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[310] Das Verschwinden der Schwarzen, der Reit- und Lastthiere brachte Mrs. Branican und diejenigen, welche ihr treu geblieben waren, in eine verzweifelte Lage.
»Verrath!« rief zuerst Zach Fren. »Verrath!« wiederholte Godfrey. Es war zu augenscheinlich, daß diesem Verschwinden Verrath zu Grunde lag, was auch die Meinung des Tom Marix war, der ja wußte, welchen verderblichen Einfluß Len Burker auf die Escorte von Eingebornen ausübte.
Dolly bezweifelte dies noch immer, denn sie wollte an eine solche Niedertracht nicht glauben.
»Konnte Len Burker nicht ebenso von dem Sturme weitergeschleudert werden wie wir?
– Ja, gerade mit den Schwarzen, erwiderte Zach Fren, und mit ihnen auch die Kameele, die unsre Lebensmittel trugen?[310]
– Meine arme Jane, murmelte Dolly, sie wurde von mir getrennt, ohne daß ich es bemerkte.
– Len Burker wollte sie nicht bei Ihnen lassen, Mrs. Branican, versetzte Zach Fren, der Elende!...
– Elende?... Gut!... O!... Sehr gut! sagte Jos Meritt. Wenn das nicht Verrath ist, so will ich nie den Hut finden... dessen...«
Dann wendete er sich zu dem Chinesen:
»Was denkst Du davon, Gîn-Ghi?
– Ay-ya, Herr Jos, ich denke, daß ich tausendmal besser gethan hätte, ein so unfreundliches Land nicht zu betreten.
– Vielleicht!« erwiderte Jos Meritt.
Der Verrath wurde von allen Seiten mit solcher Gewißheit ausgesprochen, daß Mrs. Branican sich zu folgenden Worten genöthigt sah:
»Aber warum haben sie mich getäuscht, was habe ich Len Burker gethan?... Habe ich nicht Alles vergessen... Habe ich sie nicht wie meine Verwandten aufgenommen, seine unglückliche Frau und ihn?... und er verläßt uns, raubt uns alle Hilfsmittel und stiehlt mir das Lösegeld für John!... Aber warum?«
Niemand kannte das Geheimniß Len Burker's und Niemand hätte ihr darauf eine Antwort geben können. Nur Jane wäre im Stande gewesen, die schändlichen Pläne ihres Mannes zu enthüllen, und diese war nicht da.
Indes war es nur allzu richtig, daß Len Burker soeben einen Plan zur Ausführung gebracht hatte, den er lange mit sich herumtrug und der die erhoffte Wirkung bringen mußte. Unter dem Versprechen, die Schwarzen gut zu zahlen, gewann er sie leicht für seinen Anschlag. Zwei der Eingebornen schleppten während des Sturmes Jane davon, ohne daß ihr Hilfsgeschrei gehört werden konnte, und die anderen trieben die um das Lager zerstreuten Kameele gegen Norden.
Niemand hatte sie in der tiefen Dunkelheit bemerkt, die durch den Wirbelsand noch verdichtet wurde, und bevor die Sonne aufging, waren Len Burker und seine Gefährten schon einige Meilen östlich von Joanna-Spring.
Da Jane jetzt von Dolly getrennt war, hatte ihr Gatte nicht mehr zu fürchten, daß vielleicht doch zuletzt das Geheimniß Dolly enthüllt werden würde. Uebrigens konnte er annehmen, daß Mrs. Branican und ihre Gefährten, entblößt von Lebensmitteln, in der ungeheuren Wüste zu Grunde gehen würden.[311]
In der That war die Karawane jetzt immer noch dreihundert Meilen von Fitz-Roy entfernt.
Wie konnte Tom Marix auf einem so langen Wege für die Bedürfnisse von Menschen und Thieren sorgen?
Der Okaover ist einer der wichtigsten Nebenflüsse des Grey, der in den Indischen Ocean mündet. An den Ufern desselben, den die glühende Sonne nie austrocknet, fand Tom Marix schattige Plätze und jene angenehmen Stellen wieder, die der Oberst Warburton nicht genug loben konnte.[312]
Welch herrlicher Anblick, nach monatelangem Zuge durch die Wüste wieder fließende Gewässer und eine grüne Natur zu sehen! Doch wenn Warburton an den Ufern dieses Flusses fast bestimmt wußte, daß er sein Ziel erreichen werde, da er nur stromabwärts bis an die Küste zu ziehen brauchte, so hatte Mrs. Branican noch den Weg durch die öden Gegenden vor sich, die den Okaover vom Fitz-Roy trennen.
Die Karawane bestand nur noch aus zweiundzwanzig Personen gegen dreiundvierzig, die sie bei dem Aufbruche von Alice-Spring zählte: Dolly und die Dienerin Harriette, Zach Fren, Tom Marix, Godfrey, Jos Meritt, Gîn-Ghi und fünfzehn Weiße der Escorte, von denen zwei ernstlich krank waren. Als Reitthiere hatten sie nur vier Kameele, da die anderen von Len Burker geraubt worden waren, darunter auch das Männchen, welches die anderen leitete und auf dessen Rücken sich die Kibitka befand. Auch das Thier Jos Meritt's war verschwunden, so daß er wie sein Diener zu Fuß gehen mußte. Was die Lebensmittel anbelangt, so waren nur noch wenige Büchsen Conserven vorhanden, da ein Kameel eine Kiste derselben hatte fallen lassen. Kein Mehl, kein Kaffee, kein Thee, kein Zucker, kein Salz, keine alkoholischen Getränke, keine Medicamente! Wie hätte Dolly die beiden Fieberkranken pflegen können! Sie standen inmitten dieses nackten Landes aller Mittel entblößt da.
Beim ersten Morgengrauen versammelte Mrs. Branican, die nie den Muth verlor, ihre Getreuen um sich und sprach ihnen in begeisterten Worten neuen Muth zu.
Sie setzten ihren Marsch fort, aber unter solchen Umständen, daß der Vertrauensvollste an jedem Erfolge verzweifelt hätte. Von den vier Kameelen mußten zwei den Kranken überlassen werden, die man doch nicht in Joanna-Spring, einer jener unbewohnten Stationen, welche Warburton so oft auf seinem Marsche antraf, dem sicheren Tode preisgeben konnte. Würden diese braven Leute die Kraft haben, bis an die Ufer des Fitz-Roy auszuhalten, von wo es vielleicht möglich wäre, sie an einen Punkt der Küste zu befördern?... Es war zweifelhaft, und es preßte das Herz Mrs. Branican's zusammen, wenn sie dachte, daß die Katastrophe des »Franklin« vielleicht noch zwei neue Opfer fordern könnte...
Und doch gab Dolly ihren Plan nicht auf! Nein! Sie würde noch weiter suchen! Nichts sollte sie in der Erfüllung ihrer Pflicht aufhalten – auch wenn sie allein bliebe![315]
Als die Karawane das rechte Ufer des Okaover verließ, dessen Bett an einer Furt ungefähr eine Meile stromaufwärts von Joanna-Spring übersetzt wurde, schlug sie eine nord-nordöstliche Richtung ein, da Tom Marix auf diese Weise hoffte, den Fitz-Roy an einer jener zahlreichen Krümmungen zu erreichen, welche dieser Fluß bildet, bevor er sich dem Königsgolfe zuwendet.
Die Hitze war erträglicher. Es bedurfte der lebhaftesten Vorstellungen, daß Dolly bewogen wurde, eines der Kameele zu besteigen. Godfrey und Zach Fren schritten rüstig weiter, ebenso Jos Meritt mit seinen langen Beinen. Als Mrs. Branican ihm ihr Thier anbot, sagte er:
»Gut!... O!... Sehr gut! Ein Engländer ist ein Engländer, Mistreß, aber ein Chinese ist nur ein Chinese, und ich sehe durchaus nichts Ungehöriges darin, wenn Sie diesen Antrag Gîn-Ghi machen... Ich muß ihn aber abschlagen!«
Auch Gîn-Ghi ging zu Fuß, doch er dachte immer mit Wehmuth an die fernen Reize der Blumenstadt Sou-Tchëu, der angebeteten Stadt der »Himmlischen«.
Das vierte Kameel wurde bald von Tom Marix, bald von Godfrey benutzt, denn sie mußten nun recognosciren. Der Wasservorrath, den man vom Okaover mitnahm, würde bald verbraucht sein, und dann drohten von neuem furchtbare Qualen.
Von dem Flusse aus schlugen sie die directe Richtung gegen Norden ein, auf der nur wenig Sandhügel zu erblicken waren. Da das Gras zeitweilig dichtere Gruppen bildete und auch hin und wieder kleine Sträucher zu sehen waren, so gewährte diese Gegend keinen solchen eintönigen Anblick. Vielleicht konnten sie sogar auf Wild stoßen, denn Tom Marix, Godfrey und Zach Fren, die nie ihre Waffen ablegten, waren glücklicherweise noch im Besitze ihrer Gewehre und Waffen, von denen sie tüchtig Gebrauch machen wollten, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Freilich mußte die Munition sehr geschont werden, da sie nur noch wenig davon hatten.
So ging es dann einige Tage weiter. Die Flußbetten, die dieses Territorium durchschnitten, enthielten nur Kieselsteine und trockenes Gras, und der Sand zeigte nicht die geringste Feuchtigkeit. Sie mußten daher auf die Entdeckung von Cisternen ausgehen, und zwar aller vierundzwanzig Stunden eine, weil sie nicht mehr Fäßchen zur Verfügung hatten.
Godfrey ging nach links und nach rechts, wenn er glaubte, Wasser zu finden.[316]
»Mein Kind, sagte Mrs. Branican zu ihm... sei nicht unvorsichtig!... Setze Dich keiner Gefahr aus!
– Mich keiner Gefahr aussetzen, wenn es sich um Sie und um das Heil des Capitän John handelt!«
Dank seiner Hingebung und Dank einem gewissen Instinct, der ihn leitete, wurden einige Cisternen aufgefunden, indem sie sich manchmal mehrere Meilen nach Süden oder Norden wandten.
Wenn auch der Durst sie somit nicht mehr so quälte, so erreichten doch ihre Leiden den höchsten Punkt: Es fehlte ihnen an Nahrung, denn die Conserven waren bis auf wenige aufgezehrt, Thee, Kaffee, Tabak war nicht mehr da. Nach zweistündigem Marsche stürzten die Kräftigsten erschöpft zusammen.
Die Thiere fanden in dieser öden Gegend weder einen Halm noch ein genießbares Blatt. Keine Spur von jenen Zwergakazien, deren nahrhaftes Harz von den Eingebornen während einer Hungersnoth gesucht wird! Mit vorgestrecktem Kopfe schleppten sich die Kameele weiter, fielen auf die Knie und konnten nur mit Mühe wieder zum Aufstehen gebracht werden.
Am 25. März gelang es Tom Marix, Godfrey und Zach Fren, sich ein wenig frische Nahrung zu verschaffen, indem einige Schaaren von Tauben daher geflogen kamen. Trotz ihrer Schnelligkeit erlegten sie einige, und wenn diese Vögel nicht gut gewesen wären – aber sie waren es wirklich – so hätten diese Halbverhungerten sie doch ungemein schmackhaft gefunden. Man röstete sie an einem Feuer aus trockenen Wurzeln, und Tom Marix konnte für zwei Tage Nahrung aufbewahren.
Aber die Thiere hatten nichts zu fressen. Am 26. März fiel eines der Kameele, welches dem Transporte der Kranken diente, zu Boden und mußte zurückgelassen werden, denn es konnte nicht mehr aufstehen. Tom Marix schoß ihm eine Kugel in den Kopf, und da er das Fleisch, das sie durch einige Tage ernähren konnte, nicht zurücklassen wollte, so zerlegte er das magere Thier nach australischem Brauche. Er wußte ganz genau, daß alle Theile des Kameels gegessen werden können. Aus den Knochen und einem Theile der Haut, welche er in dem ihnen einzig verbliebenen Topfe auskochte, erhielt er eine Suppe, die den Hungerigen ausgezeichnet schmeckte. Das Gehirn, die Zunge und die Lenden, gehörig zubereitet, lieferten eine ganz gute Nahrung; ebenso wurde das Fleisch in ganz kleine Stücke zerschnitten, in der Sonne getrocknet und aufgehoben; die Füße aber sind am besten.[317]
Es war nur zu bedauern, daß sie kein Salz hatten, denn das eingesalzene Fleisch hält sich viel länger. Unter solchen Umständen machten sie täglich einige Meilen. Unglücklicherweise besserte sich aus Mangel an Heilmitteln, vielleicht auch an Pflege, der Zustand der Kranken nicht. Keiner sollte vielleicht das Ziel erreichen, welches Mrs. Branican unter solchen Qualen zu erreichen strebte, diesen Fluß Fitz-Roy, wo ihr Elend sich doch in etwas mildern mußte!
Am 29. März fielen die zwei Kranken der ungeheuren Anstrengung zum Opfer. Beide waren aus Adelaïde, und Beide erreichte nun in dieser Wüste der Tod. Die Armen! Sie waren die ersten, welche diesem Marsche unterlagen, worüber sich ihre Gefährten nicht wenig entsetzten. Stand ihnen nicht dasselbe Schicksal bevor, nachdem sie durch den Verrath Len Burker's in diesen öden Gegenden in Stich gelassen wurden, wo nicht einmal die Thiere Nahrung fanden?
Was konnte Zach Fren antworten, als Tom Marix zu ihm sagte:
»Zwei Menschen sind todt, um einen zu retten, ohne die zu rechnen, welche noch zugrunde gehen werden.«
Mrs. Branican gab sich ganz ihrem Schmerze hin, den jeder theilte; sie betete für diese zwei Opfer und steckte auf ihr Grab ein kleines Kreuz, das die glühenden Sonenstrahlen bald in Staub verwandeln würden.
Die Karawane setzte ihren Marsch fort.
Die drei Kameele, welche übrig blieben, bestiegen die Müdesten nacheinander, um nicht ihre Gefährten zurückzulassen; Mrs. Branican weigerte sich mit Entschiedenheit, eines derselben zu besteigen. Während der Raststunden suchten Godfrey und Tom Marix mit Hilfe dieser Thiere Wasser, denn man begegnete nicht einem Schwarzen, der sie hätte führen können. Sie entnahmen daraus, daß die Stämme sich gegen Nordosten Tasmaniens zurückgezogen hatten. Wenn sich das so verhielt, so mußten sie den Indas bis in das Thal des Fitz-Roy folgen, was ihren Weg um einige Meilen verlängert haben würde.
Im Anfange des Monats April bemerkte Tom Marix, daß die Conserven ausgingen, weshalb eines der drei Kameele geopfert werden mußte. Auf solche Weise hatten sie wieder für einige Tage Nahrung, während der sie doch die Ufer des Fitz-Roy erreichen mußten, von dem sie nur noch fünfzehn Tagesmärsche entfernt waren.
Da sie keine andere Rettung vor dem Hungertode kannten, so mußten sie zu diesem Mittel greifen. Er wurde nun das Thier ausgesucht, das am wenigsten[318] im Stande schien, seinen Dienst zu verrichten. Eine Kugel machte seinem Leben ein Ende. Dann wurde es zerlegt und das Fleisch an der Sonne getrocknet; die anderen Theile, wie das Herz und die Leber, wurden sorgfältig aufbewahrt.
Zeitweilig gelang es Godfrey, mehrere Tauben zu schießen – eine geringe Nahrung für zwanzig Personen! Tom Marix bemerkte, daß die niedrigen Akazien hin und wieder zu erscheinen begannen, deren Körner, am Feuer geröstet, ihnen ebenfalls als Nahrung dienen konnten.
Ja, es war die höchste Zeit, daß sie das Thal des Fitz-Roy erreichten und jene Hilfsquellen fanden, die sie vergebens von diesem trostlosen Lande verlangten. Noch einige Tage, und die meisten dieser armen Leute hätten nicht mehr die Kraft gehabt, dahin zu gelangen.
Am 5. April hatten sie kein Fleisch mehr und mußten sich von den Akazienkörnern ernähren. Tom Marix zögerte, die beiden letzten Kameele zu opfern, da er an den Weg dachte, der ihnen noch übrig blieb. Und doch mußte er sich dazu entschließen, denn die Armen hatten seit fünfzehn Stunden nichts mehr gegessen.
Sie hielten eben still, als einer der Männer herbeilief und sagte:
»Tom Marix... Tom Marix... die zwei Kameele sind gestürzt.
– Versucht sie aufzurichten!
– Es ist unmöglich.
– So tödte man sie sofort.
– Sie tödten?... erwiderte der Mann, aber sie liegen ja im Sterben, wenn sie nicht schon todt sind!
– Todt!« rief Tom Marix aus.
Er rang verzweifelt die Hände, denn wenn diese Thiere einmal todt sind, so ist ihr Fleisch ungenießbar.
Tom Marix, gefolgt von Mrs. Branican, Zach Fren, Godfrey und Jos Meritt, eilte zu der Stelle, wo die beiden Thiere zusammengestürzt waren.
Sie lagen auf dem Boden, zuckten mit den Gliedern, athmeten schwer; der Schaum kam ihnen zum Munde heraus. Sie starben – und nicht einmal eines natürlichen Todes.
»Was ist ihnen denn zugestoßen? fragte Dolly. Das ist doch keine Ermüdung... keine Erschöpfung?
– Nein, erwiderte Tom Marix, ich fürchte, sie haben irgend ein giftiges Gras gefressen.[319]
– Gut!... O!... Sehr gut! Ich weiß, was es ist! erwiderte Jos Meritt. Ich habe das schon in den östlichen Provinzen gesehen... in Queensland! Diese Kameele sind vergiftet worden!
– Vergiftet? wiederholte Dolly.
– Ja, sagte Tom Marix, das ist Gift!
– Nun, hub Jos Meritt wieder an, da wir jetzt keine anderen Nahrungsquellen haben, so bleibt nichts anderes übrig... als die Cannibalen nachzuahmen... um nicht Hungers zu sterben... Was wollen Sie?...[320]
Jedes Land hat seine Gebräuche... und das beste ist, man fügt sich in dieselben.«
Der Gentleman sprach diese Worte so ironisch, daß er mit seinen eingefallenen Augen und seiner mageren Gestalt fürchterlich aussah.
So starben denn die Kameele an einer Vergiftung, die wohl von einer Art giftigen Strauches herrührte, welcher in diesen Gegenden des Nordwestens nicht selten vorkommt.
Es ist dies die »Moroides laportea«, eine Art Himbeere, deren Blätter kleine Stacheln haben. Schon ihre Berührung ruft heftige[321] Schmerzen hervor; die Frucht aber ist tödtlich, wenn man nicht als Gegengift die »Colocasia macrorhiza« nimmt, eine Pflanze, die gewöhnlich in der Nähe derselben wächst.
Der Instinct, der sonst die Thiere von der Berührung dieser giftigen Pflanzen abhält, verschwand diesmal unter dem verzehrenden Hunger, der sie quälte. Wie die zwei folgenden Tage vergehen würden, wußte weder Mrs. Branican, noch einer ihrer Gefährten. Sie mußten die beiden Cadaver verlassen, denn sie waren nach einer Stunde in vollständiger Verwesung, so schnell wirkt dieses Pflanzengift. Dann schleppte sich die Karawane weiter in der Richtung gegen den Fitz-Roy zu... Würden sie ihn Alle erreichen?... Nein, denn Einige verlangten schon jetzt, daß man ihnen lieber den Gnadenschuß geben solle, um einem fürchterlichen, langwierigen Todeskampfe zu entgehen...
Mrs. Branican ging von Einem zum Andern... Sie versuchte sie zu ermuthigen... sie flehte sie an, noch eine letzte Anstrengung zu machen... Das Ziel ist nicht weit... Nur noch einige Meilen... Dort unten ist Rettung... Aber was konnte sie von diesen Unglücklichen erreichen?
Am 8. April Abends hatte Niemand mehr die Kraft, das Lager aufzuschlagen. Die Unglücklichen stürzten in das Gestrüpp und aßen die Blätter ab... Sie konnten nicht mehr sprechen... Sie konnten nicht mehr weiter gehen... Alle stürzten hier zusammen.
Nur Mrs. Branican leistete noch Widerstand. Godfrey kniete neben ihr und sah sie an... Er nannte sie Mutter!... wie ein Kind, das seine Mutter flehentlich bittet, es nicht sterben zu lassen...
Dolly steht allein aufrecht und blickt auf gegen den Horizont.
»John!... John!« ruft sie voll Verzweiflung aus.
Als ob John ihr hätte Rettung bringen können![322]
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