14. Prolog zu dem Trauerspiel
»Ernst Herzog von Schwaben«

[76] (Zur Feier der württembergischen Verfassung wurde am 29. Oktober 1819 auf dem Hof- und Nationaltheater zu Stuttgart das genannte Trauerspiel des Verfassers dieser Gedichte mit dem hier abgedruckten Prolog aufgeführt.)


Ein ernstes Spiel wird euch vorübergehn,

Der Vorhang hebt sich über einer Welt,

Die längst hinab ist in der Zeiten Strom,

Und Kämpfe, längst schon ausgekämpfte, werden

Vor euern Augen stürmisch sich erneun.


Zween Männer, edel, bieder, fromm und kühn,

Zween Freunde, treu und fest bis in den Tod,

Preiswerte Namen deutscher Heldenzeit,

Ihr werdet sehn, wie sie, geächtet, irren

Und, in Verzweiflung fechtend, untergehn.


Das ist der Fluch des unglücksel'gen Landes,

Wo Freiheit und Gesetz darniederliegt,

Daß sich die Besten und die Edelsten

Verzehren müssen in fruchtlosem Harm,

Daß, die fürs Vaterland am reinsten glühn,

Gebrandmarkt werden als des Lands Verräter

Und, die noch jüngst des Landes Retter hießen,

Sich flüchten müssen an des Fremden Herd.

Und während so die beste Kraft verdirbt,

Erblühen, wuchernd in der Hölle Segen,

Gewalttat, Hochmut, Feigheit, Schergendienst.


Wie anders, wenn aus sturmbewegter Zeit

Gesetz und Ordnung, Freiheit sich und Recht[76]

Emporgerungen und sich festgepflanzt!

Da drängen die, so grollend ferne standen,

Sich fröhlich wieder in der Bürger Reihn,

Da wirket jeder Geist und jede Hand

Belebend, fördernd für des Ganzen Wohl,

Da glänzt der Thron, da lebt die Stadt, da grünt

Das Feld, da blicken Männer frei und stolz;

Des Fürsten und des Volkes Rechte sind

Verwoben, wie sich Ulm und Reb umschlingen,

Und für des Heiligtums Verteidigung

Steht jeder freudig ein mit Gut und Blut.


Man rettet gern aus trüber Gegenwart

Sich in das heitere Gebiet der Kunst,

Und für die Kränkungen der Wirklichkeit

Sucht man sich Heilung in des Dichters Träumen.

Doch heute – wen vielleicht der Bühne Spiel

Verwundet, der gedenke, sich zum Troste,

Welch Fest wir wahr und wirklich heut begehn!

Da mag er sehn, für was die Männer sterben.


Noch steigen Götter auf die Erde nieder,

Noch treten die Gedanken, die der Mensch

Die höchsten achtet, in das Leben ein.

Ja! mitten in der wildverworrnen Zeit

Ersteht ein Fürst, vom eignen Geist bewegt,

Und reicht hochherzig seinem Volk die Hand

Zum freien Bund der Ordnung und des Rechts.

Ihr habt's gesehen, Zeugen seid ihr alle,

In ihre Tafeln grab es die Geschichte!

Heil diesem König, diesem Volke Heil!


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 76-77.
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