[96] Dr. Marianus und die drei Patres treten mit Faust durch den Vorhang in den zweiten Raum.
FAUST den Mephistopheles erblickend.
Nun, da sieht's gut aus, der ist da!
MEPHISTOPHELES.
Mit höherem Permisse, ja![96]
FAUST zu Valentin.
Ach Gott, es sei! ich füge mich,
Nur macht es nicht zu fürchterlich!
Er wird entkleidet und legt sich auf den Schragen.
VALENTIN zu Mephistopheles.
Dies eine Mal gehorch ich dir;
Ich bin bereit, nun kommandier!
MEPHISTOPHELES.
Sänftlich streiche,
Fleisch erweiche!
Es geschieht.
FAUST.
Wird's nur nicht stärker, ist es zum Ertragen,
Ich dulde still auf meinem Schragen.
MEPHISTOPHELES.
Derber reibe,
Pressend drücke,
Klemmend kneipe,
Zwage, zwicke!
FAUST.
Au weh!
Ich vergeh!
MEPHISTOPHELES.
Magst immer ächzen und schnaufen!
Es bringt die Säfte ins Laufen,
Daß du nicht mehr so lang verhockst
Und bis zum fünften Akte stockst!
Zu Valentin.
Kratze, fitzle,
Kraue, kitzle!
Kribble, krabble,
Daß er zapple!
FAUST krampfhaft lachend.
Haha! haha!
Greulicher Krampf, gichterisch Lachen,
Lieber vor Schmerz heulend zerkrachen!
Hi, hi![97]
MEPHISTOPHELES.
Nachkitzel zur Walpurgisnacht
Und ihren Ludereien!
Der klassischen sei hier nicht gedacht,
Die war schon zum Kasteien,
Man ging vor lauter Deutungsschund
In dem Gestrüppe ja zugrund.
Doch an den Zwerg Homunculus,
Des Dichterhirns forunculus,
Sein Schweben und sein Schwabbeln
Gemahne dich dies Krabbeln!
Zu Valentin.
Jetzt nimm die Gerte, hau!
Valentin haut.
FAUST.
Au! Au! Au!
MEPHISTOPHELES.
Für Zauberei beim Uferbau
Mit Menschenopferblut
Hast du den Lohn noch gut;
Philemons und der Baucis Weh,
Die Räuberei zur offnen See,
Auf deiner Rechnung stehen sie,
Ernstlich bereutest du sie nie. –
Zu Valentin.
Hau stärker zu!
Es geschieht.
FAUST.
Huhu! Huhu!
MEPHISTOPHELES zu Valentin.
Zurück jetzt denke an den Degenstoß
Und denk an deiner armen Schwester Los!
Hat man ein Weib so scheußlich ruiniert,
Wird man von Elfensang nicht absolviert!
Jetzt haue zu mit voller Kraft!
Es spritze nur der heiße rote Saft!
Valentin haut noch stärker.
[98]
FAUST.
Du haust mich wund!
Ich geh zugrund!
Schwer ist die Schuld!
Übt Gnad und Huld!
MEPHISTOPHELES.
Hau zu! Hau zu!
Gib keine Ruh!
VALENTIN.
Nein! nein! und aber nein!
Nicht länger soll gehauen sein!
Vom Himmel hör ich Gretchens Stimme:
»Jetzt mach ein Ende deinem Grimme!
Hier oben ist die Schuld verziehn,
Verzeih auch du, mein Valentin!«
MEPHISTOPHELES.
Was, zahmer Lümmel, du?
Hau zu, hau zu!
VALENTIN.
Halt's Maul, du hast jetzt ausbefohlen,
Ich werde vielmehr diese scharfe Kur
In ihrer Tempi Reihenfolge nur
Rückwärts absteigend wiederholen,
Bis ich sie schließe mit gelinden Strichen,
Und meine Rechnung gilt mir ausgeglichen.
MEPHISTOPHELES.
Wie weich und feig!
Bist du von Teig?
Bist du Soldat
Und scheust die Tat?
VALENTIN.
Du Schandwurm, der die halbe Welt vergiftet,
Du bist's, der jene Taten angestiftet!
Haut ihm mit der Gerte übers Gesicht.
MEPHISTOPHELES das Blut vom Gesicht wischend, für sich.[99]
Verflucht, daß ich den Kerl nicht zwingen kann!
Was steckt doch in dem ungeleckten Mann?
Ihm gegenüber wird mein Zauber lahm,
Am End noch gar macht mich der Lümmel zahm!
Doch nein und nochmals nein!
Der letzte Wurf ist mein!
Hinüber jetzt zu meiner alten Base,
Dem Hexenbalge mit der spitzen Nase!
Da soll ein Naß bereitet sein,
Das durchbeißt bis ins Mark hinein!
Ab.
Buchempfehlung
Nach 25-jähriger Verbannung hofft der gealterte Casanova, in seine Heimatstadt Venedig zurückkehren zu dürfen. Während er auf Nachricht wartet lebt er im Hause eines alten Freundes, der drei Töchter hat... Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.
82 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro