Die Frau spricht

2. Eine Frau denkt

[100] Mein Mann schläft immer gleich ein . . . oder er raucht seine Zeitung

und liest seine Zigarre

. . . Ich bin so nervös . . . und während ich an die Decke starre,

denke ich mir mein Teil.

Man gibt ihnen so viel, wenigstens zu Beginn. Sie sind es nicht wert.

Sie glauben immer, man müsse hochgeehrt

sein, weil man sie liebt.

Ob es das wohl gibt:

ein Mann, der so nett bleibt, so aufmerksam

wie am ersten Tag, wo er einen nahm . . . ?

Einer, der Freund ist und Mann und Liebhaber; der uns mal neckt,

mal bevatert, der immer neu ist, vor dem man Respekt

hat und der einen liebt . . . liebt . . . liebt . . .

ob es das gibt?


Manchmal denke ich: ja.

Dann sehe ich: nein.

Man fällt immer wieder auf sie herein.[100]

Und ich frage mich bloß, wo diese Kerls ihre Nerven haben.

Wahrscheinlich . . . na ja. Die diesbezüglichen Gaben

sind wohl ungleich verteilt. So richtig verstehen sie uns nie.

Weil sie faul sind, murmeln sie was von Hysterie.

Ist aber keine. Und wollen wir Zärtlichkeit,

dann haben die Herren meist keine Zeit.

Sie spielen: Symphonie mit dem Paukenschlag.

Unsere Liebe aber verzittert, das ist nicht ihr Geschmack.

Hop-hop-hop – wie an der Börse. Sie sind eigentlich nie mehr als erotische Statisterie.

Die Hauptrolle spielen wir. Wir singen allein Duett,

leer in der Seele, bei sonst gut besuchtem Bett.


Mein Mann schläft immer gleich ein, oder er dreht sich um und raucht seine Zigarre.

Warum? Weil . . .

Und während ich an die Decke starre,

denke ich mir mein Teil.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 17.12.1929, Nr. 51, S. 920, wieder in: Lerne Lachen.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 9, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 100-101.
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