[137] Ludwigs Lager bei Ampfing. Gegen den Vordergrund das königliche Zelt.
Thomas, Bäcker von München, mit Schwert und Pickelhaube gewaffnet, steht vor einem Zelt. Steffen, sein Sohn, den Bündel auf dem Rücken, kommt aus dem Hintergrunde.
THOMAS.
Dort kommt mir einer durch die Lagergasse,
Er ist von unsrer Zunft, ein Sauerbeck;
Den sollt ich kennen; freilich, muß ja wohl:
Ist's doch mein Sohn, mein eigen Blut, mein Steffen!
Gott grüß dich, Steffen!
STEFFEN.
Grüß Euch, Vater Thoms!
THOMAS.
Das laß dir gut sein, Steffen!
STEFFEN.
Was denn, Vater?
THOMAS.
Daß du nicht blieben bist in Feindesland.
STEFFEN.
Mir ging's halt wohl zu Wien: ein frommer Meister,
'ne gute Kost ...
THOMAS.
Man sieht's, hast zugelegt.
STEFFEN.
Da hört ich, daß die Münchner ziehn ins Feld;
Da ward mir's heiß im Ofen, macht es kurz,
Den Bündel schnürt ich ...
THOMAS.
Nun, jetzt bist daheim.
Sieh! hier ist München; dieses große Zelt,
Das ist das Schloß, da wohnt der König drin,[137]
Der Ludwig; und die Zelte da herum,
Das ist die Stadt, da wohnen unsre Bürger,
Und er wohnt mitten drin just wie zu München,
Er hat die Stadt mit sich genommen wie
Die Schneck ihr Haus. Das wollt ich fragen, ei!
Was gilt das Korn da drunten?
STEFFEN.
Dürft mir glauben,
's gilt dort nicht halb so viel wie hierzuland.
THOMAS.
Ja, hier ist teure Zeit.
Halblaut.
Der Bäcker selbst
Gewinnt nichts mehr; ist Feierabend jetzt,
Gibt nichts zu backen mehr.
STEFFEN.
Der leid'ge Krieg
Währt gar zu lang.
THOMAS.
Jawohl, die beiden Herrn,
Sie tun sich alles bittre Herzeleid.
STEFFEN.
Ist halt nicht recht; sind doch gesippte Freunde!
THOMAS.
Sind leibliche Geschwisterkinder; doch
Bei solchen Herren kommt's darauf nicht an.
Weißt du, wie's angegangen ist?
STEFFEN.
Wie denn?
THOMAS.
Der Ludwig ward zu Aachen in der Kirche
Gekrönt, wie sich's gehört, der Friedrich aber
Im Stoppelfeld, und weil kein Thron da war,
Mußt er sich auf ein Mehlfaß niedersetzen.
STEFFEN.
Zu Wien, da sagten sie, der Ludwig sei
Nicht mit der rechten Krone ...
THOMAS.
Das macht nichts.
Der Ludwig trieb den Friedrich aus dem Feld.
Dem Friedrich ging es schlimm und seinen Rittern,
Denn keine Stadt wollt ihnen Herberg geben;
Sie hätten viel fürs schwarze Brot gezahlt,
Sie mußten Rüben aus den Äckern rupfen.
STEFFEN.
Der Friedrich aber sei in kurzer Frist
Zurückgekommen mit gewalt'ger Schar,
Und bei'ner Stadt (sie heißen's Speyer) habe
Der Ludwig auf dem Judenkirchhof sich
Behelfen müssen.
THOMAS.
Friedrich, der ging fehl,
Als er mal in ein bayrisch Lager kam[138]
Statt in sein eignes. Damals sagt' er nicht,
Er sei der König.
STEFFEN.
Dann zu Schillingsfürst
Sei Ludwig unsanft aufgewacht, als schon
Die Dielen brannten. Wieder anderswo
Da sei das Wasser angelaufen ...
THOMAS.
Meinst
Bei Landsberg?
STEFFEN.
Daß der Ludwig bis zum Bart
Im Nassen stand.
THOMAS.
Ist nichts, nur bis ums Knie.
Bist österreichisch worden? Scheint mir fast.
STEFFEN.
Warum bin ich herausgelaufen, Vater,
Wenn ich kein Bayer bin? Doch sprecht nur fort!
Erzählt mir weiter von dem großen Krieg!
THOMAS.
Weißt du's von Eßlingen?
STEFFEN.
Das weiß ich nicht.
THOMAS.
Dort lagen sie einander gegenüber
Und, als man abends dann von beiden Seiten
Die Gäul im Neckar in die Schwemme ritt,
Da hub sich mitten in dem Strom ein Krieg,
Davon bei hundert Ross' erstochen wurden
Und stundenweit der Neckar floß wie Blut.
STEFFEN.
Das ist ein Graus.
THOMAS.
Ja, das ist eine Not.
Das Allerschlimmste kommt uns aber noch;
Den Rüben und den Gäulen gilt's nicht mehr,
Jetzt gilt's den Männern. Dort bei Mühldorf drüben,
Da steht der Feind, und gestern abend ist
Der alte Kriegshauptmann hier angelangt,
Der Schweppermann von Nürnberg.
Im Hintergrunde erscheint Ludwig mit dem Burggrafen und Schweppermann.
Steffen, schau!
Dort kommt er mit dem König. Auch der Burggraf
Von Nürnberg ist dabei. Da ist's nicht richtig,
Die kneten was zusammen. Ja, der Alte
Versteht das Handwerk; wo man den erblickt,
Da geht was los.
STEFFEN.
So komm ich eben recht.[139]
THOMAS.
Gib acht, man wird dir Arbeit geben, Bursch!
Streif nur die Ärmel auf!
STEFFEN.
Jetzt geht's aufs Ziel.
Wir fehlten noch, der Schweppermann und ich.
Thomas und Steffen treten in ein Zelt, während die andern näherkommen. Schweppermann stellt sich seitwärts und sieht, ohne an dem Gepräche teilzunehmen, zwischen den Zelten hinaus.
LUDWIG.
Habt Dank, Herr Burggraf, daß Ihr diesen Mann
Mir zugeführt! Mit Sehnsucht harrt ich sein.
Der Böhmenkönig kam mit seinem Heer,
Der Erzbischof von Trier mit seinen Scharen,
Fußvolk und Reiterfähnlein zogen stündlich
Ins Lager ein, nur ihn vermißt ich noch.
Ist denn ein König nicht der Geist, der alles
Zu überschauen und zu ordnen weiß?
Ist großer Hülfsmacht nicht der eine gleich,
Der vieles aus dem wenigen erschafft?
Schon hat er ja so einfach und so klar
Den Plan der Schlacht mir hingebreitet, hat
Die Dinge so lebendig und gegliedert
Vors Auge mir gestellt, daß ich mit Staunen
Erkenne des Gedankens Siegerkraft.
SCHWEPPERMANN.
Ein schönes, breites Feld, die Vehenwiese,
Die Ströme wohlgeführt, die Höhn bequem.
BURGGRAF.
So stand er da, die Hand ans Kinn gelegt,
Mit unverwandtem, scharfem Auge spähend,
Als ich zu Nürnberg in sein Stüblein trat,
Ihn zu berufen zu dem Feldherrnamt,
Und wie er dort auf eine Tafel blickte,
Die er mit kecken Strichen sich beschrieben,
So faßt er hier die weite Gegend auf.
Sein frisches, mußeloses Alter schien
Mir längst für großen Endzweck aufgespart.
Warum auch sollten die Erfahrungen
So tatenreichen Lebens ungenützt
Zu Grabe gehen? Wenn sich lebensmüd
Ein Greis gottseligen Gedanken und
Bußfer'gen Übungen ergibt, der hat
Sich für die andre Welt schon angeschickt,[140]
Doch wer wie dieser stets von irdischen
Entwürfen, kriegerischen Planen glüht,
Der ist bestimmt, die grauen Locken noch
Zu krönen mit der letzten vollsten Tat.
SCHWEPPERMANN.
Heut war's zur Schlacht ein heller, luft'ger Tag.
BURGGRAF.
Ein Ritter sprengt heran.
LUDWIG.
Das ist der Pfleger
Von Neustadt, Albrecht Rindsmaul.
Albrecht von Rindsmaul tritt auf.
ALBRECHT.
Ist er hier,
Der König?
LUDWIG.
Hieher, Ritter Albrecht!
ALBRECHT.
Erlauchter Herr!
LUDWIG.
Was habt Ihr uns zu melden?
ALBRECHT.
Wir haben einen Boten aufgefischt,
Der diesen Brief zum Herzog Friedrich trug
Von Leopold. Lest selber!
SCHWEPPERMANN aufmerkend.
Ha, von dem!
LUDWIG nachdem er gelesen.
Ja, der hat Gutes vor! Er rückt heran
Mit großer Macht aus Schwaben und vom Rhein.
Nach Fürstenfeld hat er sich hingezogen
Und will vom Bruder wissen, wann und wo
Die Heere sich vereinigen sollen.
SCHWEPPERMANN.
Jetzt
Ist jeder Augenblick uns kostbar. Laßt
Das Heer sich scharen! Längst schon regt sich's drüben;
Der Bienenstock will lassen; jetzt ist's Zeit.
Wenn wir die Schlacht anbieten, kommen sie.
LUDWIG.
Jetzt, Schweppermann, leg ich in deine Hand
Des Reiches Schicksal und das meine. Keinem,
Mir selber nicht vertrau ich so wie dir:
Sei du, nächst Gott, der Lenker dieses Tags,
Der langen, schweren Streits Entscheidung bringt!
Hier hängt die Königsrüstung: trag sie du
Zum Zeichen deiner vollesten Gewalt!
SCHWEPPERMANN.
Dergleichen Harnischs bin ich ungewohnt.
LUDWIG.
So sollen meine Waffenträger dich
Begleiten mit dem königlichen Schmuck.[141]
Ich. aber will so, wie du hier mich siehst,
Im blauen Waffenrock zu Felde gehn;
Inmitte meines treuen Bayervolks
Will ich mitstreiten wie ein andrer Mann.
Mit weiser Umsicht ordne du das Heer!
Mit kräft'gem Eifer will es ich durchdringen.
Sei du das Haupt der Schlacht und ich das Herz!
Ludwig mit dem Burggrafen in das königliche Zelt, Schweppermann nach der entgegengesetzten Seite ab.
Buchempfehlung
Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.
640 Seiten, 29.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro