nichtschreibenden; die Schreibenden; die Nichtlesenden.
Die erste Kategorie schreibt aus Liebe keine Briefe an den Autor; sie stimmt zu, will ihn aber nicht behelligen. Die zweite Kategorie schreibt: ja oder nein. Die dritte liest den Autor mit einem Auge, und das Gelesene geht ihr zum andern Ohr wieder heraus.
Der Schauspieler kassiert sofort ein, was ihm das Publikum zu schulden meint: Zischen oder Applaus. Zu uns dringt die Wirkung langsam, und was wir wirken, ist sehr, sehr schwer festzustellen. (Meist ist es viel weniger, als jeder glaubt und mehr, als jeder glaubt.) Politische Schriftsteller, die wirken, also die politischen Geschicke ihres Landes beeinflussen, gibt es. Zum Beispiel in Frankreich und wohl auch in England, In Deutschland werden die Meinungen eines politischen Schriftstellers, der nicht Parteimann ist, bestenfalls gehört – selten befolgt.
Ich bekomme zwar nicht so viele Briefe schöner Frauen wie der Kollege Dekobra, dessen Korrespondenz, wie ich mir habe sagen lassen, sogar die gemalten Münder der Briefschreiberinnen aufweisen soll – aber dies und jenes kommt schon mit der Post angelaufen. Und das habe ich von meinem Lehrmeister Siegfried Jacobsohn gelernt: beantwortet wird alles.
Schwer ist es, dem Schulmeister zu antworten, der im Leser versteckt hier und da ans Licht drängt. Die Brille blitzt, ein Zeigefinger droht, und ich muß das Lexikon wälzen und streiten, und zum Schluß haben wir beide recht – jeder von seinem Standpunkt, auf dem jeder unverrückbar stehenbleibt. Das ist der belehrende Nutzen der Korrespondenz.
Vom Feind kann man noch am ehesten lernen – manchmal auch vom Kritiker.
Was wirken wir –? Es gibt, wie mir scheint, zweierlei Lohn, der wirklich lohnet.
[155] Das ist die Freude, die wir dem machen, für den unsereiner in Wahrheit schreibt: der so fühlt wie wir und der, könnte er nun zufälligerweise schreiben, genau so schriebe – daher seine Freude.
Aber das Allerschönste ist, daß es winzig kleine Wirkungen gibt, die sich erst summieren müssen, um überhaupt erkennbar zu sein: die die Schwankenden stützen, die Mutlosen wieder mutig machen, fremdes Leben in der Berufswahl und in der Berufsausübung maßgebend beeinflussen. Lob . . . ? Ja, das ist ganz hübsch. Aber wenn ich erführe, daß sich ein Richter vor der Urteilsfällung an eine Zeile von mir erinnert und diese Erinnerung dem Angeklagten zugutekommt –: dann hat die Arbeit einen Sinn gehabt.
Es gibt gar stolze Schriftsteller, die sich Leserbriefe verbitten.
Die an mich sind mitunter nur freundlich, nur verliebt, nur zusagend – oder nur tadelnd, nur beschimpfend, nur säuerlichen Hasses voll. Wenn sie aber zeigen, daß, weil ich geschrieben habe, etwas Gutes geschehen oder etwas Böses nicht geschehen ist, dann erwacht in mir etwas, was ich die ›sachliche Eitelkeit‹ nennen möchte. Um ihretwillen schreibe ich.