Achtundzwanzigstes Capitel.
Abmarsch nach Falkenhorst. – Der Canal. – Beunruhigung. – Der verwüstete Hof. – Die Wohnung in der Luft. – Auf dem Gipfel des Baumes. – Verzweiflung. – Eine Rauchsäule über Felsenheim. – Achtung!

[400] Am folgenden Tage um sieben Uhr früh, nach einem letzten Mahle aus den Ueberbleibseln des gestrigen, und einen Abschiedstrunk – ein Glas Palmwein – nicht zu vergessen, verließen Fritz und die übrigen die Einsiedelei von Eberfurt.

Bei ihrer Ungeduld nahmen sie sich vor, die drei Lieues bis zur Meierei Falkenhorst in weniger als drei Stunden zurückzulegen.

Nicht ohne Grund hatte Fritz beschlossen, jetzt zunächst diese Anlage aufzusuchen.

Wohl gab es noch einen zweiten Weg, den, der nach der Farm von Waldegg an der Spitze des Schwanensees führte, doch dieser war etwas länger. Am richtigsten war es, in gerader Linie nach Falkenhorst zu wandern und[400] dann nach Felsenheim die schöne Allee zu benützen, die nahe der Küste bis zur Mündung des Schakalbaches hinführte.

»Es ist immerhin möglich, meinte Fritz, daß unsere Familien gerade jetzt ihr »Luftschloß« bezogen hätten.


Das Mobiliar war hier durcheinander geschoben. (S. 405.)
Das Mobiliar war hier durcheinander geschoben. (S. 405.)

– O, wenn das der Fall ist, mein Schatz, sagte Jenny, werden wir die Freude haben, sie früher als erwartet umarmen zu können...

– Und vielleicht noch eher, fiel Doll ein, wenn uns das Glück bescheert wäre, ihnen unterwegs zu begegnen...[401]

– Vorausgesetzt, daß sie nicht in der Sommerwohnung des Prospect-Hill weilen, bemerkte Franz. Dann würden wir bis zum Cap der Getäuschten Hoffnung hinausgehen müssen.

– Ist das nicht dasselbe Cap, fragte Kapitän Gould, von wo aus Herr Zermatt dem Wiedereintreffen der »Licorne« entgegensehen kann?

– Ganz recht, dasselbe, antwortete Fritz, und da die Corvette ihre Reparaturen ohne Zweifel längst beendet hat, muß sie sehr bald in Sicht der Insel auftauchen.

– Na ja... so oder so..., fiel der Obersteuermann ein, ich meine, das beste, was wir thun können, ist doch: schleunigst aufzubrechen. Finden wir niemand in Felsenheim, so geht's nach dem Prospect-Hill oder sonstwohin... aber vorwärts!«

Fehlte es in Eberfurt nicht an Küchengeräthen und landwirthschaftlichen Werkzeugen, so hatte Fritz hier doch vergeblich nach Feuerwaffen und Munition gesucht. Wenn sein Vater und seine Brüder nach dieser Meierei kamen, nahmen sie nämlich ihre Gewehre wohl mit, ließen sie aber aus Vorsicht niemals da zurück.

Bei einer Wanderung durch das Gebiet des Gelobten Landes war übrigens, seitdem Tigern, Löwen und Panthern der Zutritt nach dem Engpaß der Cluse versperrt war, eigentlich gar nichts zu fürchten. Jedenfalls drohten hier weit weniger Gefahren, als auf der Strecke zwischen dem Pic Zermatt und dem Grünthale.

Ein fahrbarer Pfad – wie häufig hatte ihn der mit den Büffeln und dem Onagre bespannte Wagen schon eingeebnet – verlief zwischen im besten Wachsthum stehenden Feldstücken und in üppigem Grün prangenden Gehölzen. Das allseitige Gedeihen ergötzte den Blick. Der Kapitän Gould und der Obersteuermann, sowie James und Suzan Wolston, die diese Gegend zum erstenmale sahen, waren ganz entzückt davon. Ja, hier war Raum für Colonisten, hier hätten von solchen schon Hunderte, wie auf der ganzen Insel Tausende, ihren reichlichen Unterhalt gefunden.

Nach anderthalbstündiger Wanderung, ungefähr in der Mitte zwischen der Einsiedelei von Eberfurt und Falkenhorst, machte Fritz für kurze Zeit Halt an einem Wasserlaufe, dessen Vorhandensein in diesem Theile des Gebiets er noch nicht kannte.

»Siehe da... etwas neues! sagte er.[402]

– Ja, wirklich, antwortete Jenny, ich entsinne mich wenigstens keines Wasserlaufes in dieser Gegend.

– Dieser Rio scheint mir aber eher ein Canal zu sein!« bemerkte der Kapitän Gould.

In der That war es ein von Menschenhand gegrabener Canal.

»Sie haben recht, Kapitän, erklärte Fritz. Herr Wolston wird den Gedanken gehabt haben, einen Theil des Schakalbaches abzuleiten, um damit den Schwanensee zu speisen und darin einen, auch in der warmen Jahreszeit gleichbleibenden Wasserstand zu schaffen, der dann eine Bewässerung der Umgebung von Waldegg ermöglichte.«

Fritz täuschte sich, wie der Leser weiß, hiermit nicht.

»Ja ja, fuhr Franz fort, das kann nur Ihr Vater gewesen sein... Ihr Vater, meine liebe Doll, dem dieser Gedanke gekommen und von dem er ausgeführt worden ist.«

Franz täuschte sich bekanntlich ebensowenig.

»Oh, meinte Doll, da wird wohl Ihr Bruder Ernst auch sein Theil daran gehabt haben.

– Ohne Zweifel... unser gelehrter Ernst, bestätigte Fritz.

– Doch warum nicht auch der unerschrockene Jack... und auch Herr Zermatt selbst? fragte der Kapitän Gould.

– Also die ganze Familie! rief Jenny lachend.

– Oder vielmehr die beiden Familien, die jetzt doch nur eine einzige bilden!« erwiderte Fritz..

Da ließ der Obersteuermann wieder, seiner Gewohnheit gemäß, eine sehr treffende Bemerkung fallen:

»Haben der oder die, die diesen Canal ausgehoben haben, ein rühmliches Werk gethan, so verdienen alle Anerkennung, doch auch der oder die, die durch Anlegung einer Brücke dessen Ueberschreitung ermöglichten. Gehen wir also hinüber und dann weiter!«

Nach Ueberschreitung der kleinen Brücke gelangte man nach dem dichter bewaldeten Theil des Gebietes, aus dem der Rio hervorbrach, der in der Nähe von Falkenhorst etwas unterhalb des Walfischeilandes mündete.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muß hier erwähnt werden, daß Fritz und Franz schon gespannten Ohres lauschten, ob sie nicht ein entferntes Bellen oder den Knall einer Flinte vernähmen. Was trieb denn nur Jack,[403] der leidenschaftliche Jäger, wenn er an einem so herrlichen Morgen zu jagen vergaß? Wild zeigte sich ja hier überall, floh durch die Dickichte oder flatterte von Baum zu Baum. Hätten die zwei Brüder nur Gewehre zur Hand gehabt, jetzt würden sie manche Doublette gemacht haben. Sie meinten, Haar- und Federwild sei hier im Gebiete noch niemals so zahlreich vorgekommen, und ihre Begleiter kamen aus dem Erstaunen darüber fast gar nicht heraus.

Doch außer dem Zwitschern der kleinen Vögel hörte man nur den Schrei von Rebhühnern und Trappen, das Schwatzen von Papageien und zuweilen das Gebell von Schakalen, doch niemals mischte sich der Knall einer Feuerwaffe oder die Stimme eines Hundes unter diese Laute.

Falkenhorst lag freilich noch eine gute Lieue weit entfernt, und außerdem war ja nicht ausgeschlossen, daß die beiden Familien jetzt noch in Felsenheim wohnten.

Jenseit des Falkenhorster Baches brauchte man nur dessen rechtem Ufer bis zum Saume des Waldes nachzugehen, wo sich am anderen Ende der riesige Mangobaum erhob, dessen untere Aeste die Wohnung in der Luft trugen. Eine halbe Stunde mußte hinreichen, den Wald in seiner ganzen Länge zu durchmessen.

Höchstwahrscheinlich befand sich jetzt weder das Zermatt'sche Ehepaar, noch Ernst und Jack, weder Herr Wolston, noch seine Gattin oder seine Tochter in Falkenhorst. Es schien unmöglich, daß ihre Anwesenheit nicht schon irgendwie verrathen worden wäre, denn sollten Türk, Braun und Falb wirklich ihre jungen Herren dann nicht bereits gewittert haben? Hätten sie nicht durch freudiges Gebell die Rückkehr der so lange Abwesenden gemeldet?

Tiefe Stille herrschte unter den Bäumen... eine Stille, die sogar etwas beklemmendes an sich hatte. Als Fritz Jenny ansah, las er in deren Augen ein Gefühl von Angst, die bisher doch nichts rechtfertigte. Franz lief, eine Beute einer auffälligen Nervosität, wieder holt vorwärts und zurück. Alle empfanden eine merkwürdige Bedrückung. Binnen zehn Minuten sollten sie in Falkenhorst sein... binnen zehn Minuten, war das nicht so gut, als ob sie bereits dort wären?

»Voraussichtlich, begann der Obersteuermann, der die allgemeine Niedergeschlagenheit bekämpfen wollte, werden wir einfach noch durch Ihre schöne Allee bis Felsenheim zu wandern haben. Der Verzug von einer Stunde... das ist alles... und was bedeutet das nach einer so langen Abwesenheit?«[404]

Alle schritten schneller dahin. Sehr bald zeigte sich der Waldesrand und dann der riesige Mangobaum inmitten des Hofes mit seiner Palissade. um die sich noch eine lebende Hecke hinzog.

Fritz und Franz stürmten nach der in der Hecke angebrachten Thür.

Diese Thür stand offen, und man erkannte sogar, daß sie halb aus ihren Angeln gerissen war.

Die beiden Brüder drangen in den Hof ein und blieben an dem Wasserbassin in der Mitte stehen.

Die Wohnung war verlassen.

Aus dem Geflügelhofe und den der Palissade anliegenden Ställen ertönte kein Laut, obgleich diese in der Sommerzeit gewöhnlich von Kühen, Schafen und verschiedenen Hühnerarten belebt waren. In den Schuppen lagen allerlei Gegenstände, Kasten, Körbe und Ackergeräthe in einer Unordnung umher, die mit der peinlichen Sorgsamkeit der Frau Zermatt und der Frau Wolston nebst ihrer Tochter bestimmt nicht zu vereinigen war.

Franz eilte nach den Stallungen.

Sie enthielten nichts als einige Bündel Heu in den Trögen und Krippen.

Sollten nun die Thiere wohl die Pforte der Einfriedigung gesprengt haben?... Irrten sie draußen auf dem Lande umher?... Nein, in der Umgebung von Falkenhorst war wenigstens nichts zu sehen gewesen. Nun konnten sie zwar aus dem oder jenem Grunde in den anderen Farmen mit untergebracht worden sein, doch das erklärte die hier herrschende Unordnung auch noch nicht.

Die Meierei Falkenhorst enthielt bekanntlich zwei Wohnungen, die eine zwischen den Aesten des Mangobaumes und die andere zwischen den mächtigen Wurzeln am Fuße des Stammes. Darüber lag, hergestellt aus Bambusstämmen, die das mit getheertem Moose bedeckte Dach bildeten, eine Art Terrasse mit Geländer. Diese Terrasse bedeckte wieder mehrere Einzelräume, die durch Scheidewände auf den Wurzeln getrennt und geräumig genug waren, den beiden Familien Unterkunft zu gewähren.

In dieser ersten Wohnung war es ebenso still, wie auf dem Hofe.

»Kommt mit hinein!« rief Fritz mit bebender Stimme.

Alle folgten ihm, stießen aber sofort einen Schrei aus... einen Schrei, da sie kein Wort hervorzubringen vermochten.

Das Mobiliar war hier durcheinander geschoben, Tische und Stühle umgestürzt, Kisten und Kasten erbrochen, der Inhalt an Wäsche lag auf der Erde[405] und die Werkzeuge waren in alle Winkel geschleudert. Man hätte sagen können, daß hier nur aus Lust am Plündern geplündert worden wäre. Von den Vorräthen an Nahrungsmitteln, die gewöhnlich in Falkenhorst gehalten wurden, war nichts mehr übrig, auf dem Futterboden kein Heu mehr, im Keller die Wein-, Bier- und Liqueurfäßchen leer. Nirgends eine Waffe, mit einziger Ausnahme einer geladenen Pistole, die der Obersteuermann aufhob und in seinen Gürtel steckte. Gewöhnlich waren doch für die Dauer der Jagdzeit Karabiner und Flinten immer in Falkenhorst zurückgelassen worden.

Fritz, Franz, Jenny und alle übrigen standen sprachlos vor diesem unerwarteten Anblick und fragten sich, ob es in Felsenheim, in Waldegg, Zuckertop und auf dem Prospect-Hill wohl ebenso traurig aussehen möge. Sollte von den verschiedenen Meiereien die der Einsiedelei von Eberfurt allein von den Plünderern verschont geblieben sein, und wer waren denn eigentlich diese Raubgesellen?

»Liebe Freunde, begann endlich der Kapitän Gould, hier hat sich ein Unglück ereignet, und doch ist es, vielleicht nicht so groß, wie Ihr es zu fürchten scheint.«

Niemand gab eine Antwort, und was hätte Fritz, Franz oder Jenny gegenüber dieser traurigen Verwüstung sagen sollen? Nachdem sie nun freudigen Herzens den Fuß auf das Gelobte Land gesetzt hatten, was fanden sie da in Falkenhorst?... Nichts als eine Ruine und die Verlassenheit!

Was mochte denn vorgefallen sein? War die Neue Schweiz etwa überfallen worden von einer Rotte jener frechen Seeräuber, die damals so zahlreich im Indischen Ocean hausten, wo die Andamaneninseln und die Nicobarengruppe ihnen sicheres Versteck boten? Hatten die Familien zur Zeit Felsenheim verlassen, sich nach einem anderen Theil des Gebietes zurückziehen oder gar von der Insel flüchten müssen? Waren sie jenen Piraten in die Hände gefallen oder bei dem Versuche, sich zu vertheidigen, gar umgekommen?

Daneben fragte es sich doch auch noch, ob die Vorgänge hier einige Monate, einige Wochen oder nur einige Tage zurücklägen, und ob es vielleicht möglich gewesen wäre, sie zu verhindern, wenn die »Licorne« in der verabredeten Zeit hier eingetroffen wäre.

Jenny hatte die größte Mühe, ihre Thränen zurückzuhalten, während Suzan und Doll leise schluchzten. Franz wollte schon hinausstürmen, seinen Vater, seine Mutter, seine Brüder zu suchen, und Fritz mußte ihn mit Gewalt zurückhalten. Harry Gould und der Obersteuermann, die wiederholt hinausgingen, um die nächste[406] Umgebung der Palissaden zu besichtigen, waren wieder in das Zimmer gekommen, ohne etwas gesehen oder gehört zu haben, was zu weiterer Aufklärung hätte dienen können.

Ein Entschluß mußte jetzt aber unbedingt gefaßt und vor allem entschieden werden, ob man in Falkenhorst bleiben und hier die Entwicklung der Dinge abwarten, oder nach Felsenheim gehen sollte, ohne zu wissen, wie es dort aussah. Sollte vielleicht eine Recognoscirung ausgeführt werden, während Jenny, Doll und Suzan Wolston unter dem Schutze James Wolston's zurückblieben, indeß Fritz, Franz, Harry Gould und John Block, entweder längs der Küstenallee oder quer durch Wald und Feld, auf Auskundschaftung auszogen?

Jedenfalls mußte der jetzigen Ungewißheit ein Ende gemacht werden, selbst wenn die nackte Wahrheit jeden Schimmer von Hoffnung auslöschte.

Fritz glaubte bestimmt der allgemein herrschenden Empfindung Ausdruck zu geben, als er sagte:

»Wir wollen versuchen, nach Felsenheim vorzudringen...

– Und sofort aufbrechen, rief Franz.

– Ich begleite Sie beide, erklärte der Kapitän Gould.

– Und ich ebenfalls, setzte John Block hinzu.

– Gut, gut antwortete Fritz, James muß aber bei Jenny, Doll und Suzan zurückbleiben, die sich in Falkenhorst oben in Sicherheit bringen mögen...

– Zuerst wollen wir einmal alle hinausgehen, schlug John Block vor, von da oben aus ist vielleicht eher etwas zu sehen...«.

Dieser Versuch erschien wohl rathsam, ehe sich jemand als Kundschafter hinauswagte.

Von der Wohnung in den Aesten und vorzüglich vom Wipfel des Mangobaumes aus, mußte man einen Theil des Gelobten Landes, ferner im Osten das Meer und auf gut drei Lieues weit die Uferstrecke zwischen der Rettungsbucht und dem Cap der Getäuschten Hoffnung übersehen können.

»Hinauf, hinauf!« antwortete Fritz auf den Vorschlag des alten Seemanns. Im voraus ließ sich ja annehmen, daß die zwischen den Aesten des Baumes schwebende und von dem dichten Laube des Mangobaumes versteckte Wohnstätte von der Verwüstung verschont geblieben sei. Die Thür, die den Zugang nach der im Innern des Stammes hinausführenden Treppe vermittelte, zeigte keine Spuren äußerer Gewalt, vielleicht infolge ihrer etwas verborgenen Lage im letzten Zimmer.[407]

Franz versuchte die noch verschlossene Thür zu öffnen und sprengte das Schloß, dessen Riegel heraussprang.

In wenigen Augenblicken waren alle die durch einige Oeffnungen im Stamme erleuchtete Treppe hinausgeeilt und betraten den kreisförmigen Balcon, der hinter einem Laubvorhänge sehr gut verborgen lag.

Als Fritz und Franz die Plattform erreichten, drangen sie sofort in das nächste Zimmer ein.

Weder dieses noch eines der angrenzenden zeigte eine Spur von Unordnung, die Lagerstätten waren unberührt, die Möbel standen an ihrem Platze. Das bewies also, daß das alte »Nest des Falken« unversehrt geblieben war, und das lag offenbar daran, daß die Plünderer die untere Thür nicht entdeckt hatten. Was die, wie gesagt, zwischen den Aesten des Mangobaumes angelegte Wohnstätte betraf, war sie jetzt von dem, im Laufe von zwölf Jahren immer dichter gewordenen Laubwerk so vollständig umgeben, daß sie niemand weder vom Hofe darunter noch vom Saume des benachbarten Waldes aus wahrnehmen konnte.

Binnen einer Minute hatte Jenny, der sich Doll und Suzan anschlossen, alle Räumlichkeiten besichtigt, die ihr ja so wohlbekannt waren, da sie hier mit der übrigen Familie oft genug geweilt hatte..

Alles machte wirklich den Eindruck, als hätten Frau Zermatt und Frau Wolston hier noch gestern ihres Amtes gewaltet. Da fanden sich an gedörrtem Fleisch, an Mehl, Reis, Conserven und Getränken Vorräthe für eine volle Woche, wie solche gewöhnlich in Falkenhorst, doch ebenso in den anderen Meiereien, denen von Waldegg, der Einsiedelei von Eberfurt, des Prospect-Hill und von Zuckertop, zurückgelassen wurden.

Sobald sie nach dem Balcon wieder zurückgekommen waren, erkletterten Fritz und der Obersteuermann die oberen Aeste des Mangobaumes, um einen erweiterten Ausblick zu gewinnen.

Augenblicklich dachte natürlich niemand aus Essen oder Trinken. Alle beschäftigte, alle bekümmerte die Verlassenheit, die – jetzt in der Sommerzeit – in Falkenhorst herrschte, und die greuliche Verwüstung, wofür die Anlagen unten im Hofe so unwidersprechlich zeugten.

Nach Norden hin erstreckte sich die Küstenlinie, die das Cap der Getäuschten Hoffnung an dem Hügel, wo sich der Prospect-Hill erhob, abschloß. Nach dieser Richtung hin wurde der Ausblick aber durch Waldmassen beschränkt und reichteNiemand wagte dem Kapitän Gould eine Antwort zu geben. Besonders schwerwiegend war der Umstand, daß Felsenheim jetzt unbewohnt zu sein schien, wenigstens sah man nirgends eine Rauchsäule über die Bäume des Gartens emporwirbeln.


 »Den Beweis liefert der Umstand, daß die Flagge noch auf der Haifischinsel wacht!« (S. 413.)
»Den Beweis liefert der Umstand, daß die Flagge noch auf der Haifischinsel wacht!« (S. 413.)

Harry Gould äußerte noch den Gedanken, daß die beiden Familien die Neue Schweiz vielleicht freiwillig verlassen hätten, da die »Licorne« zur berechneten Zeit nicht wieder erschienen war.

»Ja... aber wie denn? fragte Fritz, der sich gern an eine solche Hoffnung geklammert hätte.

– Nun, auf einem Schiffe, das hierher gekommen war, antwortete Harry Gould, entweder auf einem von denen, die aus England hierher gesendet waren, oder auf einem, das der Zufall nach den Gewässern der Insel geführt hatte.«

Eine solche Erklärung war ja einigermaßen annehmbar, trotz der sehr ernsten Gründe, die unter den vorliegenden Umständen gegen eine Räumung der Neuen Schweiz sprachen.

Darum sagte auch Fritz:

»Hier ist kein Zögern statthaft... vorwärts, wir müssen Klarheit haben!

– Vorwärts!« wiederholte Franz.

Doch als Fritz sich schon zum Hinuntergehen anschickte, hielt Jenny ihn plötzlich zurück.

»Da... eine Rauchwolke... ich glaube Rauch zu sehen, der über Felsenheim aufsteigt!«

Fritz ergriff das Fernrohr, richtete es nach Süden und hielt das Auge gut eine Minute lang an dessen Oculare.

Jenny hatte recht. Ein sich allmählich verdichtender Rauch, der jetzt deutlicher erkennbar wurde, entstieg dem Laubgewölbe der Steinwand, die Felsenheim an der Rückseite abschloß.

»Sie sind dort... sie sind dort... rief Franz, und wir, wir sollten schon seit einer Stunde bei ihnen sein!«

Die Behauptung des jungen Mannes wurde von niemand angezweifelt. Alle hatten ein so großes Bedürfniß, wieder einige Hoffnung zu schöpfen, daß sie alles andere vergaßen, ebenso die Verlassenheit hier um Falkenhorst, wie die Plünderung des Hofes, das Fehlen der Hausthiere, die Leere der Stallungen und die Verwüstung der Zimmer am Fuße des Mangobaumes. Wenigstens der Kapitän Gould und John Block gewannen jedoch bald die nüchterne Ueberlegung

Niemand wagte dem Kapitän Gould eine Antwort zu geben. Besonders schwerwiegend war der Umstand, daß Felsenheim jetzt unbewohnt zu sein schien, wenigstens sah man nirgends eine Rauchsäule über die Bäume des Gartens emporwirbeln.

Harry Gould äußerte noch den Gedanken, daß die beiden Familien die Neue Schweiz vielleicht freiwillig verlassen hätten, da die »Licorne« zur berechneten Zeit nicht wieder erschienen war.

»Ja... aber wie denn? fragte Fritz, der sich gern an eine solche Hoffnung geklammert hätte.

– Nun, auf einem Schiffe, das hierher gekommen war, antwortete Harry Gould, entweder auf einem von denen, die aus England hierher gesendet waren, oder auf einem, das der Zufall nach den Gewässern der Insel geführt hatte.«

Eine solche Erklärung war ja einigermaßen annehmbar, trotz der sehr ernsten Gründe, die unter den vorliegenden Umständen gegen eine Räumung der Neuen Schweiz sprachen.

Darum sagte auch Fritz:

»Hier ist kein Zögern statthaft... vorwärts, wir müssen Klarheit haben!

– Vorwärts!« wiederholte Franz.

Doch als Fritz sich schon zum Hinuntergehen anschickte, hielt Jenny ihn plötzlich zurück.

»Da... eine Rauchwolke... ich glaube Rauch zu sehen, der über Felsenheim aufsteigt!«

Fritz ergriff das Fernrohr, richtete es nach Süden und hielt das Auge gut eine Minute lang an dessen Oculare.

Jenny hatte recht. Ein sich allmählich verdichtender Rauch, der jetzt deutlicher erkennbar wurde, entstieg dem Laubgewölbe der Steinwand, die Felsenheim an der Rückseite abschloß.

»Sie sind dort... sie sind dort... rief Franz, und wir, wir sollten schon seit einer Stunde bei ihnen sein!«

Die Behauptung des jungen Mannes wurde von niemand angezweifelt. Alle hatten ein so großes Bedürfniß, wieder einige Hoffnung zu schöpfen, daß sie alles andere vergaßen, ebenso die Verlassenheit hier um Falkenhorst, wie die Plünderung des Hofes, das Fehlen der Hausthiere, die Leere der Stallungen und die Verwüstung der Zimmer am Fuße des Mangobaumes. Wenigstens der Kapitän Gould und John Block gewannen jedoch bald die nüchterne Ueberlegung[412] wieder. Offenbar – der Rauch lieferte dafür den Beweis – war Felsenheim augenblicklich bewohnt... doch ob nicht von den Räubern? Wer konnte das entscheiden? Jedenfalls war bei einer Annäherung die größte Vorsicht geboten. Vielleicht war es deshalb besser, nicht der nach dem Schakalbache führenden Allee zu folgen. Ging man über die Felder und so viel wie möglich von einem Gehölze zum anderen, so durfte man hoffen, ungesehen bis nach der Drehbrücke zu gelangen.

Schon bereiteten sich alle, die Wohnung in der Höhe zu verlassen, als Jenny das Fernrohr senkte, durch das sie die Küste der Bucht besichtigt hatte, und in den Ruf ausbrach:

»Den Beweis, daß unsere Angehörigen noch da sind, daß sie ihre Insel nicht verlassen haben, liefert der Umstand, daß die Flagge noch auf der Haifischinsel weht!«

Das war wohl richtig, es hatte bisher nur noch niemand auf die weiß und rothe Schweizer Flagge geachtet, die über dem Batterieschuppen flatterte. Doch gab das die Gewißheit, daß die Herren Zermatt und Wolston, ihre Frauen und ihre Kinder die Insel wirklich nicht geräumt hatten? Die Flagge wehte ja doch Tag für Tag an dieser Stelle.

Hierüber wollte sich aber niemand den Kopf zerbrechen. In Felsenheim müßte sich, noch vor Ablauf einer Stunde, ja alles aufklären.

»Vorwärts!... Nur vorwärts! wiederholte Franz, sich nach der Treppe wendend.

– Halt!... Halt!« gebot da plötzlich der Steuermann mit gedämpfter Stimme.

Der alte Seemann kroch mehr als er ging, auf den Balcon nach der Seite der Rettungsbucht zu hinaus. Hier schob er die Blätter etwas auseinander steckte den Kopf hindurch, zog ihn aber schleunigst wieder zurück.

»Was ist denn da draußen zu sehen? fragte Fritz.

– Eine Rotte von Wilden!« antwortete John Block.[413]

Quelle:
Jules Verne: Das zweite Vaterland. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band LXXVII–LXXVIII, Wien, Pest, Leipzig 1901, S. 400-409,412-414.
Lizenz:

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