Sechzehntes Capitel.
Das völlig schlagend beweist, daß Kamylk-Pascha seine Seefahrten wirklich bis nach dem Golf von Oman ausgedehnt hatte.

[194] Da lag es also vor ihm, jenes Eiland, das Meister Antifer in Gedanken auf den Werth von wenigstens hundert Millionen schätzte. Nicht fünfundsiebzig Centimes hätte er sich abhandeln lassen, wenn die Gebrüder Rothschild es »wie es steht und liegt« hätten kaufen wollen.

Der äußern Erscheinung nach war es nur eine nackte, dürre Felsmasse ohne jedes Grün, die bei länglich runder Gestalt einen Umfang von zweitausend bis zweitausendfünfhundert Metern haben mochte. Ihre Ränder zeigten vielfache Einschnitte, hier Spitzen, dort wenig tiefe Buchten. In einer solchen, die nach Westen zu gelegen und gegen den eben herrschenden Wind geschützt war, fand die Perme jedoch gute Zuflucht. Das Wasser darin war sehr klar, so daß man bei zwanzig Fuß Tiefe den sandigen, mit Meerpflanzen bedeckten Grund sehen konnte. Als die »Berbera« festgelegt war, vermochte die nahe Brandung sie kaum leicht zum Schwanken zu bringen.

Das war immerhin genug, ja sogar zuviel, als daß der Notar noch eine Minute hätte an Bord bleiben mögen. Mit Mühe hatte er sich nach dem Verdeck geschleppt und wollte eben aufs Land hinüberspringen, als Meister Antifer ihn aufhielt und dem Männchen zurief.

»Halt, halt! Herr Omar!... Erst ich, wenn's Ihnen beliebt!«

Ob ihm das nun beliebte oder nicht, jedenfalls mußte der Notar warten, bis der unregierbare Malouin von seinem Eiland Besitz genommen hatte, was er dadurch that, daß er die Sohlen seiner Schifferstiefeln tief in den Sand eindrückte.

Dann durfte ihm Ben Omar nachfolgen, und der seufzte erleichtert auf, als er festen Boden unter den Füßen fühlte. Gildas Tregomain, Juhel und Saouk befanden sich bald bei ihnen.

Inzwischen hatte Selik das Eiland mit dem Blicke gemustert und sich gefragt, was die Fremdlinge hier wohl vorhätten, daß sie eine so lange[194] Reise und so große Unkosten daransetzten. Nur die Lage dieses Felsennestes zu bestimmen, das ließ sich wohl kaum annehmen, wenigstens wenn jene Leute nicht reine Narren waren. Wenn sich auch bei Meister Antifer einige Spuren davon zeigten, so hatten doch Juhel und der Frachtschiffer offenbar Sinn und Verstand bei einander. Und dennoch betheiligten sie sich bei dieser auffälligen Geschichte! Da waren ferner die beiden Aegypter, die daran auch Interesse zu haben schienen...

Selik hatte jetzt also mehr als jemals Ursache, die Schritte dieser Fremdlinge zu beobachten, und er wollte ihnen eben nach dem Eilande folgen. Da gab Pierre-Servan-Malo seinem Neffen ein von diesem verstandenes Zeichen, und letzterer wendete sich an Selik mit den Worten:

»Es ist unnöthig, daß Sie uns begleiten. Hier brauchen wir keinen Dolmetscher... Ben Omar spricht französisch wie seine Muttersprache....

– Dann ist's gut!« begnügte sich Selik zu antworten.

Der Polizist wollte keine Verhandlung hervorrufen. Er hatte sich dem Meister Antifer zur Verfügung gestellt und mußte sich dessen Anordnungen nun auch fügen. Dagegen behielt er sich vor, mit seinen Leuten einzugreifen, wenn die Fremden nach dem Fahrzeuge zurückkehrten und irgendwelche Gegenstände mit an Bord bringen sollten.

Jetzt war es schon dreieinhalb Uhr nachmittags. An Zeit fehlte es also nicht, sich in den Besitz der drei Fässer zu setzen, wenn sich diese überhaupt vorfanden, und daran zweifelte der Malouin keinen Augenblick.

Die »Berbera« sollte also in der kleinen Bucht liegen bleiben. Durch Vermittelung Selik's verständigte der Führer der Perme Juhel aber, daß er nur bis sechs Uhr warten werde. Die Nahrungsmittel waren fast zu Ende. Jetzt galt es also, den günstigen Wind zu benützen, um, etwa mit Anbruch des nächsten Tages, Sohar wieder zu erreichen. Meister Antifer erhob dagegen keinen Einwand. In mehreren Stunden konnte er sein Vorhaben ja recht gut erledigt haben.

Es handelte sich ja nicht darum, das überdies beschränkte Eiland zu durchmessen oder es Schritt für Schritt zu untersuchen. Nach dem bekannten Briefe lag die Oertlichkeit mit dem Schatze an einer der südlichen Spitzen und am Fuße einer durch das Doppel-K bezeichneten Felswand. Die Spitzaxt mußte die drei Fässer bald bloßlegen, die Meister Antifer bequem nach der Perme zu rollen gedachte. Natürlich hätte er das gern ohne Zeugen vorgenommen[195] – mit Ausnahme des ihm als solchen aufgenöthigten Ben Omar und dessen Schreibers Nazim. Da es die Besatzung der »Berbera« gar nichts angehen konnte, was jene Fässer enthielten, drohte höchstens die Karawanenreise nach Mascat einige Schwierigkeiten zu bieten. Doch damit hatte man sich ja erst später abzufinden.

Meister Antifer, Gildas Tregomain und Juhel einerseits, sowie Ben Omar und Nazim andrerseits, begannen nun den Abhang des Eilandes zu erklimmen, dessen mittlere Höhe über dem Meere etwa hundertfünfzig Fuß betrug. Bei ihrer Annäherung flatterten einige Völker Wildenten auf, die gegen diesen Einbruch in ihr gewohntes Heim mit lautem Geschrei protestierten. Gewiß mochte seit Kamylk-Paschas Besuche hier keines Menschen Fuß den öden Felsblock betreten haben. Der Malouin trug die Spitzhaue auf der Schulter – er hätte sie auch keinem andern überlassen. Der Frachtschiffer hatte eine Schaufel bei sich, und mit einem Compaß in der Hand bestimmte Juhel die Himmelsgegenden.

Der Notar hatte einige Mühe, von Saouk nicht überholt zu werden. Noch zitterten ihm die Beine, obwohl er nicht mehr auf dem Verdeck der Perme stand. Dennoch hatte er seine Sinne wieder beisammen, seine Intelligenz wieder erlangt und die Beschwerden der Fahrt vergessen, wogegen er schon an die der Rückreise dachte. Auf diesem Eiland gab es ja eine Stelle, die für ihn eine ungeheure Provision barg, und wenn's ihm nicht um die Verschwiegenheit des Notars zu thun gewesen wäre, so hätte es Saouk wohl fertig gebracht, ihm diese zu verweigern, wenn es ihm gelang, sich des Schatzes zu bemächtigen.

Der Erdboden war ziemlich steinig und nicht leicht zu begehen. Nach der Mitte zu gelangte man nur durch Umgehung mehrerer kaum zu überwindender Einzelerhöhungen. Als die Gruppe den hervorragendsten Punkt erreicht hatte, erblickte sie die Perme, deren Flagge im Winde flatterte.

Von hier aus war auch der Umfang des Eilandes klar zu erkennen. Da und dort traten an demselben Spitzen hervor, unter diesen die... Millionenspitze! Ein Irrthum war nicht möglich, da das Testament angab, daß diese nach Süden zu liege.

Mit Hilfe des Compasses hatte Juhel sie schnell genug aufgefunden. Sie bildete eine dürre Zunge, die an dem weißen Schaume der leichten Brandung leckte.

Und noch einmal kam dem jungen Kapitän der peinigende Gedanke, daß die unter diesem Felsen verscharrten Reichthümer sich zwischen ihm und seiner[196] Verlobten als unüberwindliches Hinderniß aufzuthürmen drohten. Den Starrsinn seines Onkels würde doch niemand zu brechen vermögen. Da kam ihm die Lust – eine wilde, doch von ihm bemeisterte Lust – an, den Oheim auf eine falsche Fährte zu leiten.

Der Frachtschiffer fühlte sich von zwei entgegengesetzten Empfindungen zermartert: von der Furcht, daß Juhel und Enogate niemals ein Paar würden, und von der, daß sein Freund Antifer ganz den Verstand einbüßen könnte, wenn ihm die Erbschaft Kamylk-Paschas entging. In einer Art Wuth schlug er mit der Schaufel auf den Boden ein, daß die Steinstücke nur so um ihn herumflogen.

»He... Du da... Frachtschiffer, Dich sticht wohl der Hafer? fragte Meister Antifer.

– Keineswegs! antwortete Gildas Tregomain.

– Warte gefälligst mit Deinen Axthieben, bis wir an Ort und Stelle sind!

– Ja, ja, ich werde warten, alter Freund!«

Nach Süden hin weiter wandernd, stieg die kleine Gesellschaft nach einer dort hinausragenden Spitze hinab, die kaum sechshundert Schritte weit entfernt war.

Meister Antifer, Ben Omar und Saouk, die letzt vorausgingen, beschleunigten ihre Schritte, als würden sie von einem Magnete angezogen – jenem Magnete Gold, der auf alle Menschen wirkt. Ihr Athem keuchte. Es schien, als witterten sie jenen Schatz, als athmeten, als saugten sie ihn ein, als durchdränge sie eine Atmosphäre von Millionen, und als müßten sie ersticken, wenn ihnen diese entschwände.

In zehn Minuten war die Spitze erreicht, die weit hinausragend sich im Meer verlief. Am Anfang derselben sollte Kamylk-Pascha also die Felswand mit einem doppelten K bezeichnet haben.

Hier erreichte nun die Aufregung des Meister Antifer einen solchen Grad, daß er zusammenzusinken drohte. Ohne daß Gildas Tregomain ihn mit den Armen auffing, wäre er wie eine leblose Masse niedergefallen, denn das Leben verrieth sich in ihm nur noch durch krampfhafte Zuckungen.

»Onkel!... Liebster Onkel! rief Juhel.

– Alter, lieber Freund!« secundierte diesem der Frachtschiffer.

Saouk machte ein Gesicht, über dessen Bedeutung man sich nicht täuschen konnte, und als wollte er sagen:[197]

»Möchte er crepieren, der Christenhund, dann bin ich der einzige Erbe Kamylk-Paschas!«

Die Physiognomie Ben Omar's dagegen schien vielmehr auszudrücken:

»Doch wenn dieser Mann, der allein die genaue Stelle des Schatzes weiß, sterben sollte, wär' ich ja um meinen Antheil!«

Der Anfall ging zum Glück ohne schlimme Folgen vorüber. Die kräftigen Reibungen des Frachtschiffers brachten den Malouin wieder zu sich, so daß er die ihm entfallene Spitzhacke von neuem ergriff. Dann begannen die Männer eine genauere Besichtigung der Felsenwand..

Längs derselben zog sich eine Art schmalen Weges hin, hoch genug. um vom Meere selbst bei stürmischem Südwest nicht überspült zu werden. Man hätte vergeblich einen geeigneteren Platz gesucht, um Millionen sicher niederzulegen. Die Stelle wiederzuerkennen, konnte keine große Schwierigkeit bieten, wenn Wind und Wetter seit einem Vierteljahrhundert das Monogramm nicht zerstört hatten.

Pierre-Servan-Malo war bereit, die ganze Spitze einzeln zu untersuchen; er hätte die Felsen einen nach dem andern gesprengt, und wenn es ihm Wochen oder Monate kostete. Die Perme konnte ja in Sohar frischen Proviant holen. Nein! Er verließ jetzt das Eiland nicht eher, als bis er ihm die Schätze, deren rechtmäßiger Eigenthümer er war, entrissen hatte.

Dieselben Gedanken erfüllten Saouk, so daß der Seelenzustand bei beiden, nicht gerade zur Ehre der menschlichen Natur, völlig übereinstimmte.

Jetzt waren alle beim Werke, suchten und spähten umher, wühlten die Algendecke auseinander und rissen den Tang los, wo er sich abgelagert hatte. Mit seiner Spitzhaue bohrte Antifer in die Spalten des Gesteins, der Frachtschiffer hämmerte mit der Schaufel daran herum. Ben Omar kroch auf allen Vieren wie eine Krabbe über die Rollsteine des Bodens hin. Juhel und Saouk waren ebenfalls nicht müßig. Kein Wort wurde mehr gewechselt – bei einer Leichenfeier hätte kein größeres Stillschweigen herrschen können....

In der That war es ja auch ein Kirchhof, dieses im Golfe verlorene Eiland, und ein Grab war es, was die Männer so eifrig suchten, ein Grab, aus dem sie die Millionen des Aegypters wieder herausholen wollten.

Nach einer halben Stunde war noch nichts gefunden, deshalb erlahmte aber keiner; unterlag es doch keinem Zweifel, daß sie sich auf dem Eiland Kamylk-Paschas befanden und daß die Fässer an dessen Südvorsprünge vergraben lagen.[198]

Verzehrend brannte die Sonne; der Schweiß strömte über die Gesichter – die Leute wollten nichts von Erschöpfung spüren. Alle arbeiteten mit dem Eifer von Ameisen, die sich ihren Bau aushöhlen, alle – selbst der Frachtschiffer, den der Dämon Habgier jetzt auch gepackt hatte. Nur um Juhels Lippen prägte sich zuweilen die Erschöpfung deutlicher aus.

Endlich ließ sich ein Ausruf der Freude – oder war es der Aufschrei eines Raubthieres? – vernehmen.

Meister Antifer war es, der ihn ausgestoßen hatte. Halb vorgeneigt, das Haupt entblößt und die Hand hinausgestreckt, zeigte er auf einen, gleich einem Monolithen emporstrebenden Felsen.

»Da!... da!« rief er wiederholt.

Und hätte er sich jetzt vor diesem Steingebilde niedergeworfen, wie ein Trasteveriner vor einer Nische mit der Madonna – keiner seiner Gefährten hätte sich darüber verwundert. Sie hätten sich ihm vielmehr zu gemeinsamer Anbetung angeschlossen....

Juhel und der Frachtschiffer, Ben Omar und Saouk hatten sich dem Meister Antifer genähert, der eben niederkniete... sie sanken mit ihm in die Knie....

Was war denn Besondres an diesem Felsblock?

Da befand sich, sichtbar für die Augen, fühlbar für die Hände, das berühmte Monogramm Kamylk-Paschas, jenes Doppel-K, dessen Kanten zwar abgenagt waren, das aber trotzdem deutlich erkennbar vor ihnen stand.

»Da!... Da!« wiederholte Meister Antifer.

Damit bezeichnete er am Fuße des Felsens die Stelle, wo man einschlagen sollte, wo der seit zweiunddreißig Jahren niedergelegte Schatz in seinem Steinbette ruhte.

Sofort drang die Spitzhaue in den Erdboden ein, der knatternd aufbrach. Dann beseitigte Gildas Tregomain mit der Schaufel und Axt die mit Cementstücken vermengten Bruchstücke. Das Loch wurde tiefer... weiter. Die Brust der Männer keuchte, ihre Herzen hämmerten zum Zerspringen in Erwartung des letzten Schlages, der aus den Eingeweiden des Bodens eine Quelle von Millionen eröffnen sollte.

Noch immer drang man tiefer hinein, noch immer zeigten sich die Fässer nicht, die Kamylk-Pascha der Sicherheit wegen gewiß recht tief versenkt hatte. Doch was verschlug es, wenn es etwas mehr Zeit kostete.[199]

Plötzlich klang es wie ein metallischer Ton. Unbedingt war die Spitzhaue auf einen tönenden Gegenstand getroffen.

Meister Antifer bückte sich nach der Oeffnung nieder. Sein Kopf verschwand darin, während die Hände begierig umhertasteten....

Er erhob sich wieder mit blutgefüllten Augen...

Was er in der Hand hielt, war ein metallener Kasten in der Größe von höchstens einem Cubikdecimeter.

Alle starrten diesen mit dem Ausdrucke der Enttäuschung an, und Gildas Tregomain übersetzte gewiß den Gedanken aller übrigen, als er ausrief:

»Wenn da drin hundert Millionen stecken, soll mich der leibhaftige...

– Schweig still!« fuhr Meister Antifer auf.

Noch einmal durchsuchte er die Aushöhlung, brachte aber nur einige Felsenbruchstücke daraus hervor. Vergebliches Mühen! Hier fand sich nichts weiter vor als jener eiserne Kasten, auf dessen Deckel das erhaben ausgearbeitete Doppel-K des Aegypters sichtbar war.

Hatten Meister Antifer und seine Begleiter so vielen Mühen und Gefahren wirklich für nichts und wieder nichts Trotz geboten?... Wären sie so weit hierher gekommen, um das Opfer einer grausamen Mystification zu werden?

Juhel hätte wirklich lächeln mögen, wenn ihn sein Onkel nicht mit den gläsernen Augen des Irrsinnigen und mit verzerrtem Munde, aus dem unarticulierte Töne hervorquollen, zu seinem Entsetzen angestarrt hätte.

Gildas Tregomain erklärte später, er habe damals jeden Augenblick erwartet, ihn starr und steif umsinken zu sehen.

Plötzlich richtete sich Meister Antifer auf, ergriff die Spitzhacke, schwang sie wild herum und mit heftigem Schlage zertrümmerte er den Kasten. Diesem entfiel ein Schriftstück.


Das Haupt entblößt und die Hand hinausgestreckt, zeigt er auf einen Felsen. (S. 199.)
Das Haupt entblößt und die Hand hinausgestreckt, zeigt er auf einen Felsen. (S. 199.)

Es war ein von der Zeit vergilbtes Pergament, auf dem einige, noch recht gut lesbare Zeilen in französischer Sprache standen.

Meister Antifer ergriff das Document. Ohne daran zu denken, daß Ben Omar und Saouk ihn hören könnten und er diesen vielleicht ein Geheimniß verriethe, das er besser für sich behalten sollte, begann er mit zitternder Stimme folgende Zeilen zu lesen:

»Dieses Document enthält die Längenangabe eines zweiten Eilandes, die Thomas Antifer oder dessen directer Erbe zur Kenntniß des Banquiers Zambuco zu bringen haben. Der Genannte wohnt in...«[200]

Meister Antifer hielt inne. Mit einem Faustschlage stopfte er den unklugen Mund, der beinahe zuviel gesagt hätte.

Saouk verstand sich genügend zu beherrschen, um seine grausame Enttäuschung zu verbergen. Noch wenige Worte, und er hätte die Länge der Insel erfahren, zu der genannter Zambuco offenbar die Breite kannte, und außerdem gehört, in welchem Lande jener wohnte.... Der nicht minder enttäuschte Notar stand mit offnem Munde und heraushängender Zunge da, wie ein Hund, der stark durstet und dem man eben den Napf weggezogen hat.[201]

Bald darauf aber, nachdem jener Satz durch den erwähnten Faustschlag abgebrochen worden war, erhob sich Ben Omar und fragte, auf Grund seines Rechtes, die Intentionen Kamylk-Paschas kennen zu lernen:

»Nun... jener Banquier Zambuco... der wohnt...?

– In seinem Hause!« fertigte ihn Meister Antifer ab.

Damit faltete er das Schriftstück zusammen, steckte es in die Tasche und ließ Ben Omar verzweifelt die Hände zum Himmel emporstrecken.

Der Schatz befand sich also nicht auf dem Eiland des Golfes von Oman! Die Reise hatte nur den Zweck gehabt, den Meister Antifer aufzufordern, sich mit einer neuen Persönlichkeit, dem Banquier Zambuco, in Verbindung zu setzen. Vielleicht war dieser Mann ein zweiter Legatar, den Kamylk-Pascha für früher geleistete Dienste belohnen wollte. Vielleicht sollte er mit dem Malouin den diesem vermachten Schatz theilen. Das war nicht so unglaublich. Daraus ergab sich dann aber mit logischer Nothwendigkeit, daß der Tasche Meister Antifer's statt der geträumten hundert Millionen nur deren fünfzig zufließen würden.

Juhel ließ den Kopf hängen bei dem Gedanken, daß das noch immer viel zu viel wäre, um die Ansichten seines Onkels bezüglich seiner Verheiratung mit Enogate zu verändern.

Was Gildas Tregomain angeht, so schien dessen heimliches Lächeln sagen zu wollen, daß fünfzig Millionen immer noch ein artiger Pfennig Geld seien, wenn sie einem glatt in den Schoß fallen.

Juhel hatte aber eigentlich ganz richtig errathen, was jetzt Meister Antifer durch den Kopf ging und daß dieser, wenn er darüber klar geworden war, nur sagen würde:

»So braucht Enogate an Stelle eines Prinzen blos einen Herzog zu heiraten und Juhel kommt mit einer Herzogin an Stelle einer Fürstin als Ehegespons davon!«

Ende des ersten Theiles.[202]

Quelle:
Jules Verne: Meister Antiferߣs wunderbare Abenteuer. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band LXV–LXVI, Wien, Pest, Leipzig 1895, S. 194-203.
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