Die Herren Eltern

[67] Ist ein Schullehrer Pazifist

und sagt, wie es in Wahrheit im Kriege ist –:

daß Generale Kriegsinteressenten sind,

ganz gleich, wer verliert; ganz gleich, wer gewinnt . . .

dann – sollte man meinen – freun sich die Eltern für ihr Kind?

Jawoll!


Dann erhebt sich ein ungeheures Elterngeschrei:

»Raus mit dem Kerl! Das ist Giftmischerei!

Unser Junge soll lernen, wie schön die Kriege sind!

Wir warten schon drauf, wann wieder ein neuer beginnt –

und dazu liefern wir gratis und franko 1 Kind!

Jawoll!«


Die Elternbegeisterung ist ganz enorm.

Die Mütter: aus Liebe zur Uniform.

Die Väter, die Lieferanten für den Schützengraben,

denken: warum sollen denn diese Knaben

es besser als unsereiner haben?

Nicht wahr?


Die Fabrikation eines Kindes ist nicht sehr teuer.


Aber erhöh mal ein bißchen die Umsatzsteuer –:

dann kreischen die Herren Eltern, daß der Ziegel vom Dache fällt.

Man trennt sich leicht vom Kind.

Aber schwer vom Geld.

Bekommt das Kind einen Bauchschuß? Das macht ihnen keine Schmerzen.

Doch ihr Geld – das lieben die Herren Eltern von Herzen.

Jawoll!


Mitleid mit den Opfern, die da fallen für Petroleum, für Fahnen,

für Gold –?

Die Herren Eltern haben es so gewollt.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 19.04.1932, Nr. 16, S. 590.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 67.
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