[58] Die Expedition ging weiter nach Norden, aber das Ziehen der Schlitten auf dem unebenen Boden ermüdete die Hunde übermäßig. Die muthigen Thiere, welche am Anfang der Reise der Zügel der Führer kaum bändigen konnte, kamen nur noch langsam vorwärts, so daß ihnen mehr als zehn bis zwölf Meilen den Tag nicht zuzumuthen waren. Dennoch beeilte Jasper Hobson den Zug seines Detachements nach Möglichkeit. Es drängte ihn, an der Grenze des Sees des Großen Bären anzukommen und Fort-Confidence zu erreichen. Dort hoffte er manche für die Expedition wichtige Fingerzeige zu erhalten. Hatten die Indianer, welche das nördliche Ufer des Sees besuchen, auch schon die Gegenden in der Nachbarschaft des Meeres durchstreift? War das Eismeer zu jener Jahreszeit überhaupt offen? Das waren gewichtige Fragen, von deren zweifelloser Beantwortung die Zukunft der neuen Factorei abhing.
Die Gegend, welche die kleine Gesellschaft durchzog, war von einer großen Anzahl Wasserläufen, meist Zuflüssen der beiden großen Ströme, welche von Süden nach Norden laufend sich in den arktischen Ocean stürzen, durchschnitten. Diese waren, im Westen der Mackenzie-, im Osten der Coppermine-Strom. Zwischen diesen zwei Hauptpulsadern lagen Seen,[58] Lagunen und zahlreiche Teiche. Auf ihre schon im Aufthauen begriffene Oberfläche durfte man sich mit den Schlitten nicht wagen. Man mußte diese also umfahren, wodurch die Länge des Weges wesentlich vergrößert wurde.
Entschieden hatte Lieutenant Hobson Recht gehabt: der Winter ist die eigentliche Jahreszeit dieser hochnördlichen Länder; er macht sie wenigstens leichter passirbar. Mrs. Paulina Barnett sollte das noch bei mancher Gelegenheit bestätigt finden.
Diese unter dem Namen des »Verwünschten Landes« bekannte Gegend war übrigens, wie fast alle die nördlichen Gebiete des amerikanischen Festlandes, völlig verlassen. Die Bevölkerungsdichtigkeit ergiebt durch Rechnung noch nicht einen Menschen auf zehn Quadratmeilen. Die Bewohner bestehen, wenn man von den schon sehr verminderten Eingeborenen absieht, aus einigen Tausend Agenten oder Soldaten, welche den verschiedenen Pelzcompagnien angehören. Es drängt sich diese Bevölkerung mehr in den südlichen Districten und in der Nachbarschaft der Forts zusammen. Auf dem Wege des Detachements traf man also auf keines Menschen Spuren. Was von solchen in dem mürben Schnee noch gefunden wurde, rührte allein von Wiederkäuern oder Nagethieren her. Einige Bären wurden bemerkt; furchtbare Thiere, wenn sie zur Familie der Polarbären gehören. Immerhin erstaunte Mrs. Paulina Barnett über diese Seltenheit der Fleischfresser. Die Reisende dachte, in Erinnerung der Berichte von Ueberwinterungen, daß die arktischen Regionen sehr reich an dergleichen furchtbaren Thieren sein müßten, weil Schiffbrüchige oder Wallfischfahrer der Bassins-Bai, wie die von Grönland und Spitzbergen, regelmäßig von denselben angegriffen wurden, und sich hier kaum dann und wann ein solches Raubthier im Sehfelde der Gesellschaft zeigte.
»Warten Sie den Winter ab, Madame, erwiderte ihr Lieutenant Hobson; gedulden Sie sich bis zur Kälte, die den Hunger reizt, dann werden Sie vielleicht nach Wunsch bedient werden.«
Endlich kam die kleine Gesellschaft nach einem langen, anstrengenden Zuge am 23. Mai an der Grenze des Polarkreises an. Bekanntlich bezeichnet der vom Pole um 23°27'57'' entfernte Parallelkreis diejenige Linie, bis zu der die Sonnenstrahlen am kürzesten Tage nur reichen, wenn die andere[59] südliche Erdhälfte Sommer hat. Von dieser Stelle aus betrat die Expedition also frischen Muthes die Gebiete der arktischen Regionen.
Die geographische Breite war mittels der sehr seinen Instrumente, welche Thomas Black und Jasper Hobson gleich geschickt handhabten, sorgfältig aufgenommen worden. Mrs. Paulina Barnett, welche dabei zugegen war, hörte mit Vergnügen, daß sie nun den Polarkreis betrete. Es war das eine gewiß zulässige Eigenliebe von ihr.
»Sie haben bei Ihren früheren Reisen, Madame, bemerkte der Lieutenant, die beiden Tropenzonen durchwandert und begeben sich hiermit über den nördlichen Polarkreis. Wenige Forscher haben sich so verschiedenen Zonen ausgesetzt. Die Einen befassen sich, so zu sagen als Specialität, mit den warmen Ländern, und Afrika und Australien bilden das Hauptfeld ihrer Thätigkeit, z.B. eines Barth, Burton, Livingstone, Speke, Douglas und Stuart. Andere dagegen widmeten sich mit Vorliebe den noch so wenig bekannten arktischen Regionen, wie Mackenzie, Franklin, Penny, Kane, Parry und Raë, auf deren Wegen wir uns eben befinden. Alle Ehre also der Mrs. Paulina Barnett, der so kosmopolitischen Reisenden!
– Man muß Alles sehen, oder doch zu sehen suchen, Herr Hobson, erwiderte die Dame. Ich glaube, die Schwierigkeiten und Gefahren sind wohl unter jeder Zone gleich groß. In den Polarländern hat man die Fieber der heißen Zone nicht zu fürchten, so wenig, wie die gesundheitlichen Nachtheile der zu großen Hitze oder die Grausamkeit der Wilden, dafür ist wohl die Kälte ein ebenso schrecklicher Feind. Auf wilde Thiere stößt man in allen solchen Gegenden, und die Eisbären, denke ich, werden hier gegen Reisende nicht freundlicher sein, als die Tiger in Thibet oder die Löwen in Afrika. Ueber den Polarkreisen drohen also wohl die nämlichen Gefahren, wie unter den Tropen. Das sind eben Landstriche, welche sich lange der Erforschung durch den Menschen widersetzen.
– Ohne Zweifel, Madame, antwortete Jasper Hobson, aber ich glaube, daß das bei den hochnördlichen Gegenden am längsten der Fall sein wird. In den Tropengegenden sind es vorzüglich die Ureinwohner, deren Auftreten ein schwer zu beseitigendes Hinderniß bietet, und ich weiß, wie viele Opfer diesen afrikanischen Barbaren, welche doch ein civilisatorischer Krieg früher oder später einmal zu Paaren treiben wird, gefallen sind. In den arktischen und antarktischen Gegenden dagegen halten zwar keine Einwohner den[60] Schritt der Reisenden auf, sondern die Natur selbst errichtet eine unübersteigliche Schranke, die Kälte, die grausame Kälte, welche die Kraft des Menschen verzehrt.
– Sie glauben demnach, Herr Hobson, daß die heiße Zone bis in die unbekanntesten Theile Afrikas und Australiens eher bekannt sein wird, bevor die kalte Zone vollkommen durchforscht sein werde?
– Ja, Madame, antwortete der Lieutenant, und diese Ansicht scheint auch wohl begründet. Die kühnsten Entdeckungsreisenden in den arktischen Gegenden, wie Parry, Penny, Franklin, Mac Clure und Andere mehr, sind noch nie über den dreiundachtzigsten Breitengrad hinausgekommen, blieben also noch immer sieben Grade vom Pole entfernt. Dagegen ist Australien von Süden nach Norden schon mehrere Male, z.B. durch den unerschrockenen Stuart durchforscht worden, und Afrika, – das so furchtbare – hat Doctor Livingstone von der Loanga-Bai bis zur Mündung des Zambese durchzogen. Man hat also allen Grund zu der Annahme, daß die Gebiete der heißen Zone eher geographisch bekannt sein werden, als die der kalten.
– Sind Sie auch der Meinung, Herr Hobson, fragte Mrs. Paulina Barnett, daß der Mensch nie im Stande sein werde, den Pol selbst zu erreichen?
– Ohne Zweifel erreicht ihn einst ein Mann, Madame, sagte Hobson, oder eine Frau, fügte er galant hinzu. Doch scheint mir, daß die von den Seefahrern bislang dazu angewendeten Mittel einer tiefgreifenden Modification bedürfen. Man spricht von einem freien Meere, welches einzelne Forscher gesehen haben wollen. Dieses eisfreie Meer ist aber, wenn es überhaupt existirt, nur sehr schwer zu erreichen, und so kann zunächst Niemand mit Sicherheit voraussagen, daß er zum Pol gelangen werde. Ich bin übrigens der Meinung, daß ein solches freies Meer weit mehr eine Erschwerung, als eine Erleichterung jeder dorthin gerichteten Reise darstellen würde. Einen festen, gleichviel ob aus Eis oder aus Felsen bestehenden Boden würde ich für meinen Theil bei einer solchen Reise weit lieber sehen. Dann ließe ich durch wiederholte Expeditionen Niederlagen von Nahrungsmitteln und Kohlen immer näher nach dem Pole hin errichten, und so glaube ich, daß man nach langer Zeit, großen Geldopfern, und wohl auch mit dem Verluste so manchen Menschenlebens, doch endlich bis zu diesem unerreichten Punkte der Erdkugel gelangen müßte.[61]
– Ich theile ganz Ihre Meinung, Herr Hobson, antwortete Mr. Paulina Barnett, und wenn Sie sich jemals an dieses Unternehmen wagten, werd' ich nicht davor zurückschrecken, Mühen und Gefahren mit Ihnen zu theilen, um auf den Nordpol die Fahne des Vereinigten Königreichs zu pflanzen. Aber für jetzt ist das ja wohl unser Zweck nicht.
– Für jetzt, Madame, nein, erwiderte Jasper Hobson. Immerhin könnte, nach Realisirung der Projecte der Compagnie, das an der obersten Grenze des amerikanischen Festlandes begründete Fort einen natürlichen Ausgangspunkt für alle ferneren Nordpolexpeditionen bilden. Wenn übrigens die Pelzthiere durch die Jagd weiter und bis zu dem Nordpole hin vertrieben würden, müßten wir ihnen auch bis dahin folgen.
– Mindestens, wenn diese kostspielige Mode des Pelztragens nicht einmal aufhört, ergänzte Mrs. Paulina Barnett.
– O, Mistreß, entgegnete der Lieutenant, eine schöne Frau, welche einen Zobelmuff oder eine Pelzpelerine haben möchte, wird es immer geben, und diese muß doch befriedigt werden.
– Das fürchte ich auch, lenkte die Reisende lächelnd ein, und wahrscheinlich ist der Erste, der den Pol erreicht, ein Jäger bei der Verfolgung eines Marders oder eines Silberfuchses.
– Das ist meine Ueberzeugung, Madame, erwiderte Jasper Hobson. Die menschliche Natur ist nun einmal so geschaffen, daß die Gewinnsucht mehr und weiter treibt, als der Wissensdrang.
– Wie? Und so sprechen Sie, Herr Hobson?
– Nun, bin ich denn nicht Beamter der Hudsons-Bai-Compagnie, und besteht deren Thätigkeit denn in etwas Anderem, als ihre Agenten und ihre Capitalien daran zu wagen, in der einzigen Hoffnung, ihre Erträgnisse zu erhöhen?
– Herr Hobson, sagte da Mrs. Paulina Barnett, ich glaube Sie so weit zu kennen, daß Sie, wenn nöthig, Leib und Seele der Wissenschaft zu opfern im Stande wären. Gälte es ein einfaches geographisches Interesse, bis zum Pole vorzudringen, so bin ich überzeugt, daß Sie nicht zögern würden. Doch, fügte sie lächelnd hinzu, das ist eine große Frage, deren Lösung noch in weiter Ferne liegt. Wir selbst sind ja bis jetzt nur am Polarkreise angelangt, den wir hoffentlich ohne zu große Schwierigkeiten überschreiten werden.[62]
– Ich weiß das nicht bestimmt, Madame, antwortete Jasper Hobson, welcher den Himmel aufmerksam musterte. Seit einigen Tagen droht schon ein Witterungswechsel. Betrachten Sie diese gleichmäßige, graue Himmelsbedeckung. Alle diese Nebel werden sich bald in Schnee auflösen, und sollte sich nur Wind erheben, so würden wir auch bald einen tüchtigen Sturm haben. Mich drängt es wirklich, erst am See des Großen Bären anzukommen.
– Dann, Herr Hobson, schloß Mrs. Paulina Barnett, sich erhebend, dieses Gespräch, wollen wir keine Zeit verlieren, und Sie sollten wohl das Zeichen zum Aufbruch geben.«
Der Lieutenant bedurfte keiner weiteren Anregung. Allein, oder in Begleitung thatkräftiger Männer, wie er es war, hätte er seinen Zug Tag und Nacht fortgesetzt. Aber er konnte nicht von Allen verlangen, was er sich selbst zumuthete. Er mußte wohl die Ermüdung der Anderen in Anschlag bringen, wenn er auch die seinige nicht beachtete. An jenem Tage hatte er deshalb seiner kleinen Gesellschaft, welche erst gegen drei Uhr Nachmittags weiter zog, eine dreistündige Rast gegönnt.
Bezüglich des nahe bevorstehenden Umschlages der Witterung hatte sich Jasper Hobson nicht getäuscht. Noch an diesem Tage ballten sich die Dunstmassen dichter zusammen und boten einen gelblichen, düsteren Anblick. Der Lieutenant war sehr unruhig, ohne es äußerlich durchblicken zu lassen, und während die Hunde seinen Schlitten nur mit großer Mühe dahin zogen, unterhielt er sich mit Sergeant Long, der die Vorzeichen des Sturmes nicht so sehr wahrnahm.
Das Land, über welches der Zug ging, war zu einer Schlittenreise zum Unglück wenig geeignet. Der sehr unebene, da und dort von Hohlwegen durchschnittene Boden, dessen Wege einmal mit Granitblöcken besäet, ein andermal durch große, kaum vom Thauwetter angenagte Eisberge versperrt waren, verzögerte den Lauf der Zugthiere sehr wesentlich, und machte ihn sehr beschwerlich. Die armen Hunde konnten nicht mehr leisten und auch die Peitsche der Führer hatte keinen Erfolg.
Der Lieutenant und seine Leute waren oft genöthigt, zu Fuße zu gehen, und um die Kräfte der erschöpften Bespannung zu unterstützen, die Schlitten zu schieben, oder diese auch zu halten, wenn sie bei den stark wechselnden Bodenneigungen umzustürzen drohten. Es ist einleuchtend, daß hierdurch eine[63] unausgesetzte Anstrengung erwuchs, welche übrigens Alle ohne Klage ertrugen. Nur Thomas Black, der immer seiner fixen Idee nachhing, verließ seinen Schlitten niemals, da seine Corpulenz auch zu derartigen mühseligen Uebungen nicht besonders paßte.
Seit Ueberschreitung des Polarkreises hatte sich also, wie man sieht, die Bodenbeschaffenheit vollkommen geändert. Offenbar hatten Erdrevolutionen jene gigantischen Felsblöcke dahin verschlagen. Auf der Oberfläche erhob[64] sich dagegen eine ausgebildetere Vegetation.
Nicht Büsche und Sträucher allein, auch Bäume besetzten die Abhänge der Hügel an Stellen, wo sie gegen die gar so rauhen Nordwinde geschützt waren. Sie bestanden aus Tannen, Fichten und Weiden, Baumarten, welche durch ihr Vorkommen in dieser kalten Zone doch eine gewisse vegetative Kraft der Letzteren bewiesen. Jasper Hobson rechnete sehr darauf, daß an diesen Erzeugnissen der arktischen Zone auch an den Küsten des Eismeeres kein Mangel sein werde. Diese Bäume lieferten ja Holz, Holz zum Erbauen eines Forts, Holz zum[65] Erwärmen seiner einstigen Bewohner. Jedermann drängte sich der Unterschied zwischen dieser minder unfruchtbaren Gegend und den langen, weißen Flächen auf, welche sich zwischen dem Sklaven-See und Fort-Entreprise erstreckten.
Gegen Abend wurden die gelben Dünste dunkler. Der Wind sprang auf. Bald fiel der Schnee in großen Flocken, und in wenigen Minuten hatte sich der Boden mit einer dicken weißen Decke überzogen. In weniger als einer Stunde lag ein Fuß hoch Schnee, und da derselbe sich nicht hielt, sondern zu mürbem Kothe wurde, so kamen die Schlitten nur mit größter Anstrengung vorwärts. Ihr aufgebogener Vordertheil sank tief in die weiche Masse ein, welche sie stets aufhielt.
Gegen acht Uhr Abends steigerte sich der Wind zum Sturme. Der heftig fortgetriebene Schnee, der bald den Boden berührte, bald wieder in die Höhe geweht wurde, bildete nur noch einen dichten Wirbel. Die von den Windstößen zurückgeworfenen Hunde, welche durch das Schneetreiben blind waren, konnten nicht mehr vorwärts. Der Zug bewegte sich jetzt durch einen schmalen Engpaß, den hohe Eisberge flankirten, und durch welchen der Sturm mit schrecklichster Heftigkeit fegte. Vom Orkan abgerissene Stücken der Eisberge stürzten in den Hohlweg und machten den Durchmarsch sehr gefährlich. Sie bildeten ebenso viele partielle Lawinen, deren jede einzelne hingereicht hätte, die Schlitten und deren Insassen zu zerschmettern. Unter solchen Umständen konnte der Weg nicht weiter fortgesetzt werden. Jasper Hobson mußte sich ergeben. Nachdem er noch Sergeant Long's Ansicht eingeholt hatte, ließ er Halt machen. Nun galt es aber einen Schutz vor den Schneewehen zu suchen, welche unerhört fortwütheten.
Männer, welche an Polarexpeditionen gewöhnt sind, konnte das nicht in Verlegenheit setzen. Jasper Hobson und seine Gefährten wußten sich in solchen Fällen zu helfen. Es war ja nicht das erste Mal, daß der Sturm sie, vielleicht einige Hundert Meilen von einem Fort der Compagnie, überfiel, ohne daß ihnen eine Eskimohütte oder ein Indianerwigwam zur Verfügung stand.
»Nach den Eisbergen! Nach den Eisbergen!« rief Jasper Hobson.
Der Lieutenant wurde von Allen verstanden. Es galt jetzt in den dichten Eismassen sogenannte »Schneehäuser« auszuhöhlen, oder vielmehr nur Löcher, in welche sich Alle während der Dauer des Sturmes bergen[66] könnten. Die Axte und Messer waren schnell in Thätigkeit, die mürbe Masse anzugreifen.
Dreiviertel Stunde später schon war ein Dutzend Höhlen mit engen Eingängen ausgearbeitet, deren jede zwei bis drei Menschen aufnehmen konnte. Die Hunde wurden abgezäunt und sich selbst überlassen. Man überließ es ihrem Spürsinne, unter dem Schnee ein schützendes Obdach zu finden.
Vor zehn Uhr war das ganze Personal der Expedition in den Schneehäusern untergebracht. Man hatte sich zu Zweien und zu Dreien, zum Theil je nach Neigung, zusammengefunden. Mrs. Paulina Barnett, Madge und Lieutenant Hobson nahmen eine Hütte ein. Thomas Black und Sergeant Long vergruben sich zusammen in einer anderen Höhle. Die Anderen würfelte der Zufall zusammen.
Diese Zufluchtsorte waren, wenn nicht comfortabel, so doch wenigstens verhältnißmäßig warm, und man erinnerte sich dabei auch, daß die Eskimos und Indianer selbst in der strengsten Kälte keinen besseren Schutz haben. Jasper Hobson und die Seinen konnten den Sturm nun ruhig abwarten und hatten nur dafür zu sorgen, daß sich die Oeffnungen der Höhlen nicht mit Schnee verstopften, weshalb diese von einer halben Stunde zur anderen immer frei gelegt wurden. Während dieses Unwetters konnte Niemand einen Fuß in's Freie setzen. Zum Glück aber hatten sich Alle hinreichend mit Proviant versehen, um dieses Biberleben, ohne von Frost oder Hunger gequält zu werden, auszuhalten.
Achtundvierzig Stunden lang nahm der Sturm an Heftigkeit zu. Der Wind heulte durch den Engpaß und entriß den Eisbergen ihre Gipfel. Ein Donner, den das Echo zwanzigfach wiedergab, bezeichnete den Sturz der Eislawinen. Jasper Hobson hatte allen Grund, zu befürchten, daß sein Weg durch herabgestürzte Eisblöcke ganz und gar versperrt sein möchte. Unter jenes Donnern mischte sich auch ein Brummen, über dessen Ursprung der Lieutenant nicht im Unklaren sein konnte, und er verhehlte der furchtlosen Mrs. Barnett auch nicht, daß Bären durch den Engpaß trotteten. Die mit sich selbst zu sehr beschäftigten Thiere entdeckten aber glücklicherweise das Versteck der Reisenden nicht. Weder die Hunde, noch die Schlitten, welche unter dichter Schneedecke vergraben waren, erregten ihre Aufmerksamkeit.
Die letzte Nacht, die vom 25. zum 26. Mai, war noch furchtbarer. Die Wuth des Orkanes nahm so zu, daß ein allgemeiner Einsturz des Eisberges[67] zu befürchten war, denn man fühlte diese ungeheuren Massen in ihren Grundfesten erzittern.
Ein schrecklicher Tod erwartete die Unglücklichen, die von dem Berge zerschmettert worden wären. Entsetzlich krachten die Eisblöcke, und schon bildeten sich da und dort Sprünge in der Masse, welche ihre Haltbarkeit bedrohlich verminderten. Doch trat kein Einsturz ein. Die ganze Bergmasse leistete Widerstand; gegen Ende der Nacht ließ, wie man das in Polarländern häufig beobachtet, die Gewalt des Sturmes, wie erschöpft, plötzlich unter dem Eintritt einer grellen Temperaturerniedrigung nach, und mit dem anbrechenden Tageslichte war die vollkommene Ruhe der Atmosphäre wieder hergestellt.
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