Fräulein Nietzsche

Vom Wesen des Tragischen

[9] Zwei Hamburgerinnen kamen einst aus dem Thalia-Theater, nach einer Aufführung von ›Kabale und Liebe‹.

Da blieb die eine auf der Treppe stehn, überdachte den Inhalt des Stücks und sprach: »Gott! Was Missvers-tändnisse –!«


»Kennen Sie Nietzschken?« fragt einer in der Komödie ›Sozialaristokraten‹ – von Arno Holz. Es gibt Namen, die werden durch Hinzufügung eines einzigen Buchstabens komisch. Es ist wie die Möglichkeit einer magischen Rache; mit dem Namen Goethe kann man dergleichen nicht machen.

Neulich stand hier einmal ein Nadelstichlein gegen Elisabeth Förster-Nietzsche . . . nein, nicht einmal gegen sie, sondern gegen das wahnwitzige Urheberrecht, das die Rechte des Geistes wie einen Käseladen vererbt. Mögen die Erben eines großen Schriftstellers Tantiemen schlucken; solange es ein Erbrecht gibt, ist das natürlich. Daß aber die meist inferioren Erben das Recht haben sollen, über hinterlassne ungedruckte Manuskripte des Erblassers frei zu verfügen, sie zu veröffentlichen oder nicht, und – was am schlimmsten ist – sie zu verfälschen: das ist ein unerträglicher Gedanke. Wonach werden sie ihre Entschließungen einrichten? Nach Familien-Interessen, was in den meisten Fällen etwa dem Gedankengang entsprechen wird: »Es darf doch nicht an die Öffentlichkeit kommen, daß Max mit Truden ein Verhältnis gehabt hat«? Von den politischen Überzeugungen dieser Kreise schon gar nicht zu reden. Und so bekommen wir in literarischen Nachlässen meist die Meinung von Onkel Oskar zu hören. Es ist, wie wenn Christiane Vulpius darüber zu entscheiden gehabt hätte, was von Goethe gedruckt werden sollte und was nicht.

Was hat das Nietzsche-Archiv mit Nietzsche getrieben! Das Archiv und seine Leute sind schuld daran, daß die Weltmeinung Nietzsche für einen der deutschen Kriegsanstifter gehalten hat, zu welcher Auslegung allerdings die Verschwommenheit seiner Diktion beigetragen hat. Dieses Archiv ist ein Unglück.

Man schrieb mir von dort, meine Sätze über Frau Förster-Nietzsche durch Tatsachen widerlegbar; dem Brief waren einige Drucksachen und einige mäßig stilisierte Beschimpfungen angefügt. Ich habe beides ad acta gelegt. Daß Frau Förster-Nietzsche Briefe und Manuskripte ihres vergeblich mehreren Universitäten angeboten hat,[9] beweist nichts gegen das, was sie später mit diesen Skripturen getrieben hat. Was hat sie getrieben –?

Man lese das in den beiden Nietzsche-Publikationen E. F. Podachs nach: ›Nietzsches Zusammenbruch‹ (erschienen bei Niels Kampmann in Heidelberg) und ›Gestalten um Nietzsche‹ (erschienen bei Erich Lichtenstein in Weimar).

Von zwei Dingen soll hier kaum gesprochen werden.

Nicht von dem tiefen Gegensatz, der zwischen Nietzsche und seiner Schwester bestand und bestanden haben muß: viele, viele Briefstellen zeigen ihn auf. Die Frau hat den Kranken sicherlich aufopfernd gepflegt; in Briefen an Freunde schreibt jeder einmal harte Worte über seine Familie . . . das geht die Öffentlichkeit zunächst nichts an. Ernster wird das schon, wenn eben dieselbe Schwester, über die der Bruder gestöhnt, geschimpft und gejammert hat, sich als seine geistige Testamentsvollstreckerin aufspielt. Und noch ernster wird es, wenn sich die Frau des Rauschebarts Bernhard Förster, eines Radauantisemiten, der die Urwälder Südamerikas durchbrüllen wollte, aber nur Pleite machte – worin sie sich anmaßt, ihren Bruder im Sinne muffiger Familientradition zu monopolisieren, wie sie es jahrzehntelang beinah ungestraft hat tun können. Sie hat aus guten Gründen den Gegensatz zwischen sich und dem Bruder verhüllt; sie mußte es tun.

Sie hat, zweitens, versucht, die wahrscheinliche Ursache der Krankheit Nietzsches, die Peter Gast oft beim Namen genannt hat, zu verhüllen; das mag verständlich sein. Damals galt Syphilis noch als eine Schande, man sprach nicht gern davon, hatte sie infolgedessen häufiger als heute . . . die Tricks der ehemaligen Archivleiterin waren armselig, Spirochäten der Tugend wimmelten durch die heiligen Hallen, und es war recht kindisch. Die Herren Gegner, die ihren geistigen Wassermann an dem großen Toten ausprobierten, waren auch nicht erquicklicher – gehen wir über diesen Streit der verschieden gefärbten Bürger zu wichtigerem über.

Unerträglich bleiben die grauenvollen Predigttexte der Schwester, die der Werk Nietzsches voranprangten, das herzinnige und neckisch-heroische Geschwafel einer im Irrgarten der Philosophie herumtaumelnde Dame. Schwesternliebe –? Erzählt doch nichts! Wie ganz anders dingt das, wenn zum Beispiel die Mutter spricht. Die begriff ihren Sohn zwar auch nicht, doch wie elementar und rührend ist sie!

Nietzsche hat einmal geschrieben:

Du liefst zu rasch:

jetzt erst, wo du müde bist,

holt dein Glück dich ein –

Die Mutter, die dies aus der Handschrift entzifferte, setzte hinzu: »Ja, er ist zu rasch gelaufen in seinem ganzen Leben, das liebe, liebe Kind!« – Ich habe etwas Ähnliches mit der Mutter von Toulouse-Lautrec[10] erlebt. Mütter brauchen nicht studiert zu haben, um ihr Kind zu verstehen. Sie lieben.

Viele Nietzsche-Forscher klagen darüber, daß das Archiv es ihnen nicht leicht gemacht habe. Sie bekommen nicht alles zu sehn – vielleicht schon deshalb nicht, weil gar nicht mehr alles da ist. Fräulein Nietzsche, wie die ehemalige Leiterin in den alten Briefen genannt wird, hat aus ihrem Bruder mit Gewalt das machen wollen, was sie an ihm begriff – und viel war das nicht. Schaden genug hat sie durch schiefe Auswahl, durch einseitige Heranziehung von Mitarbeitern und durch Züchtung einer Schar verzückter Adepten angerichtet. Sie gibt auch zu Teile des ›Ecce homo‹ vernichtet zu haben, sie erschienen ihr krankhaft. Und so gesund wie der Urwaldteut Bernhard Förster aus Bayerisch-Wallhall waren sie ja wohl nicht. Doch wer hat sie danach gefragt? Wir wollen nicht die Werke Lieschen Försters, sondern die Werke Friedrich Nietzsches lesen. Ich kann mir denken, daß eine Schwester gewisse Schriften ihres Bruders für dreißig Jahre in den Schrein legt . . . was aber bedeutet ihre dreiste Kritik? Dieses Urheberrecht ist eine Schande.

Nun trägt Fräulein Nietzsche die Schuld nicht allein.

Seid mißtrauisch, wenn sich um einen Künstler weibliche und männliche alte Jungfern scharen! »Wir schaffen erst die Luft, in der das Werk des Künstlers . . . « ich weiß schon. Theodor Fontane hat einmal gesagt: Mir sind Erzähler von Gespenstergeschichten sehr suspekt, die erst die Lampen herunterschrauben und die Tür verschließen, damit kein mit Apfelsinensalat eintretendes Dienstmädchen die Pointe verdirbt – und er hat sehr recht gehabt. Aufgeblähtes Mittelmaß braucht sein Bayreuth; ein Großer kann auf einem offenen Markt wohl deplaciert wirken, aber auf die Verstehenden wirkt er überall. Nur Schwächlinge tun esoterisch. Seid mißtrauisch! Denn es kristallisiert sich ja um einen Kern stets was? Das ihm Wesensverwandte. Eine Bach-Gemeinde von tobsüchtigen und augenverdrehenden Narren ist nicht denkbar. Schon um George qualmt und schwärmt es verdächtig; was sich um das Nietzsche-Archiv gruppiert hat, ist eine Bitternis.

Podach zeigt sehr gut, was Peter Gast für Nietzsche gewesen ist. Er war ihm ein Freund, der sich seiner zweiten Rolle stets bewußt gewesen ist. Nun liebte Nietzsche die Draperie; zum Teil war er selbst eine. Ein merkwürdiges Parfum weht da herüber.

Peter Gast hieß gar nicht Peter Gast; er hieß, so leid es mir tut, Köselitz. Warum sott einer nicht Köselitz reißen? Daß er aber auch ein Köselitz gewesen ist, zeigt seine Kriegshaltung. Der Mann ist im Jahre 1918 gestorben, hat also die große Zeit, wo die Franzosen ohne den ›Faust‹ im Tornister den Krieg gewonnen haben, noch miterlebt. Der Dreck, den Gast damals unter Musik setzte; seine Briefe, aus denen die Kriegsbegeisterung eines nicht eingezogenen Mannes über fünfundvierzig[11] schäumt, quillt und mit Verlaub zu sagen herausbricht –: also für Nietzsche spricht ein solcher Freund kaum. Aber Nietzsche wollte keinen Köselitz sehn, sondern nur einen Peter Gast; so wie Stefan George von seinem ersten Mäzen Karl August Klein ums Verrecken nicht anders als von »Carl August« spricht. Nehmen Sie klassisch – das hebt Ihnen.

Was nun vor allem aus diesen beiden sehr lehrreichen Büchern Podachs hervorgeht, ist die Aufblähung aller Ereignisse und Menschen, auf die Nietzsche traf. Fast alles hat in diesem Leben einen fetten Anilinglanz; vieles ist um drei Nummern zu groß, es schlappt um den Philosophen herum . . . und wenn man genauer hinsieht, war es alles halb so schlimm. Nietzsche hat Freunde gehabt, die seinem Flug nicht zu folgen vermochten, doch sahen sie, in welcher Weise er flog. »Der Philister«, sagt Hebbel, »hat manchmal recht, aber nie in den Gründen.«

Zerwürfnisse und Freundschaften, Auseinander und Zueinander . . . sie sind von Nietzsche stets behandelt worden wie kleine Weltgeburten und größere Weltuntergänge. Das meiste wurde überwertig aufgefaßt, maßlos überhitzt, bis zur klaren Lüge. Von der verlognen Unklarheit ganz zu schweigen. Man lese etwa jene bekannte Vita, die Nietzsche an Brandes geschickt hat:

»Vita. Ich bin am 15. Oktober 1844 geboren, auf dem Schlachtfelde von Lützen. Der erste Name, den ich hörte, war der Gustav Adolfs. Meine Vorfahren waren polnische Edelleute (Niezky); es scheint, daß der Typus gut erhalten ist, trotz dreier deutscher ›Mütter‹. Im Auslande gelte ich gewöhnlich als Pole; noch diesen Winter einzeichnete mich die Fremdenliste Nizzas comme Polonais. Man sagt mir, daß mein Kopf auf Bildern Matejkos vorkomme. Meine Großmutter gehörte zu dem Schiller-Goetheschen Kreise Weimars; ihr Bruder wurde der Nachfolger Herders in der Stellung des Superintendenten Weimars.

. . . Von Ostern 1869-1879 war ich in Basel; ich hatte nötig, mein deutsches Heimatrecht aufzugeben, da ich als Offizier (reitender Artillerist) zu oft einberufen und in meinen akademischen Funktionen gestört worden wäre. Ich verstehe mich nichtsdestoweniger auf zwei Waffen: Säbel und Kanonen – und vielleicht noch auf eine dritte . . . Auch bin ich, meinen Instinkten nach, ein tapferes Tier, selbst ein militärisches.«

Dazu Erwin Rohde am 10. April 1890:

»Seltsam ist, daß er (Brandes) als Personalnotizen z. T. Sachen bringt, die an Nietzsches kranke Einbildungen unmittelbar vor dem Ausbruch des Übels erinnern: so die Sage von den ›polnischen Edelleuten‹ (die dann protestantische Pastoren werden!), die eigentümliche Wichtigkeit, die der Artilleriedienst angeblich in Nietzsches Leben gehabt haben soll (woran ja tatsächlich gar nichts ist: er[12] wurde nach einem gefährlichen Sturz mit dem Pferde als Invalide entlassen, und damit war es aus).«

Gegen das geblähte Pathos der Vita gehalten, ist solche Briefstelle gradezu erfrischend. Der Berliner Nicolai vermochte gegen den Werther nichts, aber es gibt Darsteller ihres eignen Lebens, denen der Zuruf gut täte, der einst von der Galerie des berliner Schauspielhauses einer Lady Macbeth entgegenscholl, als sie unvorsichtig mit einer Kerze umging: »Macbethn, Sie drippen ja!« Nietzsche drippte.

Für diese Erkenntnis leistet ein Heft der ›Süddeutschen Monatshefte‹, die ich nur mit äußerster Überwindung zitiere, gute Dienste. Josef Hofmiller, einst ein guter Europäer, heute ein guter Bayer, bringt reichliches und authentisches Material. So wenn er erzählt, wie Brandes einmal an Nietzsche vier Adressen gab: Strindberg, die Witwe Bizets, die Fürstin Tenischeff, den Fürsten Urussow. Darauf Nietzsche:

»Ich habe meine Leser überall, in Wien, in St. Petersburg, in Kopenhagen und Stockholm, in Paris, in New York.« In jeder Stadt einer, zusammen sechs, fügt Hofmiller mit Recht hinzu.

Schon manche Freunde Nietzsches haben ihn gut erkannt, sehr gut Erwin Rohde. Wieviel Ressentiment da im Spiel gewesen ist, mögen andre untersuchen, und es ist Ressentiment im Spiel gewesen. Was aber geschieht auf der Welt ohne das! Für Rohde war Nietzsche eine Art Mahnung an ein Leben, das Rohde ersehnt hat, aber zu leben nie gewagt hatte, vielleicht hätte er es auch gar nicht können, und darum blendet manchmal ein Strahl Haß auf; es gibt solche Freundschaften.

Rohde über ›Jenseits von Gut und Böse‹: »Dabei ist mir die ewige Ankündigung ungeheurer Dinge, haarsträubender Kühnheiten der Gedanken, die dann, zu langweiliger Enttäuschung des Lesers, gar nicht kommen – das ist mir unsagbar widerwärtig.« Und später: »Alles rinnt einem wie Sand durch die Finger.« So ist es.

Rohde stand mit dieser Beurteilung nicht allein. Man beschimpfe solche Kritiker nicht, etwa dadurch, daß man sie als Spießer abtut – sie waren es nicht.

Auch Karl Hillebrand war keiner. Dieser Hillebrand, der einst in Paris Sekretär Heinrich Heines gewesen war, schreibt am 16. September 1883 über den ›Zarathustra‹.

»Ich schrieb ihm (Nietzsche) sofort ein paar Zeilen nach Rom, wo er sich grade aufhielt, und dachte, sein Büchlein mit auf die Reise zu nehmen; aber meine Frau hatte es, in ihrer Weise, versteckt, weil sie fürchtete, es möchte mich aufregen. Das tats nun gar nicht. Ich finde wirklich Bewundernswertes, gradezu Großes darin; aber die Form läßt keine rechte Freude aufkommen. Ich hasse das Aposteltum und die Apostelsprache; und gar diese Religion, als der Weisheit letzter Spruch, bedarf der Einfachheit, Nüchternheit, Ruhe im Ausdruck.«[13]

Der falsche Klang auf der Orgel des Philosophen ist gut herausgehört; es gibt auch Klangreichtum aus Schwäche.

Fräulein Nietzsche hat den Bruder verniedlicht – es rächte sich bitter.

Einige Analphabeten der Nazis, die wohl deshalb unter die hitlerschen Schriftgelehrten aufgenommen worden sind, weil sie einmal einem politischen Gegner mit dem Telefonbuch auf den Kopf gehauen haben, nehmen Nietzsche heute als den ihren in Anspruch. Wer kann ihn nicht in Anspruch nehmen! Sage mir, was du brauchst, und ich will dir dafür ein Nietzsche-Zitat besorgen. Bei Schopenhauer kann man das nicht ganz so leicht; man kann es gar nicht. Bei Nietzsche . . .

Für Deutschland und gegen Deutschland; für den Frieden und gegen den Frieden; für die Literatur und gegen die Literatur – was Sie wollen. Wir wollen aber gar nicht.

Podach hat das große Verdienst, trotz den Verneblungsversuchen des Archivs die Gestalt Nietzsches klar hervortreten zu lassen. Und je klarer sie hervortritt, um so klarer wird:

Ein großer Schriftsteller mit großen literarischen Lastern. Ein schwacher Mensch. Ein verlogener Wahrheitssucher: ein Freund der Wahrheit und ein Schwippschwager der Lüge. Ein Jahrhundertkerl, der in seiner etwas kokett betonten Einsamkeit gewaltige Prophezeiungen niedergeschrieben hat. Aber grade das, um dessentwillen er heute so tausendfältig zitiert wird, grade das kann ich nicht finden, dieses eine nicht: Kraft nicht.

Kraft –? Er prahlt mit der Kraft, er protzt mit ihr, er stellt den Gipsabguß eines Bizeps ins Schaufenster. Geh nicht in den Laden; das Aushängeschild ist seine ganze Ware, mehr hat er nicht. Es ist einmal davon die Rede gewesen, daß jener Satz: »Wenn du zum Weibe gehst . . . « auch so aufgefaßt werden könnte, daß der Frauenbezwinger einen Wagen zieht, auf dem peitschenschwingend die Frau, eine Frau seines Lebens, steht . . . dieser Nietzsche wäre, tausend Grade tiefer, ein treuer Kunde der Salons gewesen, in denen ältere Bankdirektoren von stellungslos gewordenen Nähmädchen für gutes Geld ungeheure Prügel beziehen. Er hat aus der Sehnsucht nach der Peitsche eine Weltanschauung gemacht.

Er war für die Entfaltung von Kraft sehr empfindlich, aber er hatte keine, der flotte Manische. Ein berauschtes Gehirn. Kein trunknes Herz. In einem Teil seines Wesens auch er: Fräulein Nietzsche.


Unterdrückte Stellen und verbrannte Briefe; verloren gegangne Karten und nicht mehr auffindbare Zettel . . . und das alles, weil das Urheberrecht die Verfügung über Chaotisches Tante Minchen anheimgibt. Die Unterschrift, mit der die Mutter Nietzsches die Urheberrechte auf[14] die Tochter übertragen hat, ist ihr, wie geschrieben steht, »blutsauer« geworden. Dann war da noch der Doktor Langbehn, ein Schweißfuß und Nebelkönig, der drauf und dran war, sich der Person und der Werke Nietzsches zu bemächtigen . . . um ein Haar ist das vorübergegangen. Solchen Zufällen sind die postumen Werke Geistiger ausgesetzt.

Frau Förster-Nietzsche aber versinkt im Dunst ihrer billigen Opferschalen. Wenn ihr Mißwirken zur Folge haben sollte, daß es keinem braven Familienvater und keiner Tante Minchen mehr möglich sein wird, wie heute noch im Falle Oskar Panizza, ungedruckte Handschriften für immer zu unterdrücken –: dann ist ihr Leben nicht umsonst gewesen, und wir dürfen der alten Dame herzlichst danken.


  • · Ignaz Wrobel
    Die Weltbühne, 12.01.1932, Nr. 2, S. 54.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 9-15.
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