|
[87] Das war wie eine Offenbarung von ungeheurer Wirkung und fand sozusagen einstimmige Annahme. Bei der Hinneigung des Menschengeistes zum Außergewöhnlichen, oft zum Unmöglichen, fiel es niemand ein, an dieser Erklärung zu zweifeln. Gewiß... hier handelte es sich in allen drei Fällen nicht allein um denselben Erfinder, sondern auch um denselben Apparat.
Und doch: wie war die Umwandlung eines Automobils zu einem Schiffe und dann zu einem Unterwasserboote in der Wirklichkeit durchführbar?... Eine Maschine zu eigenmächtiger Fortbewegung über Land und auch auf und unter dem Wasser? Wahrlich, da fehlte nur noch, daß diese auch durch die Luft hinschweben könnte.[87]
Immerhin beschränkte sich die Beurteilung nur auf das, was man wußte, was einwandfrei bestätigt war, auf die Vorfälle, für die zahlreiche Zeugen mit Bestimmtheit eintraten, und das war und blieb doch etwas Ungewöhnliches. Obwohl die große Menge durch die letzten Vorkommnisse gegen dergleichen schon etwas abgestumpft war, erweckten wenigstens die Schlußzeilen jenes Artikels deren Neugierde doch aufs neue.
Zunächst machten die Tagesblätter folgende zutreffende Bemerkung: Angenommen, daß es sich um drei verschiedene Apparate handle, so wurden diese durch einen Motor betrieben, der an Kraft alles übertraf, was man in dieser Hinsicht bisher kannte. Der Motor hatte dafür ja Beweise, und welche Beweise, geliefert, da er eine Bewegungsgeschwindigkeit von anderthalb Meilen in der Minute ermöglichte.
Dem Schöpfer dieser Maschine müßte man nun sein Geheimnis um jeden Preis abkaufen. Ob der betreffende Motor gleichmäßig für drei Apparate oder für einen einzigen verwendbar war, der sich unter so verschiedenen Verhältnissen fortbewegen konnte, das war ja nicht von Bedeutung. Es konnte jedenfalls nur davon die Rede sein, den Motor, der solche Ergebnisse zeitigte, zu erwerben und sich seine Verwendung für alle geeigneten Zwecke zu sichern.
Voraussichtlich würden ja auch andere Staaten nichts unterlassen, sich in den Besitz einer Maschine zu setzen, die für Heer und Flotte überaus nützlich werden mußte. Welch großen Vorteil, zu Wasser und zu Lande, hätte jede Nation davon gehabt! Wie hätte man ihre zerstörenden Wirkungen verhindern können, da man ihrer nicht habhaft werden konnte? Es erschien also unbedingt geboten, sie – und wäre es um noch so viele Millionen – zu erwerben, und einen besseren Gebrauch hätte Amerika von seinem Reichtum sicherlich nicht machen können.
So dachte und sprach die offizielle Welt, und nicht anders die große Menge. Die Zeitschriften jeder Art überboten sich in Artikeln über das tieferregende Thema. Sicherlich würde Europa unter diesen Verhältnissen nicht hinter Amerika zurückbleiben.
Um die Erfindung zu kaufen, müßte man freilich erst den, Erfinder entdecken, und hierin lag augenscheinlich eine ernste Schwierigkeit. Vergeblich war deshalb schon der Kirdallsee abgesucht und dessen Gewässer bis zum Grunde untersucht worden. Man kam dabei wohl auf den Gedanken, daß sich das Unterwasserboot gar nicht mehr darin befinden möge. Wie war es dann aber daraus weggekommen?... Ja, wie war es denn vorher überhaupt hineingelangt?... Unlösbare Fragen!... Übrigens zeigte es sich auch nirgendwo anders, so wenig wie das Automobil auf den Landstraßen der Union oder das Schiff auf den amerikanischen Meeresteilen.
Wenn ich mich zu jener Zeit bei Herrn Ward befand, sprachen wir oft von dieser Angelegenheit, die mein Vorgesetzter nie aus dem Kopfe verlor. Sollten jetzt gewiegte Polizisten die bisher fruchtlosen Nachforschungen fortsetzen oder nicht?
Am Morgen des 27. Juni wurde ich nach dem General-Polizeiamt zu Herrn Ward befohlen.
»Wäre das, lieber Strock, redete er mich gleich bei meinem Eintreten an, für Sie nicht eine vortreffliche Gelegenheit, eine kleine... Scharte auszuwetzen?
– Ah... Sie meinen die bezüglich des Great-Eyry?
– Ganz recht.
– Ja, welche Gelegenheit denn? fragte ich, da ich nicht bestimmt wußte, ob mein Chef im Ernst spräche.
– Nun, fuhr er fort, würde es Ihnen nicht angenehm sein, den Erfinder jenes Apparates für dreifache Verwendungsweise auszuspüren?
– Das will ich meinen, Herr Direktor! antwortete ich. Geben Sie mir nur Befehl, dazu aufzubreche, und ich werde das Unmöglichste versuchen, Erfolg zu haben. Zwar verhehle ich mir nicht, daß es schwierig sein wird...
– Schwierig in der Tat, Strock, und vielleicht noch schwieriger, als in den Great-Eyry einzudringen.«
Offenbar hatte mich Herr Ward bezüglich meiner letzten, nicht erfolgreichen Mission gern etwas zum besten. Das geschah jedoch stets in gutmütiger Weise und eher mit der Absicht, mich zu weiterer Tätigkeit anzuspornen. Er kannte mich ja genau genug, um zu wissen, daß ich alles in der Welt darum gegeben hätte, den damals mißlungenen Versuch zu wiederholen. Ich erwartete dazu nur neue Instruktionen.
»O, ich weiß ja, lieber Strock, fuhr Herr Ward im freundschaftlichsten Tone fort, daß Sie alles getan haben, was in Ihrer Macht stand, und ich habe Ihnen wahrlich keinen Vorwurf zu machen. Jetzt ist aber vom Great-Eyry nicht mehr die Rede. Wenn die Regierung die Zeit gekommen glaubt, dessen Umwallung mit Gewalt zu durchbrechen, so genügt es ihr, nur die etwaigen Unkosten nicht in Betracht zu ziehen, und mit ein paar tausend Dollars wird sie ihren Zweck schon erreichen.[91]
– Das meine ich auch.
– Ich glaube indessen, setzte Herr Ward hinzu, die Hand auf die phantastische Persönlichkeit zu legen, die sich uns beständig zu entziehen gewußt hat; das ist die Sache der Polizei, und zwar einer guten Polizei.
– Neuere Berichte über den Fall sind wohl nicht eingegangen?
– Nein. Obwohl man alle Ursache hatte zu glauben, daß der Unbekannte sich unter dem Wasser des Kirdallsees bewegte, ist es doch unmöglich gewesen, ihm auf die Spur zu kommen. Man möchte sich wirklich fragen, ob er nicht auch die Fähigkeit hat, sich unsichtbar zu machen, dieser... dieser mechanische Proteus!
– Wenn ihm diese Gabe auch fehlt, antwortete ich, ist es höchst wahrscheinlich, daß er sich doch nur sehen läßt, wenn es ihm selbst paßt.
– Ganz recht, Strock, und meiner Ansicht nach gibt es nur ein einziges Mittel, mit einem solchen Original fertig zu werden: das eine, ihm einen so hohen Preis für seinen Apparat anzubieten, daß er es nicht ausschlagen kann, ihn zu verkaufen.«
Herr Ward hatte hierin recht. Die Regierung entschloß sich auch, einen derartigen Versuch zu machen, um in Unterhandlung mit der geheimnisvollen Persönlichkeit, mit diesem »Löwen des Tages« zu treten, denn diese Bezeichnung verdiente er mehr als je ein anderer vor ihm. Mit Unterstützung durch die Presse mußte der Mann doch bald genug erfahren, was man von ihm wollte. Er würde die ganz außergewöhnlichen Bedingungen kennen lernen, die man ihm für die Auslieferung seines Geheimnisses anbot.
»Und im Grunde, schloß Herr Ward, welchen persönlichen Nutzen könnte er sich von seiner Erfindung versprechen? Wäre es nicht weit vernünftiger von ihm, sie recht hoch zu verwerten? Es liegt auch keinerlei Grund vor, anzunehmen, daß der Unbekannte etwa ein Verbrecher und ihm daran gelegen wäre, jeder Verfolgung zu spotten.«
Nach allem, was mir mein Vorgesetzter im übrigen mitteilte, war man höhern Orts jedoch entschlossen, erst andere Maßregeln zu treffen, das erwünschte Ziel zu erreichen. Die schärfste Überwachung der Landstraßen, Flüsse, Ströme, Seen und Küstengewässer durch zahlreiche Geheimpolizisten hatte sich bisher als nutzlos erwiesen. Sah man den Erfinder nirgends mehr, so wollte er sich jedenfalls nicht weiter sehen lassen, außer wenn der immerhin mögliche Fall vorlag, daß er bei irgend einem gefährlichen Manöver samt seiner Maschine zugrunde gegangen wäre. Seit dem Unfalle der Goelette »Markel« war im GeneralPolizeiamt[92] kein neuer Bericht eingelaufen und die ganze Sache überhaupt keinen Schritt vorwärts gekommen. Das legte mir Herr Ward dar und suchte dabei seine Enttäuschung gar nicht zu verhehlen.
Ja, eine schmerzliche Enttäuschung, und daneben erwuchsen ja immer größere Schwierigkeiten, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Verfolge nur einer Übeltäter, die zu Lande und zu Wasser unergreifbar sind!... Und wenn die lenkbaren Luftschiffe erst zur erstrebten Vollkommenheit ausgebildet sind, dann fliege einer den Banditen einmal durch die Lüfte nach! Mehr und mehr drängte sich mir auch schon die Frage auf, ob wir, meine Kollegen und ich, eines schönen Tages nicht gänzlich zur Ohnmacht, zur Untätigkeit verurteilt sein würden und, wenn dann alle Polizisten überhaupt nutzlos wären, ob wir nicht bald endgültig verabschiedet werden würden.
Da erinnerte ich mich des Briefes, der mir vor zehn Tagen zugegangen war, jenes vom Great-Eyry datierten Briefes, der mich mit dem Verluste der Freiheit, sogar des Lebens bedrohte, wenn ich meinen frühern Versuch zu wiederholen wagte. Ich dachte auch daran, daß man mich vor kurzer Zeit so auffallend belauert hatte. Seit diesen Tagen war aber kein weiterer Brief dieser Art angekommen, und den beiden verdächtigen Persönlichkeiten war ich niemals begegnet. Auch die stets auf der Wacht stehende Grad hatte sie in der Long-Street nicht wiedergesehen.
Ob es wohl ratsamer war, jetzt Herrn Ward ins Vertrauen zu ziehen? Bei näherer Überlegung sagte ich mir jedoch, daß die Angelegenheit betreffs des Great-Eyry augenblicklich kein besonderes Interesse bot. »Der Andere« hatte die Erinnerung daran ausgelöscht. Höchstwahrscheinlich dachten die Landleute jener Gegend auch nicht mehr viel daran, da die merkwürdigen Erscheinungen, die Ursache ihrer Angst, sich nicht erneuert hatten, und so gingen sie jedenfalls sorglos wieder ihrer gewohnten Beschäftigung nach.
Ich beschloß deshalb, meinem Vorgesetzten gegenüber des Briefes nicht eher zu erwähnen, als bis die Umstände es später vielleicht angezeigt erscheinen ließen. Er würde jetzt darin doch nur den Schelmenstreich eines Witzboldes erblickt haben.
Nach einigen Minuten des Stillschweigens wurde unser unterbrochenes Gespräch wieder aufgenommen.
»Wir werden versuchen, mit jenem Erfinder in Verbindung zu kommen, um mit ihm zu verhandeln, sagte Herr Ward. Er ist jetzt verschwunden, das[93] steht fest, doch das berechtigt nicht zu der Annahme, daß er auch niemals wieder auftauchen und daß sein Erscheinen nicht von irgendeinem Punkte des amerikanischen Gebietes aufs neue gemeldet werden könnte. Nun ist unsere Wahl, lieber Strock, auf Sie gefallen; halten Sie sich also bereit, auf den ersten Wink aufzubrechen, ohne eine Stunde zu säumen. Gehen Sie nicht mehr aus, außer um nach dem Polizeiamt zu kommen, um unsere letzten Verhaltungsmaßregeln zu erfahren, und wenn es dann nötig erscheint...
– Ich werde mich Ihren Vorschriften nach allen Seiten anpassen, Herr Ward, erwiderte ich, und werde bereit sein, Washington auf den ersten Wink zu verlassen, wohin es auch sei. Ich erlaube mir nur noch. eine Frage an Sie zu richten: Soll ich ganz allein handeln, oder empföhle es sich nicht, mir Begleiter zu geben?
– Das wollte ich vorhin gerade sagen, unterbrach mich Herr Ward. Wählen Sie selbst zwei Polizisten, zu denen Sie Vertrauen haben.
– Das wird leicht genug sein, Herr Direktor, und wenn ich nun früher oder später mit dem Manne – dem Teufelskerl, sagte ich für mich – zusammentreffe, was soll ich dann tun?
– Zunächst ihn nicht aus den Augen verlieren, und, wenn es ratsam erscheint, sich seiner bemächtigen, denn Sie werden einen Verhaftsbefehl mitzunehmen haben...
– Wohl eine nutzlose Vorsicht, Herr Ward. Wenn der nun auf sein Automobil spränge, und mit der Ihnen bekannten Geschwindigkeit davonsauste..., da versuche einer doch, so einen Burschen zu fangen, der in der Stunde zweihundertvierzig Kilometer hinter sich bringt!
– Ja, die muß er nicht erst machen können, Strock, und nach der Verhaftung geben Sie uns sofort Nachricht; das übrige ist unsere Sache.
– Rechnen Sie auf mich, Herr Direktor. Zu jeder Stunde, am Tage und in der Nacht, werde ich mit meinen Begleitern fertig sein, aufzubrechen. Ich danke Ihnen bestens, mir diese Sache zur Erledigung anvertraut zu haben. Gelingt das, so gereicht es mir ja doch zur großen Ehre...
– Und zu großem Nutzen!« fiel mein Chef ein, der mich damit entließ.
Nach Hause zurückgekehrt, beschäftigte ich mich mit den Vorbereitungen zu einer Reise, die längere Zeit dauern konnte. Vielleicht bildete Grad sich ein, daß es sich um eine zweite Fahrt nach dem Great-Eyry handelte, und der Leser weiß ja, wie sie über dieses Vorzimmer der Hölle dachte. Immerhin unterdrückte[94] sie jede bezügliche Bemerkung, und ich zog es vor, sie nicht ins Vertrauen zu ziehen, so sehr ich auch auf ihre Verschwiegenheit bauen konnte.
Was die beiden Polizisten betraf, die ich mitnehmen wollte, so war meine Wahl bald getroffen. Beide gehörten zu der Abteilung für diskrete Nachforschungen und waren der eine dreißig, der andere zweiunddreißig Jahre alt. Sie hatten schon bei mancher Gelegenheit unter meiner Leitung Proben von Mut, Scharfsinn und Tatkraft abgelegt. Der eine, John Hart, stammte aus Illinois, der andere, Nab Walker, aus Massachusetts. Ich hätte gar keine glücklichere Hand haben können.
Wiederum vergingen einige Tage. Noch immer verlautete nichts Neues über das Automobil, das Schiff oder das Unterseeboot. Trafen auch vereinzelte Mitteilungen im Polizeiamt ein, so wurden sie doch bald als falsch erkannt, so daß es sich nicht der Mühe lohnte, ihnen irgendwie Folge zu geben. Das – ich finde kein anderes Wort – Geschwätz in den Zeitungen war erst recht ohne Wert; man weiß ja, daß auch bei den am besten bedienten Blättern vielerlei Irrtümer kaum zu vermeiden sind.
Zweimal war es jedoch wohl nicht zweifelhaft, daß der »Löwe des Tages« sich gezeigt hatte, das eine Mal auf den Landstraßen von Arkansas in der Umgebung von Little Rock, und das zweite Mal in der südlichen Gegend des Oberen Sees.
Ein ganz unerklärlicher Umstand hierbei lag nur darin, daß sein erstes Erscheinen auf den Nachmittag des 26. und das zweite auf den Abend desselben Tages fiel, da die Entfernung zwischen den beiden in Betracht kommenden Punkten nicht unter achthundert Meilen (1280 Kilometer) beträgt, und wenn das Automobil bei seiner unheimlichen Fahrgeschwindigkeit diese Strecke in so kurzer Zeit zurücklegen konnte, so hätte man das auf seiner Fahrt durch Arkansas, Missouri, Jowa und Wisconsin doch einmal sehen müssen. Dennoch wurde sein Vorüberkommen von keiner Seite gemeldet, obwohl der Chauffeur seine Reise nicht anders als über Land ausführen konnte.
Jeder wird zugestehen, daß das doch kaum zu begreifen war, und in der Tat begriff es auch niemand.
Übrigens hatte ihn nach seinem zweimaligen Auftauchen auf der Straße von Little Rock und nahe dem Ufer des Obern Sees kein Mensch sonst wo bemerkt. Meine Polizisten und ich hatten also noch keine Veranlassung abzureisen.[95]
Die Regierung hatte, wie wir wissen, mit der geheimnisvollen Persönlichkeit in Verbindung treten wollen. Man mußte aber jeden Gedanken, sich des Unbekannten zu bemächtigen, aufgeben, und durch andere Mittel zum Ziele zu gelangen suchen. Von besonderer Wichtigkeit war es – und das fand auch in den Äußerungen der großen Menge unverhohlen Ausdruck – daß die Union die alleinige Besitzerin eines Apparates würde, der ihr, vor allem im Kriegsfalle, eine unbestreitbare Überlegenheit über die anderen Länder sicherte. Übrigens konnte man wohl annehmen, daß der Erfinder amerikanischer Herkunft wäre, da er sich nur auf amerikanischem Gebiete zeigte, und daß er es vorziehen würde, mit Amerika zu verhandeln.
Am 3. Juli brachten nun die Zeitungen der Vereinigten Staaten eine Bekanntmachung, die folgenden klaren und bestimmten Inhalt hatte:
»Im April des laufenden Jahres ist auf den Landstraßen von Pennsylvanien, Kentucky, Ohio, Tennessee, Missouri und Illinois ein Automobil gesehen worden, das sich auch am 27. Mai, bei Gelegenheit des vom American Club veranstalteten Wettfahrens, auf den Landstraßen von Wisconsin gezeigt hat, nachher aber verschwunden ist.
»In der ersten Woche des Juni ist dann ein Schiff aufgetaucht, das mit auffallender Geschwindigkeit die Gewässer Neuenglands zwischen dem Kap Nord und dem Kap Sable, vorzüglich in der Nähe von Boston, befahren hat, dann aber ebenfalls verschwunden ist.
»In der zweiten Woche desselben Monats hat dann ein Unterseeboot im Wasser des Kirdallsees in Kansas mehrfach manövriert und ist nachher auch verschwunden.
»Alles läßt darauf schließen, daß diese Apparate von demselben Erfinder herrühren, doch wahrscheinlich nur einen einzigen bilden, der die Eigenschaft hat, sich auf dem Lande ebenso wie auf und unter dem Wasser fortzubewegen.
»Dem Erfinder, wer das auch sein möge, wird des halb hiermit der Vorschlag gemacht, den genannten Apparat von ihm zu erwerben.
»Unter dem Ersuchen, sich zu erkennen zu geben, wird er gleichzeitig gebeten, den Preis zu nennen, um den er geneigt wäre, mit der Bundesregierung in Verhandlung zu treten. Seiner möglichst bald zu erteilenden Antwort wird im General-Polizeiamt von Washington, Distrikt Columbia, Vereinigte Staaten, entgegengesehen.«
So lautete die Aufforderung, die fett gedruckt in den Zeitungen erschien. Jedenfalls mußte sie dem, an den sie gerichtet war, er mochte sich aufhalten,[96] wo er wollte, bald genug unter die Augen kommen. Er würde sie lesen und dann nicht umhin können, in der einen oder anderen Weise zu antworten. Wie hätte er ein solches Angebot überhaupt ablehnen können?
Jetzt war also nur seine Antwort abzuwarten.
Man wird sich hiernach leicht vorstellen, welche Spannung bei dieser Sachlage im Publikum herrschte. Vom Morgen bis zum Abend drängte sich vor dem Polizeiamte eine neugierige, lärmende Volksmenge hin und her, die begierig das Eintreffen eines Briefes oder eines Telegramms erwartete. Die[97] Reporter wichen gar nicht mehr von der Stelle. Welche Ehre, welcher Vorteil für das Journal, das die berühmte Neuigkeit zuerst bringen würde! Endlich erfuhr man damit ja den Namen und den Beruf des geheimnisvollen Mannes, und auch, ob er zustimmte, mit der Bundesregierung in Verbindung zu treten. Selbstverständlich würde Amerika dabei nicht kleinlich auftreten. Die Millionen fehlen ihm ja nicht, und im Notfalle stellten seine Milliardäre ihm gewiß gern ihre unerschöpflichen Schätze zur Verfügung.
So verging ein Tag. Vielen nervösen und ungeduldigen Leuten schien er weit mehr als vierundzwanzig Stunden zu zählen und jede Stunde mehr als sechzig Minuten zu haben.
Keine Antwort, kein Brief, keine Depesche! Die Nacht kam heran... keine Nachricht. Und so ging das noch drei Tage weiter.
Dann geschah, was vorherzusehen gewesen war. Auf dem Kabelwege hatte Europa erfahren, was Amerika anbot. Die verschiedenen Staaten der Alten Welt unterließen gewiß nicht ähnliche Schritte wie dieses. Warum sollten sie ihm auch nicht den Besitz eines Apparates streitig machen, der jedem Staate so unermeßlichen Vorteil versprach? Warum sollten sie nicht in das Duell der Millionen eingreifen?
Wirklich bereiteten sich schon die Großmächte, Deutschland, Frankreich, Österreich, England, Rußland und Italien, zu einer Einmischung in diesem Sinne vor. Nur die Staaten zweiten Ranges versuchten es von vornherein gar nicht, an diesem Wettstreite teilzunehmen, der ihre Finanzen völlig ruiniert haben würde. Die europäische Presse veröffentlichte mehrere, mit der amerikanischen dem Sinne nach gleichlautende Bekanntmachungen. Tatsächlich hing es unter diesen Verhältnissen nur von dem »Chauffeur« selbst ab, ein Rivale Goulds, Morgans, Astors, Vanderbilts oder der Rothschilds in Frankreich, England und Österreich zu werden.
Da die genannte Persönlichkeit kein Lebenszeichen von sich gab, erfolgten nun bestimmte Angebote, um sie zu veranlassen, die bisher bewahrte Geheimhaltung aufzugeben. Die ganze Welt wurde zu einem öffentlichen Markte, zu einem einzigen Börsenplatze mit wahrhaft unglaublichen Kaufsangeboten. Zweimal täglich brachten die Zeitungen den Stand des »Kurses«, und dieser erhöhte sich immer um Millionen und weitete Millionen.
Nach einer für immer denkwürdigen Kongreßsitzung taten die Vereinigten Staaten das Höchstgebot von zwanzig Millionen Dollars (80 Millionen Mark).[98]
Dennoch gab es keinen amerikanischen Bürger, welcher Gesellschaftsklasse er auch angehören mochte, der diese Summe für übertrieben erklärt hätte, eine so große Wichtigkeit maß man dem Besitz des wunderbaren, beweglichen Apparates bei. Und ich... immer allen voraus, ich wiederholte der guten Grad einmal ums andere, daß »die Sache noch viel mehr wert sei«!
Die anderen Nationen schienen freilich nicht der gleichen Ansicht zu sein, denn ihre Gebote blieben hinter jener Zahl zurück. Die unterlegenen Bewerber ergingen sich nun, wie zum eigenen Troste, in allerlei Bemerkungen... Der Erfinder werde sich nicht zu erkennen geben... Den Mann gäbe es überhaupt nicht... Er hätte niemals existiert, oder.. Er foppe nur die Welt in großem Stile... Wisse man denn übrigens, ob er nicht mit seiner Maschine in einen Abgrund gestürzt oder in der Tiefe des Meeres umgekommen sei? So quittierten die Zeitungen der Alten Welt ironisch über den gebotenen hohen Preis.
Leider verstrich immer mehr Zeit ohne eine Nachricht von unserem Manne, ohne eine Antwort von ihm. Von nirgendsher wurde sein Erscheinen gemeldet. Seit seinen Kreuzfahrten am Oberen See hatte ihn niemand wiedergesehen.
Ich wußte nun bald nicht mehr, was ich von der Sache denken sollte, und fing schon an, jede Hoffnung auf glückliche Erledigung der seltsamen Angelegenheit aufzugeben.
Da wurde am Morgen des 15. Juli im Briefkasten des Hauptpolizeiamtes ein Brief ohne Stempel und Postmarke gefunden.
Gleich nachdem die Behörden von seinem Inhalte Kenntnis genommen hatten, überließen sie ihn den Zeitungen Washingtons, die ihn als Faksimile in einer Sonderausgabe veröffentlichten.[99]
Buchempfehlung
Nach einem schmalen Band, den die Droste 1838 mit mäßigem Erfolg herausgab, erscheint 1844 bei Cotta ihre zweite und weit bedeutendere Lyrikausgabe. Die Ausgabe enthält ihre Heidebilder mit dem berühmten »Knaben im Moor«, die Balladen, darunter »Die Vergeltung« und neben vielen anderen die Gedichte »Am Turme« und »Das Spiegelbild«. Von dem Honorar für diese Ausgabe erwarb die Autorin ein idyllisches Weinbergshaus in Meersburg am Bodensee, wo sie vier Jahre später verstarb.
220 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro