Neuntes Capitel.

[95] Wir sind genau mit der Minute abgefahren. Der Baron wird sich diesmal nicht zu beklagen haben. Uebrigens begreife ich seine Ungeduld Eine Minute Verspätung kann ihm den Anschluß an den Dampfer von Tien-Tsin nach Japan kosten.

Der neue Tag verspricht das Beste freilich nicht. So pfeift zum Beispiel ein so scharfer Wind, als müsse er die Sonne wie eine Stearinkerze auslöschen, einer jener Orkane, die, wie die Leute sagen, die Locomotiven der Groß-Transasiatischen Bahn zum Stehen bringen. Heute weht er zum Glück aus Westen und wird eher vortheilhaft sein, da er die Wagen von hinten packt. Man wird sich also auf den Plattformen aufhalten können.

Jetzt wünsch' ich nur mit jenem Chinesen Pan-Chao ins Gespräch zu kommen. Popof hat Recht; das muß der Sohn einer reichen Familie sein, der einige Jahre in Paris zugebracht – um zu lernen und sich zu amüsiren. Er dürfte einer der fleißigen »Five o'clocks«-Leser des »XX. Jahrhundert« gewesen sein.

Inzwischen habe ich mich auch noch mit anderen Dingen zu beschäftigen Da ist zuerst der Mann im Kasten. Leider muß ein ganzer Tag vergehen, ehe ich ihn seiner Unruhe entreißen kann. Der wird schön in Angst sein! Da es aber unklug wäre, am Tage in den Packwagen einzudringen, so muß ich schon wohl oder übel die Nacht abwarten.

Vergessen wir nicht, daß auch ein Gespräch mit Herrn und Frau Caterna auf meinem Programm vorgesehen ist. Das wird übrigens keinerlei Schwierigkeiten bieten.[95]

Nicht so leicht dürfte es sein, mich mit meiner Nummer 12, dem stolzen Seigneur Farusklar, in Verbindung zu setzen. Der Orientale scheint mir besonders eng zugeknöpft.

Zudem muß ich auch schnellstens den Namen des Mandarinen erfahren, der als Leichenpacket nach China zurückkehrt. Mit einiger Gewandtheit muß Popof diesen doch von einem der Perser, die Seiner Excellenz das Geleit geben, hervorlocken können. Ach, wenn das der Name eines Großwürdenträgers, etwa Pao-Wang oder Ko-Wang, des Vicekönigs der beiden Kiang, oder gar der Prinz King in Person wäre.

Während der ersten Stunden braust der Zug durch die Oase weiter. Bald werden wir uns in voller Wüste befinden. Der Boden besteht hier aus Alluvium, dessen Schichten sich bis in die Nähe von Merv hinziehen. Man muß sich schon an diese Eintönigkeit der Reise gewöhnen, die auch bis zur Grenze von Turkestan andauern wird: Oase und Wüste, Wüste und Oase, weiter nichts. Mit der Annäherung an das Hochland von Pamir verändert sich freilich die Scenerie. An landschaftlichen Reizen fehlt es dem geographischen Knoten nicht, den die Russen ebenso haben durchhauen müssen, wie jener Schlaukopf Alexander den Knoten, der das Ochsenjoch mit der Deichsel des Wagens Gordiums verband. Das brachte dem macedonischen Eroberer damals die Herrschaft über Asien ein .... Eine gute Vorbedeutung für die Herrschaft der Russen.

Doch, warten wir das Hochland von Pamir und seine wechselnden Bilder vorläufig ruhig ab. Jenseits desselben dehnen sich die endlosen Ebenen des chinesischen Turkestan aus und dann die ungeheure sandige Ebene der Wüste von Gobi, wo die Reise wieder ebenso eintönig wird, wie vorher.

Es war jetzt einhalbelf Uhr. Im Dining-car muß das Frühstück bald aufgetragen werden. Bis dahin wollen wir in der Hauptstraße des Zuges die gewohnte Morgenpromenade machen.

Wo steckt denn Fulk Ephrjuell? Ich seh' ihn nicht auf seinem Platze neben Miß Horatia Bluett, die ich nach höflicher Begrüßung darum befrage.

»Herr Fulk wollte einmal nach seinem Gepäck sehen«, antwortet sie mir.

Aha, sie ist schon so weit, ihn Herr Fulk zu nennen, und sicherlich wird es sehr bald nur noch einfach »Fulk« heißen!

Seit der Abfahrt haben sich der Seigneur Farnsklar und Ghangir im letzten Coupé des zweiten Waggons einlogiert. Jetzt sind sie allein und sprechen mit leiser Stimme.


Jetzt tritt auch der Baron aus dem »Dining-car«. (S. 103.)
Jetzt tritt auch der Baron aus dem »Dining-car«. (S. 103.)

Im Zurückgehen begegne ich Fulk Ephrjuell, der[96] sich wieder zu seiner Reisegenossin begiebt. Er drückt mir auf »Yankceart« die Hand. Ich sage ihm, daß Miß Horatia Bluett mir über ihn berichtet hat.

»O, ruft er, das ist ein tüchtiges Weib, eine Kaufmannsfrau ohne Gleichen! Eine jener Engländerinnen ...

– Die es verdiente, Amerikanerin zu sein! füge ich hinzu.

Wait a bit!« antwortet er lächelnd und mit entschieden vielversprechender Miene.[97]

Als ich hinausgehen will, bemerk' ich, daß die beiden Chinesen bereits im Dining-car gewesen sein müssen. Der Schmöker des Doctor Tio-King liegt noch auf einem der kleinen Tische.

Ich glaube nicht, daß es von einem Reporter allzu indiscret ist, das alte Buch aufzunehmen, es zu öffnen und den Titel zu lesen, der also lautet:

»Von dem nüchternen und regelmäßigen Leben, oder die Kunst lange Zeit in vollkommener Gesundheit zu leben.

Uebersetzt aus dem Italienischen von Louis Cornaro, Edelmann aus Venedig.

Vermehrt mit Angabe von Mitteln, um ein übles Temperament zu bessern, volle Glückseligkeit bis ins höchste Alter zu genießen, und nicht vor gänzlicher Aufzehrung der Säfte zu sterben, wenn diese im allerhöchsten Greisenalter erschöpft sind.


Salerno.

MDCCLXXXII.«


Das ist also die Lieblingslectüre des Doctor Tio-King und deshalb neckt ihn sein unehrerbietiger Schüler zuweilen spöttelnd mit dem Namen Cornaro!

Mir fehlt es an Zeit, in dem Band noch etwas andres zu sehen als sein Motto: Abstinentia adjicit vitam. Diesen Ausspruch des hochedlen Venetianers denk' ich mir aber gar nicht zur Richtschnur zu nehmen – mindestens nicht bezüglich des Frühstücks.

In der Platzvertheilung des Dining-car ist nichts verändert. Ich sitze wieder neben dem Major Noltitz, der den Seigneur Farusklar und dessen Begleiter – beide am untern Ende der Tafel – aufmerksam beobachtet. Wir fragen uns, was dieser Mongole mit dem stolzen Ausdruck wohl sein möge ....

»Halt, sag' ich, selbst über den Einfall lächelnd, der mir durch den Kopf schießt, vielleicht ist er gar ...

– Wer und was denn? unterbrach mich der Major.

– Der berühmte Räuberhauptmann ... der große Ki-Tsang in eigner Person ...

– Scherzen Sie immer zu, Herr Bombarnae, doch nur leise, das empfehle ich Ihnen dringend!

– Nun ja, Herr Major; Sie werden zugeben, daß das eine höchstinteressante Persönlichkeit wäre, die das eingehendste Interview verdiente.«

In dieser Weise scherzend, essen wir mit bestem Appetit. Das Frühstück ist vortrefflich, da die Speisekammer in Askhabad und in Duchak frisch versorgt[98] worden war. Als Getränk gab es Thee, Wein aus der Krim und Bier aus Kazan; als Fleischspeise Hammelcotteletten und zum Dessert ausgezeichnete Conserven, eine saftige Melone und Birnen, sowie Weintrauben erster Güte.

Nach dem Frühstück rauche ich meine Cigarre auf der hintern Plattform des Dining-car. Herr Caterna findet sich hier fast gleichzeitig ein. Offenbar hat das schätzenswerthe Mitglied diese Gelegenheit abgepaßt, zu mir in Beziehung zu treten.

Seine leuchtenden, aber halb geschlossenen Augen, sein glattes Gesicht seine an falsche Backenbärte gewöhnten Wangen nebst den an falsche Schnurrbärte gewöhnten Lippen, sein an knallrothe, schwarze, graue Perücken, mit oder ohne Glatze, je nach der Rolle gewöhntes Haupt – Alles kennzeichnet den zum Leben auf den Brettern geschaffenen Komödianten. Herr Caterna hat aber auch dabei einen offenherzigen Ausdruck und ein immer heiteres Gesicht, ehrbares Wesen und ungezwungene Haltung – mit einem Wort, man erkennt an ihm den Mann!

»Ist es denkbar, mein Herr, redet er mich an, daß zwei Franzosen von Baku bis Peking mit einander reisen, ohne Bekanntschaft zu machen?

– Mein Herr, antworte ich, wenn ich einem Landsmann begegne ...

– Der geborner Pariser ist, mein Herr ...

– Und folglich zweimal Franzose, füg' ich hinzu, würd' ich's niemals über mich bringen, ihm nicht einmal die Hand gedrückt zu haben. Also, Herr Caterna ...

– Sie kennen meinen Namen? ...

– So wie Sie jedenfalls den meinigen.

– Gewiß, Herr Claudius Bombarnae, Berichterstatter für das ›XX. Jahrhundert‹.

– Ganz recht, zu Ihren Diensten.

– Tausend Dank, Herr Bombarnae, oder vielmehr zehntausend Mal Dank, wie man in China sagt, wohin ich mich mit meiner Gattin begebe..

– Um in Shangai bei der Schauspielergesellschaft des französischen Theaters Vorstellungen zu geben ....

– Sie sind ja über Alles unterrichtet?

– Nun, ein Reporter!

– Ja, das ist richtig.[99]

– Ich erinnere mich auch, daß Sie sich einiger seemännischer Ausdrücke bedienten, und daß ich daraus schloß, Sie müßten schon einmal Seefahrer gewesen sein, Herr Caterna.

– Im richtigen Cours, Herr Reporter. Ich gehörte zur Schaluppenmannschaft des Admirals de Bolssondy an Bord des ›Redoutable‹.

– Da fällt mir aber auf, daß Sie, ein Seemann, nicht den Seeweg gewählt haben.

– Ah, Herr Bombarnae, das kommt daher, daß meine Frau, ohne Zweifel die erste Artistin des Landes, die keine Andere in den Wanten überholt – entschuldigen Sie, da schlägt mich der alte Matrose in den Nacken – die Keine als Soubrette und muntere Liebhaberin übertrifft, die Seefahrt nicht verträgt. Sobald ich dann von der Eröffnung der Groß-Transasiatischen Bahn erfuhr, sagt' ich zu ihr: ›Beruhige Dich, Caroline! Sorge Dich nicht mehr wegen des tückischen treulosen Elements! Wir reisen quer durch Rußland, Turkestan und China, ohne den festen Erdboden zu verlassen!‹ Das hat ihr wohlgefallen, meinem Püppchen, die so hingebend, so ... ich finde nicht das rechte Wort ..., kurz, eine Soubrette ist, die nöthigenfalls hochtragische Partien spielt, um einen Director nicht in der Tinte sitzen zu lassen. Eine Künstlerin, sage ich Ihnen, eine wirkliche, geborene Künstlerin!«

Dem Herrn Caterna hört sich's angenehm zu. Er »steht unter Druck«, wie die Mechaniker sagen, und man darf ihn nicht stören, den Dampf abblasen zu lassen. Ist es so auffallend, daß er seine Frau anbetet? Ich glaube gern, daß sie ihm nichts schuldig bleibt. Ein für einander geschaffenes Pärchen, das, wie ich von meinen Reisegenossen höre, niemals in Verlegenheit, niemals verzweifelt, sondern mit seinem Loose zufrieden ist, das weiter nichts liebt, als das Theater, vorzüglich das der Provinz, wo Herr und Frau Caterna flottweg Drama, Vaudeville, Komödie, Operette, komische Oper, große Oper, Uebersetzungen, Ausstattungsstücke und Pantomimen spielen, sich bei Vorstellungen, die um fünf Uhr Nachmittags beginnen und um ein Uhr Nachts enden, glücklich fühlen und die in den größeren Städten auf den vorhandenen Bühnen, sonst aber in den Rathhaussälen der kleineren Ortschaften, in den Scheunen der Dörfer auftreten, sobald sie nur den Staub der Fahrt abgeschüttelt haben, und die nun ihre Kunst zeigen, ohne weiteres Ensemble, ohne Orchester, zuweilen sogar ohne Publicum – was sie der Mühe überhebt, das Eintrittsgeld zurückzuzahlen – mit einem Wort, das sind Komödianten, denen jede Jacke paßt.[100]

In seiner Eigenschaft als Pariser ist Herr Caterna jedenfalls der Bruder Lustig des Vorderdecks gewesen, so lange er noch zur See fuhr. Geschickt mit den Händen wie ein Taschenspieler, und mit den Füßen wie ein Seiltänzer, dazu mit der Zunge oder den Lippen, die Töne aller Holz- und Messinginstrumente nachzuahmen, verfügt er über die mannigfachste Sammlung von Gassenhauern, Trinkliedern, patriotischen Gesängen, Monologen, bis hinab zu den Knalleffecten der Café-chantants. Das erzählt er mir mit hundert Gesten, einer unerreichbaren Mundfertigkeit, hin und her gehend, sich auf gespreizten Beinen wiegend, und mit Fußposen, als stünde er auf dem Podium eines Vorstadtrestaurants.

»Und wo waren Sie vor dem Weggange aus Frankreich? frage ich ihn.

– In la Ferté-sous-Jouarre, wo Madame Caterna einen glänzenden Erfolg in der Rolle der Elsa aus dem ›Lohengrin‹ hatte, den wir natürlich ohne Musik spielten. Es ist auch wirklich ein interessantes und schönes Bühnenstück!

– Sie müssen doch in der ganzen Welt umhergekommen sein, Herr Caterna?

– Das glaube ich! In England, Rußland, Nord- und Südamerika, ach, Herr Claudius ....«

Er nennt mich schon einfach Claudius.

»Ach, Herr Claudius, es gab eine Zeit, wo ich der reine Götze von Buenos-Ayres und ganz Rio de Janeiro war! Glauben Sie nicht, daß ich Ihnen Flausen vormache. Schlecht in Paris, bin ich doch ausgezeichnet in der Provinz. In Paris – da spielt man nur für sich selbst ... in der Provinz spielt man nur für andere Leute! Und dann mein Repertoire!

– Mein Compliment, lieber Landsmann!

– Ich danke Ihnen, Herr Claudius, denn ich liebe meinen Beruf. Was wollen Sie, es kann doch nicht Jeder beanspruchen, Senator oder ... Reporter zu sein! ...

– Das ist freilich schlimm, Herr Caterna, sagte ich lächelnd.

– Nein, das ist ganz in der Ordnung.«

Während der unerschöpfliche Mime nun seinen Rosenkranz weiter abbetete, fliegen zwischen zwei Pfiffen die Stationen an uns vorüber, darunter Kulka, Nisa-church, Kulla-Minor und andere ... alle sehr dürftig von Aussehen; nachher Bairam-Ali, siebenhundertfünfundneunzig, und Kurlan-Kala, achthundertfünfzehn Werst vom Ausgangspunkte der Bahn.[101]

»Wenn ich nichts verheimlichen soll, fährt Herr Caterna fort, so haben wir bei unserer Zickzacktournée von Stadt zu Stadt auch etwas Geld erworben. In unseren Koffern liegen einige Pfandbriefe der Nordbahn, auf die ich viel halte und die ich als sichere Anlage für die Zukunft ansehe. Und ehrlich verdient sind sie obendrein, Herr Claudius! Mein Gott, ich weiß es ja, obwohl wir zu Hause unter demokratischer Regierung, unter der Herrschaft der Gleichheit leben, ist doch die Zeit noch sehr fern, wo man den Bühnenvater zur Seite des Bürgermeisters wird beim Präsidenten des Appellationshofes speisen sehen, oder wo die Soubrette den Ball bei dem Gemeindevorstand mit dem commandirenden General eröffnet! Ja, ja, man speist und tanzt nur unter sich ...

– Und das ist darum nicht minder unterhaltend, Herr Caterna ....

– Nicht weniger als recht und gerecht, Herr Claudius!« erwiderte der zukünftige erste Komiker von Shangai, indem er eine imaginäre Halskrause mit der zwanglosen Haltung eines Hofherrn aus der Zeit Ludwigs des XV. schüttelte.

Da tritt auch Frau Caterna auf uns zu. Sie ist die würdige Gefährtin ihres Gatten, geschaffen und in die Welt gekommen, ihn im Leben wie auf der Bühne zu vervollständigen, eine Theaterdame, die weder Zierpuppe noch Lästerzunge ist, ein Kind, das den Fußstapfen seines Vaters folgte, jedoch geboren, man weiß nicht wo und fast nicht einmal wie – Alles in Allem aber doch eine hübsche Erscheinung.

»Ich beehre mich, Ihnen Caroline Caterna vorzustellen, sagt der Mime in einem Tone, als ob er mir die Patti oder Sarah Bernhardt zuführte.

– Nachdem ich die Hand Ihres Gatten gedrückt, sage ich, würde ich mich glücklich schätzen, auch die Ihrige drücken zu dürfen, Frau Caterna ....

– Hier ist sie, mein Herr, antwortet mir die Soubrette freimüthig, – hier, immer bereit und ohne Souffleur!

– Wie Sie sehen, keine Zierpuppe und die beste der Frauen ...

– Wie er der beste der Ehemänner ist!

– Das schmeichle ich mir, Herr Claudius, versetzt der Mime, und warum? Weil ich eingesehen habe, daß die Ehe vollständig mit der Vorschrift im Evangelium zusammenfällt, nach der die Männer zu sagen haben: Was die Frau liebt, davon bekommt der Mann häufig zu essen!«

Wahrlich, dieser wandelnde Komödiant war rührend anzusehen und unterschied sich sehr zu seinem Vortheil von der Hin- und Herrederei[102] über »Soll und Haben«, die da im Innern des Waggons noch kein Ende fand.

Jetzt tritt auch der Baron Weißschnitzerdörser mit einer Reisemütze auf dem Kopfe aus dem »Dining-car«, wo er, das ist meine Ueberzeugung, gewiß jede Minute zur Durchsicht der Fahrpläne angewendet hat.

»Aha, das Männchen mit dem lustigen Hute! rief Herr Caterna, nachdem der Baron, ohne uns eines Grußes zu würdigen, in den Wagen zurückgetreten ist.

– Das ist der richtige deutsche Bär! bemerkte Frau Caterna.

– Und da nennt Heinrich Heine diese Leute noch sentimentale Eichen! füg' ich hinzu.

– Dann hat er den hier nicht gekannt! antwortete Frau Caterna. Eine Eiche ... mag sein, doch sentimental ...

– Wissen Sie denn, weshalb der Baron jetzt die Groß-Transasiatische Bahn befährt?

– Doch, um in Peking Sauerkraut zu essen! scherzt Frau Caterna.

– Fehlgeschossen! Er ist hier als Rivale der Miß Nellie Bly. Er beabsichtigt, eine Reise um die Erde zu machen, und zwar in neununddreißig Tagen ...

– In neununddreißig Tagen! ruft Frau Caterna. Sie wollen sagen, hundertneunundreißig! Das ist kein Sportsmann, dieser Baron, keine Spur eines Sportmanns!«

Der Komödiant beginnt mit dem Tone einer Clarinette das bekannte Lied aus den »Glocken von Corneville«:


Dreimal hab' ich die Welt umreist ...


Dann, dem verschwindenden Baron nach:


Ich mache nicht einmal die Hälfte![103]

Quelle:
Jules Verne: Claudius Bombarnac. Notizbuch eines Reporters. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band LXII, Wien, Pest, Leipzig 1894, S. 95-104.
Lizenz:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon