Zweite Szene

[101] Mangolds Lager. Graf Mangold und der Bischof Warmann treten auf.


WARMANN.

Im Lager muß ich, Neffe, dich begrüßen.

Du gehst dein Schloß vorüber, lässest mich

Zu Konstanz harren; unaufhaltsam eilst

Du an der Spitze deiner Kriegsmacht vor.

MANGOLD.

Mein Auftrag heischt so schleunigen Vollzug.

WARMANN.

Und nicht gedenk ich, dich darum zu schmälen.

Durch Regenschauer und durch Sonnenschein

Ist mächtig dir das Glück herangereift;

Selbst was noch jüngst im fernesten Gebiet

Der Wünsche lag, was ein bedachter Sinn,

Der Kühnes meidet, still in sich verschloß,

Ist jetzt uns überraschend nahgerückt

Und will vernehmlich ausgesprochen sein.

MANGOLD.

Die günst'ge Stunde werd uns nicht versäumt!

Was ist's?

WARMANN.

Indes die kaiserliche Huld

Das Schicksal Ernsts in deine Hand gelegt,

Indes der wüste Friedensstörer schon

Von deinen Scharen fast umschlossen ist,

Indes verkündet jedem schwäb'schen Gau

Ein dumpf Geläute Herzog Hermanns Tod.

Wer soll nun Herzog werden? Wem vertraut

Der Kaiser? Welches Haus in Schwaben kennt

Er als das treueste? Für welches spricht

Das ältste Recht, das neueste Verdienst?

MANGOLD.

Daß unsres vom erlauchten Burkhard stammt,[101]

Daß es in Schwaben Herzogswürde trug,

Wohl weiß ich's, und du selber schaltest oft

Den kühnen Stolz, den ich darob gezeigt.

WARMANN.

Ich schalt, was sich zur Unzeit offen gab.

Doch wenn du nun den letzten Abkömmling

Des welken Fürstenstammes niederwirfst,

Wenn über dem zertretnen Wappenschild

Du siegreich stehest und den deinen hebst,

Dann ...


Eine Wache tritt auf.


WACHE.

Herr, ein fremder Kriegsmann bittet Euch

Um Zutritt und um sicheres Geleit.

MANGOLD.

Bring ihn!


Die Wache ab.


WARMANN.

Brauch Vorsicht, Neffe!

MANGOLD.

Was soll mir

Der einzle Mann?


Werner tritt auf.


Wer bist du?

WERNER.

Kennst du mich?

WARMANN.

Verwegner!

MANGOLD.

Wenn die Reue nicht dich treibt,

Welch toller Mut führt dich vor mein Gezelt?

WERNER.

So ist's doch wahr, was ich nicht glauben wollte,

Bis ich mit eignen Augen es gesehn,

Daß du, Graf Mangold, dem verwandtes Blut

Mit meinem durch die Adern rollt, daß du

Den Herzog, deinen rechten Herrn, nicht bloß

Verlassen hast, nein, daß du ihn verfolgst,

Daß du an der Verfolger Spitze stehst!

MANGOLD.

Mit welchem Recht du mich zur Rede stellst,

Das möcht ich wissen.

WERNER.

Mit dem Recht des Bluts.

Es rühmen sich die Männer des Geschlechts,

Von dem sie stammen, und ruhmwürdig ist's,

Wenn Kraft und Tugend weithin sich vererbt,

Wenn vor dem Sohn des Vaters Beispiel glänzt,

Wenn unter Brüdern edler Wettkampf brennt,

Wenn jeder eifersüchtig wacht und ringt

Für solchen Adels unbefleckten Glanz;[102]

Und daraus fließt das Recht mir und die Pflicht,

Dich abzumahnen von verkehrter Bahn.

MANGOLD.

Geziemt es dir, mich abzumahnen, dir,

Dem Landsverwiesnen, dem Geächteten,

Der unsres Stammes Auswurf ist ...

WERNER.

Dem du

Ins Auge nicht zu blicken dich erkeckst.

Dein Blut, das ich gemahnt, hat sich empört

Und hat die Wange dir mit Scham gefärbt;

Folg dieser Regung, laß den bessern Trieb

Dich ganz ergreifen! Sei der Väter wert!

Ja, Mangold, wenn du nicht den Feinden Ernsts

Mit Leib und Seele schon verfangen bist,

Wenn dir zur Ehre noch die Rückkehr blieb,

So tritt zurück, aufrichtig, sonder Scheu!

Die Lehn, die dich verpflichten, gib sie heim!

Die eitle Gnadenkette, wirf sie ab!

Der schnöden Hauptmannschaft, die dich entehrt,

Die deinen Stamm befleckt, entschlage dich!

Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst,

Er trägt nicht Gold, er trägt nicht Fürstengunst,

Er bringt Verbannung, Hunger, Schmach und Tod,

Und doch ist dieser Dienst der höchste Dienst;

Ihm haben unsre Väter sich geweiht,

Ihm hab auch ich mein Leben angelobt,

Er hat mich viel gemühet, nie gereut.

Für diesen Dienst, Graf Mangold, werb ich dich;

Du wirst mir folgen.

WARMANN.

Halt, Vermessener!

Willst du Verrat hier stiften? Hoff es nicht!

Die Scharen, die du rings gelagert siehst,

Sind treu dem König wie Graf Mangold selbst.

WERNER.

Mit diesen Söldnern hab ich kein Geschäft,

Sie mögen tun, wofür man sie bezahlt.

Auch hab ich nichts mit dir; du bist ein Mönch,

Du bist ein toter Schößling unsres Stamms;

An dir nicht üb ich der Verwandtschaft Recht.

Zu Mangold sprech ich: er vielleicht wird einst

Stammvater eines grünenden Geschlechts;

Drum ziemt es mir zu sorgen, daß er nicht

Verräter zeuge, Schranzen, Mietlinge.[103]

WARMANN.

Graf Mangold, kaiserlicher Feldhauptmann,

Zu lange schon hörst du es mit Geduld,

Wie dieser Freche, dieser Rasende

Dich selbst und deines Amtes Würde schmäht;

Zu lange schon mißbraucht er dein Geleit,

Das dem Rechtlosen du nicht schuldig bist.

MANGOLD.

Von hinnen, Werner! Du erschienst zu spät:

Ich bin geschleudert, und ihr seid zermalmt.

WERNER.

Ich geh. Erfüllt hab ich der Mahnung Pflicht;

Noch eine heischet unser Stamm von mir,

Auch der will ich genügen. Wenn dem Aar

Der Seinen eines aus den Lüften fällt,

So schießt er nieder und vertilgt's: wenn du

Mir in der Schlacht begegnest, sieh dich vor!


Ab. Mangold und Warmann in das Gezelt.


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 2, München 1980, S. 101-104.
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